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Society 379

The latest issue of SOCIETY features Portugal as a focus country. It also has interviews with the new Ambassadors of Afghanistan, Ireland and Kazakhstan. Other topics are the countries of the Western Balkans, EU and culture.

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SOCIETY<br />

Zur Schwäbischen<br />

Jungfrau<br />

Mit ihrem fröhlichen Wesen zieht uns die<br />

83-jährige Innenstadtlegende Hanni Vanicek<br />

beim SOCIETY-Interview in ihrem Geschäft<br />

am Graben sofort in ihren Bann – ebenso mit<br />

ihren zahlreichen Geschichten.<br />

Fotos: SOCIETY/Pobaschnig<br />

Vom malaysischen König, der seinen<br />

Palast von der „Schwäbischen Jungfrau“<br />

mit feinsten Stoffen und edler<br />

Wäsche ausstatten ließ, über ein<br />

illustres Abendessen mit Luciano<br />

Pavarotti bis hin zu Whoopie Goldbergs<br />

Überraschungsbesuch in ihrem Wiener<br />

Traditionsgeschäft – die heute 83-jährige<br />

Geschäftsführerin hat viel erlebt.<br />

Mit ihren Erfahrungen könnte sie zahlreiche<br />

Bücher füllen – ihr erstes ist im<br />

Oktober letzten Jahres auch bereits<br />

erschienen. „Das Geschäft ist meine<br />

Bühne“ heißt es und wurde von der<br />

österreichischen Autorin Freya Martin<br />

aufgezeichnet. „Es ist ein sehr wienerisches<br />

Buch und ich bin stolz darauf“,<br />

betont Hanni Vanicek im Interview. Mit<br />

nur 21 Jahren übernahm Hanni Vanicek<br />

1959 die Schwäbische Jungfrau. Das<br />

Wäschewarengeschäft bestand zu<br />

diesem Zeitpunkt bereits über 240<br />

Jahre und hatte schon zahlreiche<br />

BesitzerInnen überdauert. Vor der<br />

Übernahme war Vanicek viel gereist,<br />

hatte ihren Vater als seine Assistentin<br />

in ganz Europa begleitet. Ihr eigentlicher<br />

Traum war es damals, Opernsängerin<br />

zu werden und auf der Bühne<br />

zu stehen, das Schicksal wollte es aber<br />

anders: Sie sollte jene Person werden,<br />

die die 1720 von einem nach Wien<br />

übersiedelten schwäbischen Leinwandhändler<br />

gegründete Schwäbische<br />

Jungfrau nun seit über sechzig Jahren<br />

prägt, ihr eine Seele verleiht. „Ich war<br />

damals noch sehr jung und unbedarft,<br />

aber ich konnte eine gute Ausbildung<br />

als Schneidermeisterin vorweisen. Von<br />

zuhause hatte ich außerdem Disziplin<br />

gelernt und die war vor allem zu Beginn<br />

sehr wichtig“, erinnert sich Vanicek an<br />

die ersten Jahre als Geschäftsführerin.<br />

Sie wuchs stetig in die Rolle der Eigentümerin<br />

hinein, flog zu Messen, schloss<br />

Verträge, erweiterte die Stammkundschaft<br />

und renovierte das Geschäftslokal,<br />

das sich zuvor am „Haarhof“ und<br />

später am Hohen Markt befunden<br />

hatte, ehe es in den 1920er Jahren am<br />

Graben 26 seinen Platz fand. Als großer<br />

Glücksfall für das Unternehmen stellte<br />

sich die Kooperation mit der amerikanischen<br />

Herstellerfirma Fieldcrest<br />

heraus, die über vierzig Jahre dauern<br />

und erst durch die Auflösung der Firma<br />

enden sollte. Die einzigartig weichen<br />

Frotteehandtücher der Marke fanden<br />

weitläufigen Anklang, zu erhalten waren<br />

diese europaweit nur bei Harrods in<br />

London, im Maison Blanc in Paris – und<br />

eben in der Schwäbischen Jungfrau<br />

in Wien. Doch nicht immer lief alles so<br />

problemlos für Hanni Vanicek, so brach<br />

am 25. Juni 1968 ein zerstörerischer<br />

Brand im Geschäft am Graben aus, der<br />

die Räumlichkeiten schwer beschädigte.<br />

Auch das gesamte Archiv der<br />

Schwäbischen Jungfrau, die zu Kaisers<br />

Zeiten sogar zum k.u.k. Hoflieferanten<br />

ernannt wurde, fiel den Flammen zum<br />

Opfer und der Verkauf musste kurzerhand<br />

in die sich heute noch dort<br />

befindende Näherei im 8. Bezirk verlegt<br />

werden.<br />

Mit ihrer offenen und herzlichen Art<br />

begeistert Vanicek seit jeher die Menschen<br />

für sich. „Ich bin eine Person, die<br />

auf jeden zugeht und so habe ich Nelson<br />

Mandela am Flughafen die Hand<br />

geschüttelt, Michael Jackson um zwei<br />

Uhr nachts mitten auf der Straße ein<br />

persönliches Autogramm abgeluchst<br />

und am Macchu Picchu ein Foto mit<br />

Jimmy Carter gemacht“, lacht sie.<br />

Und so bespielt sie auch seit über 60<br />

Jahren die Bühne der Schwäbischen<br />

Jungfrau – mit Charme, Herz und<br />

Enthusiasmus, und seit 2006 gemeinsam<br />

mit ihrem Neffen Theo, der das<br />

Geschäft einmal übernehmen und ein<br />

weiteres Kapitel der langen Geschichte<br />

der Schwäbischen Jungfrau schreiben<br />

wird. „Für die Zukunft wünsche ich<br />

mir Frieden, mehr Verständnis für die<br />

Menschen, weniger Gier und für die<br />

Schwäbische Jungfrau, dass sie, genau<br />

wie die anderen älteren Geschäfte,<br />

weiterbestehen kann und die Mieten<br />

leistbar bleiben – das liegt mir wirklich<br />

am Herzen“.<br />

AUSTRIAN BUSINESS<br />

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