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Society 379

The latest issue of SOCIETY features Portugal as a focus country. It also has interviews with the new Ambassadors of Afghanistan, Ireland and Kazakhstan. Other topics are the countries of the Western Balkans, EU and culture.

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SOCIETY<br />

Seien Sie das Licht,<br />

nicht der Hügel<br />

Gastautor Simon Inou plädiert in seinem Kommentar<br />

für die Inklusion von Schwarzen in der<br />

literarischen Welt.<br />

Am 20. Januar 2021 wurde Joseph „Joe“<br />

Robinette Biden, Jr. als 46. Präsident<br />

der Vereinigten Staaten angelobt.<br />

Die Angelobung von Joe Biden war<br />

eine historische Einmaligkeit: Zum<br />

ersten Mal in der Geschichte der USA<br />

wurde eine Frau zur Vize-Präsidentin<br />

gemacht. Kamala Harris ist zudem<br />

die erste afroamerikanische und die<br />

erste asiatisch-amerikanische Person<br />

in dieser Position. Aber an diesem<br />

Tag stahl ein anderer Shooting Star<br />

den PolitikerInnen die Show: Amanda<br />

Gorman, eine junge Schriftstellerin,<br />

Lyrikerin und Aktivistin. Seit Jahren<br />

setzt sie sich mit Themen wie Feminismus,<br />

Unterdrückung, Diskriminierung<br />

und Rassismen auseinander. Auf<br />

Einladung von Jill Biden trug Gorman<br />

im Rahmen der Zeremonie ihr Gedicht<br />

The Hill We Climb vor. Dieses Gedicht<br />

wurde nach dem Sturm auf das Kapitol<br />

Die Dichterin und Word-Aktivistin Amanda Gorman<br />

bei der Angelobung von Präsident Biden<br />

in Washington DC am 6. Januar 2021<br />

noch einmal angepasst. Die 22-jährige<br />

war am Tag der Angelobung die<br />

jüngste Dichterin, die jemals bei der<br />

Amtseinführung eines US-Präsidenten<br />

aufgetreten ist. The Hill We Climb umfasst<br />

723 Wörter. Das Gedicht handelt<br />

von den schweren Zeiten, die die USA<br />

durchstehen. Laut Gorman ist Amerika<br />

„nicht gebrochen, sondern einfach<br />

unvollendet”. Im Gedicht geht es um<br />

Verluste, aber auch um die Möglichkeit<br />

der Versöhnung und vorwiegend auch<br />

um Hoffnung für die Zukunft.<br />

Genau diese Formulierung der “Hoffnung<br />

für die Zukunft”, von der nicht<br />

nur die US- Amerikaner:innen träumen,<br />

sondern die ganze Welt, hat das<br />

Gedicht beflügelt. Das Werk wurde in<br />

mehrere Sprachen übersetzt. In Europa<br />

löste es eine sehr interessante Diskussion,<br />

die von linksliberalen Journalist:innen<br />

und Meinungsmacher:innen<br />

in die Ecke der Identitätspolitik gerückt<br />

wurde, aus. Die Diskussion begann,<br />

als die niederländische Künstlerin<br />

und Journalistin Janice Deul in einem<br />

sehr pointierten Beitrag in der Zeitung<br />

De Volkskrant die weiße, nicht-binäre<br />

Übersetzerin Marieke Lucas Rijneveld<br />

als nicht die geeignetste Wahl bezeichnete.<br />

Sie sah es als eine verpasste<br />

Chance für die literarische Welt,<br />

nicht-weiße Übersetzer:innen auch für<br />

diese Arbeit zu beschäftigen. Gorman<br />

begrüßte die Wahl von Rijneveld, aber<br />

Rijneveld zog sich daraufhin von dem<br />

Projekt zurück. Janice Deul: “Nichts<br />

gegen Rijnevelds Qualitäten, aber<br />

warum kann die Industrie nicht eine<br />

Autorin wählen, die - genau wie Gorman<br />

- eine Spoken-Word-Künstlerin<br />

ist, jung, weiblich und unapologetisch<br />

Schwarz ist?”, schreibt sie in ihrem<br />

oben genannten Beitrag. Damit will sie<br />

sagen, dass es nicht nur weiße Talente<br />

gibt und dass die Verlagswelt auf ihre<br />

eigenen Privilegien schauen und einige<br />

davon abgeben muss. In anderen<br />

Ländern Europas – in Deutschland,<br />

Frankreich und Österreich – wurde<br />

diese wichtige Diskussion auf “Weiße<br />

dürfen Schwarze nicht mehr übersetzen”<br />

reduziert und man drängte den<br />

Diskurs über Privilegien in die Ecke der<br />

Identitätspolitik. Außerdem ging es<br />

darum, die Verlagswelt für nicht-weiße<br />

Menschen aufzumachen. Weil diese<br />

stets die Verlierer:innen im Kulturbereich<br />

waren, wie Janice Deul schön<br />

zusammenfasst: “Agenten, Verleger,<br />

Redakteure, Übersetzer, Rezensenten<br />

in den Niederlanden [auch in Europa<br />

- Anmerkung des Autors], weiten Sie<br />

Ihren Blick und treten Sie in die 2020er<br />

Jahre. Seien Sie das Licht, nicht der<br />

Hügel. Umarmen Sie die Menschen,<br />

die im Literatursystem nur am Rande<br />

vertreten sind, öffnen Sie Ihre Augen<br />

für Genres, die traditionell nicht in den<br />

Kanon aufgenommen wurden, und<br />

lassen Sie Ihr Ego nicht über die Kunst<br />

siegen. Talentierte People of Color<br />

müssen ebenfalls gesehen, gehört<br />

und geschätzt werden. Veröffentlichen<br />

Sie auch ihre Arbeit, stellen Sie sie ein<br />

und entlohnen Sie sie angemessen.<br />

Schwarze Spoken-Word-Künstler sind<br />

wichtig. Auch die Einheimischen.”<br />

Foto: DOD Photo by Navy Petty Officer 1st Class Carlos M. Vazquez II/Author : Chairman of the Joint Chiefs of Staff<br />

DIVERSITY<br />

098

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