Ausgabe 03/2023
| Neue Wege beschreiten: Coverinterview mit Thomas G. Winkler & Erich Wiesner | Zu Tisch mit … Simone Rongitsch und Reinhard Schertler | Kommentare von unter anderem ... Klaus Baringer, Eva Dissauer, Michael Pisecky, Philipp Kaufmann, Hans Jörg Ulreich, Elisabeth Rohr - de Wolf Georg Flödl, Beiglböck, Louis Obrowsky | Exklusiv im Interview Karin Fuhrmann, Katrin Gögele-Celeda | Round Table mit Frank Brün, Michael Klement und Alina Nichiforeanu | Kolumnen von Wolfgang Fessl, Anita Körbler, Jasmin Sarovia | Real Circle – Kreislaufwirtschaft
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Zum Autor
Andreas Kreutzer ist Geschäftsführer des Beraternetzwerks
Kreutzer Fischer & Partner mit Sitz in Wien. Seit nahezu
30 Jahren unterstützt KFP unter anderem Unternehmen bei
Marktanalysen und Projekten.
Nachhaltiger als gedacht
Kommentar: Andreas Kreutzer
In Österreich fallen jährlich rund 30 Millionen Tonnen Abfälle an
(ohne Aushubmaterial). Etwa ein Drittel davon entsteht durch Bauund
Abbruchabfälle. Insofern ist es naheliegend, dass der Wiederverwertung
von Baustoffrestmassen ein großes Augenmerk geschenkt
wird. Baustoff-Recycling wird in Österreich seit Beginn der 1990er-
Jahre professionell betrieben – ob mobil auf Baustellen oder stationär.
Das Bundesumweltamt zählte zuletzt rund tausend Behandlungsanlagen.
Mittlerweile werden über achtzig Prozent der mineralischen
Fraktion der Wiederverwertung zugeführt.
Von den jährlich rund drei Millionen Tonnen
entsorgtem Altbeton fließen über 97 Prozent
in den Stoffkreislauf zurück oder werden für
lose Schüttungen im Unterbau verwendet.
Asphaltgemisch enthält in Österreich
rund 20 Prozent rezykliertes Material.
Die Gründe für die vergleichsweise
hohen Recyclingquoten liegen nicht zuletzt
in den gesetzlichen Rahmenbedingungen,
die es in Österreich zum Teil seit
Jahrzehnten gibt, etwa das Altlastensanierungsgesetz,
die Deponieverordnung oder
die Recycling-Baustoff-Verordnung. Ab dem
kommenden Jahr dürfen die meisten mineralischen
Baustoffe wie etwa Ziegel aus der Produktion,
Straßenaufbruch und Betonabbruch in keinem
Fall mehr deponiert werden. In den Jahren 2026/2027 wird
die Liste auf Gipsplatten, Gipswandbauplatten, faserverstärkte Gipsplatten
sowie künstliche Mineralfasern erweitert.
Dringenderer Handlungsbedarf andernorts
Zugegeben, bei Verbundmaterialien ist eine industrielle Lösung für
eine sortenreine Trennung nach wie vor nicht wirklich in Sicht. So
können beispielsweise Brettsperrholz und Leimbinder aufgrund des
Bindemittels im Prinzip nicht wiederverwertet, sondern nur verbrannt
werden. Verbrennt man Holz, wird die viel gelobte CO2-Senke
aber wieder aufgefüllt. Aber Hand aufs Herz, hat aus umwelttechnischer
Sicht die Wiederverwertung von Baustoffen wirklich höchste
Priorität, zumal deren Lebenszyklus deutlich länger ist als der der
meisten anderen Waren und Güter? Fenster werden im Durchschnitt
alle 45 Jahre erneuert, Dachmaterial für Steildächer nicht vor
Ablauf von siebzig Jahren getauscht und ein Mauerwerk
steht in der Regel hundert Jahre und länger.
Demgegenüber nutzen wir Mobiltelefone im
Schnitt nicht länger als drei Jahre und Kleidungsstücke
werden nach rund fünf Jahren
entsorgt (Wurde eigentlich schon erhoben,
wie viele ungetragene Teile direkt
im Altkleidercontainer landen?). Durch
geplante Obsoleszenz fallen alleine in
Österreich jährlich hunderte Tonnen an
zusätzlichem Elektroschrott an. Nicht,
dass deshalb das Recycling von Baumaterialen
weniger wichtig wäre, aber haben
wir in Sachen Kreislaufwirtschaft nicht
andernorts dringenderen Handlungsbedarf,
solange täglich tausende Tonnen an Verpackungsmüll
von „Fast Moving Consumer Goods“
auf Mülldeponien landen?
Unternehmen der Baustoffindustrie leben ihren Nachhaltigkeitssinn
bisweilen stärker aus als den technischen Nutzen ihrer Produkte. Obgleich
die Baupreise explodieren und die Nachfrage sinkt, scheint ein
grüner Anstrich wichtiger zu sein als ein günstiger Preis. Vielleicht
sollten wir einmal die mitunter auch in der Baubranche veranstaltete
Nachhaltigkeits-Olympiade zu Ende denken.
Fotos: Sima.pix, Alexander Chitsazan, Adobe Stock
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