Aufsichtspflicht und Haftung: Kurz und bündig
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gesellschaftlichen Gr<strong>und</strong>verständnis sowie den sich ständig wandelnden<br />
Wertemaßstäben ab.<br />
Noch in der Nachkriegszeit neigte die Rechtsprechung dazu, Schäden dadurch zu<br />
verhindern, dass jegliche Gefahren von vorneherein vom Minderjährigen<br />
ferngehalten werden mussten. Dies prägte lange Zeit das Bild einer beschützenden,<br />
behütenden, aber auch bevorm<strong>und</strong>enden Jugendarbeit, in der Kinder <strong>und</strong><br />
Jugendliche ohne Freiräume <strong>und</strong> Möglichkeiten von Grenzerfahrungen oftmals<br />
lediglich ”verwahrt” wurden. Seit Mitte der sechziger Jahre ist, begleitet von einem<br />
stetig wachsenden Selbstverständnis der Jugend <strong>und</strong> einer zunehmenden<br />
Liberalisierung der elterlichen <strong>und</strong> schulischen Erziehung, auch ein Wandel der<br />
gerichtlichen Beurteilungsmaßstäbe erkennbar.<br />
So trägt der B<strong>und</strong>esgerichtshof in seinen neueren Entscheidungen vermehrt dem<br />
Gesichtspunkt Rechnung, dass Kinder planvoll <strong>und</strong> mit wachsendem Alter<br />
zunehmend an den Umgang mit den Gefahren des Alltags herangeführt werden<br />
müssen. Nur durch eine Erziehung zu verantwortungsvollen <strong>und</strong> selbständigen<br />
Persönlichkeiten wird es den Kindern ermöglicht, fremde Gefahren <strong>und</strong> eigene<br />
Grenzen zu erkennen <strong>und</strong> späteres Handeln hierauf einzustellen.<br />
„Nicht unbedingt das Fernhalten von jedem Gegenstand, der bei unsachgemäßem<br />
Umgang gefährlich werden kann, sondern gerade die Erziehung des Kindes zu<br />
verantwortungsbewusstem Hantieren mit einem solchen Gegenstand wird oft der<br />
bessere Weg sein, das Kind <strong>und</strong> Dritte vor Schäden zu bewahren. Hinzu kommt die<br />
Notwendigkeit frühzeitiger praktischer Schulung des Kindes, das seinen<br />
Erfahrungsbereich möglichst ausschöpfen soll.“ BGH, NJW 1976, S. 1684<br />
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Den Jugendleitern obliegt es, den Aufsichtsbedürftigen zum Umgang mit<br />
Gefahrensituationen brauchbare Handlungs- bzw. Reaktionsmuster aufzuzeigen <strong>und</strong><br />
eigene Erfahrungen zu verschaffen. Dies betrifft neben den für den Jugendlichen<br />
kaum beeinflussbaren Gefahren der Umwelt auch die bewusste Wahrnehmung des<br />
eigenen Körpers mit seinen Stärken, Schwächen <strong>und</strong> seinen Grenzen.<br />
Damit einhergehen muss aber zwangsläufig eine zeitweilige Absenkung der<br />
Aufsichtserfordernisse, damit der Jugendleiter nicht im Widerspruchsfeld zwischen<br />
erzieherischer Verantwortung <strong>und</strong> Erfüllung der <strong>Aufsichtspflicht</strong> verloren ist. Von<br />
allen Beteiligten muss daher auch die Möglichkeit in Kauf genommen werden, dass<br />
in Einzelfällen negative Erfahrungen entstehen. Diese tragen jedoch mit dazu bei,<br />
dass den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen ein vollständiges, reelles Bild ihrer Umgebung<br />
<strong>und</strong> ein umfassender Erfahrungsschatz im Umgang mit dieser vermittelt wird.<br />
Im Bereich von Erziehung <strong>und</strong> <strong>Aufsichtspflicht</strong> gibt es daher auch nur ganz selten die<br />
absolut „richtige Entscheidung“ in einer bestimmten Situation, verb<strong>und</strong>en mit der<br />
Konsequenz, dass jede andere Entscheidung automatisch schon eine Verletzung der<br />
30.11.2001 4/26