Franz Schlegelberger - Staatssekretär im Reichsjustizministerium
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neuer Betätigung suchen ließ, und der <strong>im</strong> Grunde nichts ernst nahm. Ich habe anfänglich<br />
dauernd Zusammenstöße mit ihm gehabt, wozu sein gewisses Minderwertigkeitsgefühl<br />
meist Anlass gab. Aber ich habe mich meiner Haut gewehrt, und als ich nach Dr.<br />
Gürtners Tod die Führung des Ministeriums übernahm, hat er sich einwandfrei<br />
untergeordnet und mir oft versichert, dies sei die schönste Zeit seines Lebens. Dr.<br />
Gürtner machte den Fehler, Freisler erziehen zu wollen, womit er restlos scheiterte.<br />
Einzige Ergebnisse waren hin und wieder Nervenzusammenbrüche mit vielen Tränen,<br />
Besserungsgelübden ohne Erfüllung. Ich bin überzeugt davon, dass der fast tägliche<br />
Ärger, den Dr. Gürtner seiner Natur nach in sich hineinfraß, viel zu seinem Ende<br />
beigetragen hat. Freisler war seinem ganzen Wesen nach untreu, er liebäugelte mit jeder<br />
Kombination. Bei der Partei hatte er trotz des goldenen Parteiabzeichens keine gute<br />
Nummer, und ich habe ihn wiederholt „retten“ müssen. Am 3. Februar 1945 ist Freisler<br />
bei einem Bombenangriff auf Berlin ums Leben gekommen. Die Arbeit teilte ich mir mit<br />
Freisler sachlich so, dass er die Strafsachen und das Prüfungsamt, ich das übrige<br />
übernahm. Mit Strafsachen habe ich als <strong>Staatssekretär</strong> bis zum Schluss nichts zu tun<br />
gehabt.<br />
Dr. Frank hatte <strong>im</strong> Jahre 1934 die Akademie für deutsches Recht gegründet mit der<br />
Aufgabe, die Neugestaltung des deutschen Rechtslebens zu fördern. Der Gedanke war<br />
gut. Leider riss nur der Missbrauch ein, aus dekorativen Gründen Leute zu Mitgliedern<br />
zu ernennen, die für das Rechtsleben gar nichts mitbrachten. Die Ausschüsse arbeiteten<br />
überwiegend gut, zum Teil sogar vorzüglich. Da die Gefahr drohte, dass die betriebsame<br />
Akademie und namentlich ihr Präsident Franck die Reform des bürgerlichen Rechts an<br />
sich reißen würde, gewann ich Minister Dr. Gürtner für meinen Plan, selbst mit<br />
Reformgedanken hervor zu treten und hierfür den Führer zu interessieren. Am 25.<br />
Januar 1937 konnte ich in der Universität Heidelberg meinen großen Vortrag „Abschied<br />
vom BGB“ halten, an dessen Schluss ich erklärte, der Führer und Reichskanzler habe<br />
sich auf Vortrag des Reichsministers Dr. Gürtner damit einverstanden erklärt, dass das<br />
<strong>Reichsjustizministerium</strong> die Erneuerung des gegenwärtig <strong>im</strong> BGB geregelten Rechts<br />
alsbald in Angriff n<strong>im</strong>mt. Der Vortrag machte großes Aufsehen, verursachte viel<br />
Zust<strong>im</strong>mung und viel Widerspruch, erreichte also sein Ziel, die Frage in Fluss zu<br />
bringen und die klare Zuständigkeit des Ministeriums zu betonen.<br />
Der Anfang Januar 1941 leitete einen neuen Abschnitt meiner dienstlichen Tätigkeit ein.<br />
Anfang Januar erkrankte der Minister Dr. Gürtner. Die Krankheit sah zunächst<br />
keineswegs bedrohlich aus. Auch als ich den Patienten am 23. in seiner Wohnung<br />
besuchte, fand ich ihn auffallend leidend, ahnte jedoch nichts Schl<strong>im</strong>mes. Am 29. früh<br />
erreichte mich die Meldung des Sanatoriums, dass der Minister in der vergangenen<br />
Nacht gestorben sei. Das war ein schwerer Schlag. Wir waren sehr verschiedene<br />
Naturen. Was mir nach meinem Urteil besonders eigen ist, starke Aktivität und<br />
Kampfgeist, fehlte Dr. Gürtner durchaus. Dafür war sein hervorstechender Zug tiefe<br />
Besinnlichkeit und wärmste Herzensgüte. Er war ein Mann von ganz außergewöhnlicher<br />
Klugheit, universellem Wissen, ehrlicher Bescheidenheit und unantastbarer Lauterkeit<br />
der Gesinnung, eine ganz auf Harmonie gestellte Persönlichkeit, die den Frieden wollte<br />
und jeden krummen Weg verabscheute. Wir standen so zueinander, dass jeder die<br />
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