Franz Schlegelberger - Staatssekretär im Reichsjustizministerium
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erreicht werden könne. Ein Gesetz wird <strong>im</strong> Reichsgesetzblatt veröffentlicht. Hitler<br />
befürchtete aus dem Bekanntwerden eines Euthanasiegesetzes Unruhe <strong>im</strong> Inland und<br />
Ansehensverlust <strong>im</strong> Ausland und hatte sich daher gegen eine gesetzliche und für die<br />
„verwaltungsrechtliche“ Lösung entschieden. Im Sommer 1940 erfuhr das RMJ von<br />
auffälligen Todesfällen in psychiatrischen Anstalten. 143<br />
Die Tötung von Geisteskranken war zweifellos strafbar. Es häuften sich Anfragen von<br />
Staatsanwaltschaften, welche pflichtgemäß ermitteln wollten, daran aber inoffiziell<br />
gehindert wurden. „Rechtsgrundlage“ dieser Tötungen war das Ermächtigungsschreiben<br />
Hitlers vom 1. September 1939 an Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt, das diese<br />
ermächtigte die Befugnisse namentlich best<strong>im</strong>mter Ärzte so zu erweitern, dass nach<br />
menschlichem Ermessen unheilbar Kranken ... der Gnadentod gewährt werden kann.<br />
Gürtner unternahm verschiedene Vorstöße, um die Aktionen einzustellen oder jedenfalls<br />
durch eine gesetzliche Regelung gewisse Garantien gegen Missbrauch vorzusehen.<br />
Hitler lehnte aber ein Gesetz aus politischen Gründen ab. Als Gürtner das<br />
Hitlerschreiben 1. September 1939 (in Fotokopie!) vorgelegt wurde, gab er seinen<br />
Widerstand auf. Der zuständige <strong>Staatssekretär</strong> <strong>im</strong> <strong>Reichsjustizministerium</strong> Freisler wies<br />
die Generalstaatsanwälte an, Anzeigen wegen Mordes in den Anstalten nicht zu<br />
bearbeiten.<br />
3. Durchbrechung der Schweigemauer<br />
Am 29. Januar 1941 starb Gürtner. <strong>Schlegelberger</strong> wurde sein kommissarischer<br />
Nachfolger. <strong>Schlegelberger</strong> setzte durch, dass die Oberlandesgerichtspräsidenten und<br />
Generalstaatsanwälte von der Aktion unterrichtet wurden. (Gruchmann, S. 1123).<br />
Auslöser der Vorwürfe gegen FS ist die von ihm in dieser Sache einberufene und<br />
geleitete Sitzung aller Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte vom 23.<br />
– 24. April 1941 in Berlin. 144 Diese Tagung ist ein Beispiel dafür, wie schwer die<br />
wirkliche Wahrheit für den späteren Betrachter erkennbar ist. FS hat diese Sitzung<br />
offenbar unmittelbar nach seinem Dienstantritt als Ministerverterter anberaumt. Das<br />
und die Art seiner Verhandlungsführung können seinen besonderen Eifer, die Sache <strong>im</strong><br />
Sinne des Reg<strong>im</strong>es zu fördern, bedeuten. Aber ebenso gut auch das Gegenteil.<br />
Fragt man, was aus der Sicht von FS zu tun war, um die Aktion zu torpedieren, dann<br />
ergibt sich: Es musste schnell gehandelt werden, damit sich die Euthanasieaktion nicht<br />
verselbständigte und an der Justiz vorbei <strong>im</strong> Verwaltungswege durchgezogen würde.<br />
Direkte Vorstellungen bei Hitler hatten sich als nutzlos herausgestellt. Das einzige, was<br />
den Diktator zurückschrecken lassen konnte, war die St<strong>im</strong>me des Volkes. Es besteht<br />
kein Zweifel, dass das Volk so gut wie einhellig gegen diese Aktion war. Freie<br />
Presse/Rundfunk, welche die Öffentlichkeit hätten informieren können, gab es aber<br />
nicht. Es mußte also Öffentlichkeit hergestellt werden. Dafür gibt kaum einen besseren<br />
143 Gruchmann, S. 502 ; Die Darstellung hier folgt Gruchmann S. 499 ff in allen wesentlichen Zügen.<br />
144 Gruchmann, L. S. 527 f; Euthanasie und Justiz <strong>im</strong> Dritten Reich in Vierteljahreshefte für<br />
Zeitgeschichte 1972, S. 235 ff. vgl auch JuN , S. 203 f und Förster S. 115 f .<br />
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