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Franz Schlegelberger - Staatssekretär im Reichsjustizministerium

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seine Auffassung in der Behandlung von Rechts – insbesondere Strafsachen zu<br />

unterrichten. Die Unabhängigkeit des Richters gilt als eine der wesentlichen<br />

Errungenschaften des modernen Verfassungsstaates. Art. 97 GG sagt wortgleich mit Art.<br />

102 We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung: Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz<br />

unterworfen. Entsprechendes findet sich in anderen Verfassungen. 114 Die richterliche<br />

Unabhängigkeit gegenüber direkten Einflussnahmen des Herrschers war bereits <strong>im</strong><br />

vorkonstitutionellen Preußen verwirklicht. 115 Nicht eindeutig zu entscheiden ist, ob<br />

eine solche Einflußnahme oder ihr Versuch in einem formalen Sinne rechtswidrig war.<br />

Jedenfalls war sie damals nicht strafbar, und heute unter dem Grundgesetz auch nicht.<br />

Unter dem Grundgesetz wäre es zwar politisch bedenklich und skandalös, wenn etwa<br />

ein Regierungsmitglied durch unmittelbare Fühlungnahme mit dem zuständigen Richter<br />

auf dessen Entscheidung in einem konkreten Fall einzuwirken versuchte; strafbar wäre<br />

das aber nicht.<br />

Die richterliche Unabhängigkeit bezieht sich auf die Rechtsfindung. Der Rahmen der<br />

Unabhängigkeit ist aber von Fall zu Fall <strong>im</strong>mer wieder einmal strittig und wird durch<br />

das richterliche Disziplinarrecht entschieden. Zweifelsfrei ist, dass der<br />

Dienstvorgesetzte, z.B. der Landgerichtspräsident, dem Richter keine Weisungen zur<br />

Urteilsfindung und zur Art der Verfahrensführung geben darf. Er kann aber nach<br />

Abschluss eines Verfahrens auf eine Umsetzung des Richters hinwirken, wenn er mit<br />

dessen Leistungen nicht zufrieden ist. Auch unter dem Grundgesetz finden<br />

Konferenzen, Dienstbesprechungen und Schulungen statt, in denen Richtern zwar keine<br />

Weisungen erteilt werden, wohl „Handreichungen“ zur Behandlung best<strong>im</strong>mter<br />

Fallgruppen. 116 Auch unter dem Grundgesetz können Zuständigkeiten neu verteilt und<br />

Aufgaben zentralisiert, auch Gerichte aufgelöst werden. 117 Es wäre daher dem NS-<br />

Reg<strong>im</strong>e sogar innerhalb der heutigen Rechtstaatlichkeit möglich gewesen, etwa<br />

folgendes anzuordnen: Strafsachen, die in Kriegszeiten eine besondere Bedeutung<br />

haben (z.B. Landesverrat, Aufruf zum Ungehorsam gegenüber Gesetzen und<br />

Hoheitsträgern, Handlungen also, die auch heute von unserem Strafgesetzbuch mit<br />

Strafe bedroht werden) werden zentral einem neu eingerichteten Senat des<br />

Reichsgerichts zugewiesen. Die Errichtung des Volksgerichtshofs 1934 war daher an<br />

sich nicht rechtsstaatswidrig. Es liegt auf der Hand, dass solche oder ähnliche<br />

Überlegungen, zu einer reichseinheitlichen Verschärfung in der Strafzumessung hätte<br />

nach sich ziehen können. Aber auch das wäre schwerlich rechtsstaatswidrig <strong>im</strong> heutigen<br />

Sinne gewesen wäre. Ein harte, aus europäischer Sicht oft unvertretbar harte<br />

Strafzumessungspraxis gilt, jedenfalls die USA betroffen ist, nicht als Hinweis auf<br />

fehlende Rechtsstaatlichkeit 118<br />

114 Art. III US – Verfassung; art. 64 frz Verfassung.<br />

115 Huber, Bd 2, 1. Kap. § 2 I ; vgl. auch den berühmten Müller-Arnold-Fall Friedrichs d. Großen<br />

116 2010/2011 wurden öffentlich und Im Bundestag diskutiert und gefordert, wie Richter etwa bei<br />

Sexualstraftätern urteilen und ggfs mit der Sicherheitsverwahrung umgehen sollten.<br />

117 vgl. den Streit um die Auflösung des OLG Zweibrücken und die missglückte Nach- und<br />

Nebelernennung eines neuen OLG –Präsidenten durch die SPD Landeregierung in Mainz. <strong>im</strong> Jahre 2011.<br />

118 vgl. Wikipedia: Three strikes Law: Im Strafrecht versteht man unter Three strikes, dass nach zwei<br />

Verurteilungen für als Verbrechen („Felony“) definierte Delikte be<strong>im</strong> dritten Mal eine lebenslange<br />

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