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Franz Schlegelberger - Staatssekretär im Reichsjustizministerium

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Verstößen) waren daher formalrechtlich gedeckt. Es zweifelt aber niemand an der<br />

materiellen Rechtswidrigkeit der meisten darauf gestützten Urteile. Aber auch<br />

freiheitliche Staaten greifen zu solchen Mitteln. Seit 2001 n<strong>im</strong>mt die zivilisierte Welt<br />

mit steigendem Unglauben und z.T. Entsetzen zur Kenntnis, dass die USA in<br />

Guantanamo des Terrorismus verdächtigte Männer ohne Urteil jahrelang unter<br />

entwürdigenden Bedingungen gefangen hält, obwohl der Oberste Gerichtshof der USA<br />

selbstverständlich auch diesen die Menschen- und Freiheitsrechte der US-Verfassung<br />

zuspricht. 7 Das Auseinanderfallen von Recht und Rechtsdurchsetzung ist daher ein<br />

Thema nicht nur in Diktaturen. Recht und Macht stehen aber auch in einem Gegensatz<br />

zueinander. Recht ohne Macht ist sinnlos, und Macht ohne Recht ist Chaos. Macht ist<br />

Teil der Freiheit eines jeden, seine Persönlichkeit zu entfalten. Recht bedeutet, diese<br />

Macht zu beschränken. Rechtsstaat ist daher kein Zustand, sondern constans et perpetua<br />

voluntas suum cuique tribuere 8 , also hartnäckiges und stetes Suchen nach dem<br />

Fließgleichgewicht zwischen beiden. Revolutionen sind dadurch definiert, dass dieses<br />

Geichgewicht nachhaltig verschoben ist, zumeist zugunsten der Macht und zu Lasten<br />

des Rechts. 9<br />

In den 1930er Jahren stand dem deutschen Volk wie den meisten Europäern und<br />

Amerikanern die von Moskau offen propagierte bolschewistische Weltrevolution<br />

(Komintern) als Bedrohung vor Augen. Man mochte Hitlers Deutschland ablehnen<br />

oder nicht, es galt <strong>im</strong> Vergleich zum Massenterror unter Lenin und Stalin allgemein als<br />

das weitaus geringere Übel. So wurde Deutschland insbesondere auch in England und<br />

Frankreich als Bollwerk gegen den Bolschewismus gesehen. Erst als das Deutsche Reich<br />

etwa ab 1936 die balance of power <strong>im</strong> britischen Sinne gefährdete, stellten sich britische<br />

und französische Gegenkräfte auf, die nun die moralisch anstößigen Seiten des NS-<br />

Reg<strong>im</strong>es thematisierten. 10 Diese waren ihnen bis dahin gleichgültig. Das britische<br />

Blaubuch v. 3. September 1939 und das entsprechende französische Gelbbuch vom<br />

September 1939, in welchen beide Mächte die Gründe für ihre Kriegserklärung an<br />

Deutschland darlegen, enthalten keinerlei Hinweise darauf, dass die Bekämpfung<br />

rechtsstaatswidriger Zustände in Deutschland auch ein Grund für die Kriegserklärung<br />

gewesen sei. Erst 1942 wurde es als eines der Kriegsziele erklärt, die für die<br />

7 Die USA hat diese Gefanenen zu „Kriegsgefangenen“ umqualifiziert. So läßt sich argumentieren, dass<br />

sie ohne Urteil baw gefangenen gehalten werden dürfen. Nach dem Völkerrecht ( Art. 20 Haager<br />

Landkriegsordnung) sind sie nach dem Friedensschluß „binnen kürzester Frist“ zu entlassen. Der „war<br />

on terror“ dauert jedoch so lange, wie die USA glaubt, dass er dauere.<br />

8 vgl. die Eingangsworte der Institutiones des Corpus Iuris.<br />

9 Auch der umgekehrte Fall kommt vor, Ausschaltung der Macht/Freiheit durch zuviel Recht: vgl. die<br />

Totaldemokratie des Kleisthenes in Athen oder die rechtliche Knebelung der wirtschaftlichen Betätigung<br />

<strong>im</strong> Kommunismus.<br />

10 Overy, Richard, The Origins oft he Secon World War, 1987: Cpapter 1: Explaining thr Second World<br />

War: It must not be forgotten that war 1939 was declared by Britain and France on Germany, and not the<br />

other way round....( und zwar nicht aus moralischen Gründen ...) It was in fact, as A.J.P. Taylor pointed<br />

our, the old-fashioned balance of power politics.<br />

7

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