Franz Schlegelberger - Staatssekretär im Reichsjustizministerium
Franz Schlegelberger - Staatssekretär im Reichsjustizministerium
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Gespräch zwischen H<strong>im</strong>mler und <strong>Schlegelberger</strong>. H<strong>im</strong>mler teilte mit, ihm sei vom<br />
Führer der Auftrag erteilt, alle Angriffe von Polen gegen deutsche Frauen und Mädchen<br />
durch Erhängen der Täter zu ahnden, und zwar <strong>im</strong> Verwaltungswege ohne<br />
Gerichtsverfahren. Dennoch, so beklagte er sich, werde ihm von der Justiz<br />
Kompetenzüberschreitung vorgeworfen. Er wünsche daher in diesem Punkte endlich<br />
einmal Klarheit zu schaffen. <strong>Schlegelberger</strong> erwiderte, die Justiz sei ausschließlich<br />
zuständig für die Ahndung strafbarer Handlungen. Insoweit habe sie ebenfalls einen<br />
bindenden Auftrag des Führers. Nach längerer Aussprache erkannte der Reichsführer SS<br />
H<strong>im</strong>mler die Zuständigkeit der Justizverwaltung an, soweit es sich um strafbare<br />
Handlungen handele. 128 H<strong>im</strong>mlers Zusage enthielt bereits eine sehr wesentliche<br />
Einschränkung. Die Polizeikräfte verzichteten auf die Ahndung strafbarer Handlungen,<br />
blieben also unbeschränkt zu polizeilichen Einsätzen befugt. Diese Befugnis war<br />
formalrechtlich zwar auf den Gesetzeszweck, z.B. Staatsschutz, beschränkt, sie wurde<br />
aber völlig willkürlich ausgelegt, ws bei den sehr weitmaschigen Polizeigesetzen nicht<br />
schwer war. Trotz H<strong>im</strong>mlers verbaler Anerkennung hielten die Exekutionen polnischer<br />
Arbeiter auch wegen gesetzlich best<strong>im</strong>mter Straftaten in der Folgezeit an. Es erwies<br />
sich, dass sich durch Hitlers grundsätzliche Entscheidung vom September/Oktober 1939<br />
die polizeiliche Exekution als Mittel der Korrektur der Rechtspflege generell<br />
durchgesetzt hatte. 129<br />
In Nürnberg wurde anerkannt, was auch sonst seine Ankläger unwidersprochen lassen,<br />
dass <strong>Schlegelberger</strong> keine rassistischen Vorurteile gegen Polen und Juden gehabt habe.<br />
Es kann ihm daher geglaubt werden, dass er den Erlass dieser Verordnung nur<br />
vorgeschlagen und ihre Schärfen in Kauf genommen habe, damit für Juden und Polen<br />
überhaupt irgendein gerichtlicher Schutz bestand. Auch hier hat <strong>Schlegelberger</strong> sich<br />
also dahin eingelassen, dass er mit der an sich zugestandenen Härte der Verordnung<br />
Schl<strong>im</strong>meres habe verhüten wollen. Die VO habe einem Richter <strong>im</strong>mer noch die<br />
Möglichkeit zu einem rechtstaatlichen Verfahren belassen, während die Alternative für<br />
den verdächtigten Polen/Juden die regellose Erschießung durch die SS gewesen wäre.<br />
Das wird man nicht ganz von der Hand weisen können. Selbst die absolut scheußlichste<br />
deutsche „Strafprozeßordnung“, der Hexenhammer – Malleus maleficarum (1486), bot<br />
am Ende doch noch irgendeinen Rechtsschutz dagegen, dass Frauen einfach wild<br />
aufgegriffen und als Hexe verbrannt wurden.<br />
Überdies ist zu fragen, ob die VO wirklich so drakonisch war. Es war Krieg. Nach<br />
damaligem Völkerrecht war es dem besetzenden Staat zur Aufrechterhaltung der<br />
Sicherheit und Ordnung in besetzten Gebieten grundsätzlich erlaubt, sogar völlig<br />
schuldlose Geiseln zu greifen und äußersten Falles zu erschießen. 130 Völkerrechtlich<br />
128 Gruchmann S. 693, der aus einem Vermerk <strong>Schlegelberger</strong>s zitiert<br />
129 Gruchmann, S. 693/4, der solche Fälle dort in FN 77 aktenmäßig auflistet.<br />
130 Das Urteil <strong>im</strong> Nürnberger sog. Geiselprozeß oder Prozeß gegen die Südostgeneräle ist einschlägig.<br />
Dort erklärte das Gericht in bezug auf die Geiseln, die der Zivilbevölkerung entnommen und als<br />
Vergeltung für Gewaltakte gegen die Besatzungsarmee hingerichtet wurden:„... Es ist nicht unsere<br />
Aufgabe, Völkerrecht zu schaffen, wir müssen es anwenden wie wir es vorfinden. Eine Prüfung des<br />
einschlägigen Beweismaterials überzeugt uns, daß Geiseln verhaftet werden können, um die friedfertige<br />
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