Franz Schlegelberger - Staatssekretär im Reichsjustizministerium
Franz Schlegelberger - Staatssekretär im Reichsjustizministerium
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Ansiedlung dieser „He<strong>im</strong> ins Reich“ Gerufenen. 136 Die Abschiebung der Juden in die<br />
Ostgebiete, man sprach auch etwas gefälliger von Umsiedlung, fiel nicht in die<br />
Zuständigkeit des <strong>Reichsjustizministerium</strong>s. <strong>Schlegelberger</strong> hat, wie sich seine Enkelin<br />
erinnert, von den Judenvernichtungen nichts gewusst. Etwas anderes wird ihm auch<br />
nicht vorgeworfen. In größerem Stil kam es zu diesen Judenmorden auch erst nach<br />
<strong>Schlegelberger</strong>s Ausscheiden aus dem Dienst.<br />
Damit stellt sich freilich die Frage, was <strong>Schlegelberger</strong> gewusst hat und was er,<br />
möglicherweise schuldhaft, nicht hat sehen hat wollen. Praktisch jeder erwachsene<br />
Deutsche wusste, dass gegen die Juden etwas <strong>im</strong> Gange war. Die massive<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung von Juden in allen Lebensbereichen war Gegenstand ständiger<br />
Berichte. Das NS-Reg<strong>im</strong>e rühmte sich regelmäßig neuer Erfolge, die bei der<br />
„Entjudun“erreicht worden waren. Die Juden waren aus öffentlichen und privaten<br />
Stellungen verschwunden, allmählich auch aus dem Straßenbild, wobei dieses wohl nur<br />
in den größeren Städten Berlin, Frankfurt, Breslau und anderen Städten mit einer<br />
nennenswerten jüdischen Bevölkerung, merkbar war. Die Frage, was mit den Juden<br />
geschah, lag in der Luft, sie wurde aber in der Öffentlichkeit kaum gestellt und vom<br />
Reg<strong>im</strong>e mit der allgemeinen Bemerkung abgetan, dass diese in den Osten umgesiedelt<br />
würden. Es ist anzunehmen, dass auch <strong>Schlegelberger</strong> sich mit diesem Wissen zufrieden<br />
gab und am Ende auch nicht mehr wissen wollte. Es war ihm definitiv bekannt, dass es<br />
Konzentrationslager gab, wie sich schon daraus ergibt, dass er unter Nutzung seines<br />
Kontaktes zu H<strong>im</strong>mler dafür sorgte, dass ein jüdischer Freund Cohn in das als<br />
Musterkonzentrationslager geltende Theresienstadt und nicht irgendwo sonst hin<br />
verschickt wurde. 137 Spätestens mit dem Stocken des deutschen Vormarsches in<br />
Russland und der ab Mitte 1942 zurückweichenden Front wurde die offizielle Lesart,<br />
dass den Juden neue Siedlungsräume <strong>im</strong> Osten, etwa in der Ukraine, zugewiesen<br />
werden sollten, <strong>im</strong>mer unglaubwürdiger, weil <strong>im</strong>mer unmöglicher zu erfüllen. Für einen<br />
weiter denkenden Menschen in einer hohen Position wie <strong>Schlegelberger</strong> entstand daher<br />
auch <strong>im</strong> Sinne des strafrechtlichen Unterlassungsdeliktes wohl eine Rechtspflicht, dem<br />
sich anbahnenden Unrecht und der vorhersehbaren Tötung der Juden entgegenzutreten.<br />
4. Was tun?<br />
a. Deportation der Juden<br />
Wie in anderen Fällen stellt sich allerdings auch hier die Frage, was <strong>Schlegelberger</strong>, oder<br />
überhaupt jemand, hätte tun können. Eine Möglichkeit wäre sicherlich gewesen, dass<br />
<strong>Schlegelberger</strong> nun für sich persönlich die Konsequenzen gezogen und sein Amt<br />
niedergelegt hätte. Das hätte ihm vermutlich die Verurteilung in Nürnberg erspart und<br />
136 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Sohn von <strong>Franz</strong> <strong>Schlegelberger</strong>, Dr. Hartwig<br />
<strong>Schlegelberger</strong>, die später in Schleswig-Holstein für die Integration der Ostflüchtlinge zuständig war<br />
einmal beiläufig schreibt: die Integration der Ostflüchtlinge fand praktisch ohne gesetzliche Grundlage<br />
statt.<br />
137 vgl. Erklärung von Dr. Alexander Cohn v. 12. Juli 1947, zitiert bei v. Alten, S. 122<br />
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