Franz Schlegelberger - Staatssekretär im Reichsjustizministerium
Franz Schlegelberger - Staatssekretär im Reichsjustizministerium
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ürokratischen Gang gehen. FS gab sich also ganz naiv. Er erklärte, da ein rechtlich<br />
geltender Erlass des Führers vorliege, könnten Bedenken gegen die Durchführung der<br />
Euthanasie nicht mehr gegeben sein. Er beauftragte daher die OLG-Präsidenten und<br />
Generalstaatsanwälte, ihren nachgeordneten Gerichten bzw. Behörden gegenüber für<br />
die Durchführung der Rundverfügung v. 22. 4. 41 Sorge zu tragen. Der OLG –<br />
Präsident Düsseldorf teilte daher dem RMJ am 1. 11.41 mit, er habe die<br />
Landgerichtspräsidenten ersucht, sämtliche Richter von der Aktion zu informieren.<br />
Gruchmann (S. 531): Die Unterrichtung der Justizbehörden trug dazu bei, dass die<br />
Euthanasieaktion <strong>im</strong>mer weiteren Kreisen der Bevölkerung bekannt wurde. Das wirkte.<br />
Am 24. August 1941 gab Hitler die mündliche Weisung, die Aktion zu stoppen. Wenn<br />
<strong>Schlegelberger</strong> das beabsichtigt hatte, dann war seine Absicht erreicht.<br />
Was hätte FS tun müssen, um das Euthanasieprogramm reg<strong>im</strong>egetreu durchzuführen?<br />
Die Ankläger von FS sollten sich dazu die Verfahrensabläufe vor Augen halten. Es<br />
hätte sich folgender Weg geradezu aufgedrängt. Erstens: Durch Erlass des RMJ werden<br />
sämtliche Unterbringungsfragen auf eine neu zu schaffende Stelle <strong>im</strong> Ressort des<br />
Reichsjustizministers konzentriert. Zuständigkeiten anderer Behörden werden<br />
aufgehoben. Begründung: Die Kriegszeit erfordere eine effiziente<br />
Ressourcenzuteilung. Zweitens: Diese Stelle hätte dann in aller Stille das Programm<br />
durchziehen können. Als der Münsteraner Kardinal Graf Galen, nach welchem heute<br />
überall Straßen benannt sind, am 3. August 1941 gegen die Euthanasieaktion predigte,<br />
hatte FS das Programm bereits still beendet.<br />
4. Kritik<br />
In der hier gegebenen Interpretation hat <strong>Schlegelberger</strong> durch geschickte Herstellung<br />
von Öffentlichkeit das sich anbahnende Unrecht verhindert. Anzumerken ist allerdings,<br />
dass <strong>Schlegelberger</strong>, soweit bekannt, sich auf diese Entschuldigung niemals berufen hat.<br />
Das kann – wie <strong>im</strong> Luftglassfall - dafür sprechen, dass diese Erklärung nicht st<strong>im</strong>mt,<br />
dass also der Schuldvorwurf gegen FS nicht beseitigt ist. Auch hier lassen sich aber<br />
Gegenüberlegungen anstellen. Zunächst die, dass diese Aktion tatsäschlich still<br />
abgebrochen wurde. Auch gilt Qui s`excuse, s`accuse! Wer sich verteidigt, klagt sich<br />
an. List besteht gerade darin, dass das in Wahrheit Gemeinte nicht erkannt werden soll.<br />
Es konnten wiederum taktische Gründe bei FS sein, diese Angelegneheit <strong>im</strong> Porzess<br />
nicht hochzuspielen. Auf der Suche nach Helden des antifaschistischen Widerstandes<br />
war in der Nachkriegszeit längst Kardinal Graf Galen aus Münster als derjenige<br />
herausgearbeitet worden, dessen mutiger Predigt allein der Abbruch der<br />
Euthanasieaktion zu verdanken gewesen sei. Wenn FS dem Gericht Erwägungen wie<br />
hier angestellt vortragen hätte, hätte er damit praktisch gesagt, wozu der Verfasser<br />
allerdings neigt: Nicht Graf Galen, sondern ich, der Staatsekretär Im RMJ des NS-<br />
Reg<strong>im</strong>es, habe die Euthanasieaktion zu Fall gebracht! Man stelle sich vor, wie das in<br />
der Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen worden wäre. Recht<br />
oder nicht – eine solche Verteidigung wäre offenbar sehr gefährlich gewesen.<br />
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