Tätigkeitsbericht 2002/2003 - IGPP
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Cultural Studies and Social Research 43<br />
Modus zu kommunizieren. Eine weiterführende Hypothese<br />
dazu könnte lauten: Die Exkludierung solcher<br />
Erfahrungen aus der alltäglichen Lebenswelt verfolgt<br />
ein soziales Kontrollinteresse. Diesem geht es<br />
um die wissenschaftliche Zurichtung des lebensweltlichen<br />
Denkens und die Eliminierung sozial<br />
und/oder politisch unerwünschter kollektiver Wissensbestände.<br />
Ideelle Basis ist die Unterscheidung<br />
des wissenschaftlich-rationalen von einem magischirrationalen<br />
Wissen. Durch die soziale Stigmatisierung<br />
(Stichwort: Aberglaube) des Letzteren wird die<br />
Hegemonie des wissenschaftlichen über das lebensweltliche<br />
Denken historisch zunächst her- und dann<br />
sichergestellt. (Dieser vorläufigen These ist im Rahmen<br />
der weiteren Untersuchungen nachzugehen.)<br />
Schetsche<br />
Publikationen: Schetsche (<strong>2003</strong>a);<br />
Schetsche, Schmied-Knittel (<strong>2003</strong>)<br />
The exclusion of such experiences from everyday life<br />
is procured in the interest of social control, whereby<br />
the intend is the scientific curbing of this type of everday<br />
knowledge, and to eliminate socially or politically<br />
undesirable collective knowledge. The ideal basis is<br />
the distinction between scientific-rational and magicirrational<br />
knowledge. As a result of the societal stigmatization<br />
of magic-irrational knowledge (keyword: superstition)<br />
the dominance of scientific-thinking over<br />
the everyday has been constituted and guaranteed.<br />
(This provisional hypothesis will be checked in the context<br />
of further investigations).<br />
Schetsche<br />
Publications: Schetsche (<strong>2003</strong>a);<br />
Schetsche, Schmied-Knittel (<strong>2003</strong>)<br />
Projekt W3: Gesellschaftliche Diskurse zu okkulten<br />
Gefahren – das Beispiel “satanisch-ritueller Missbrauch”<br />
Seit Anfang der achtziger Jahre wurde – zunächst in<br />
den USA und Kanada – im Zusammenhang mit sexueller<br />
Gewalt gegen Kinder immer wieder auch über<br />
die Misshandlung und Ermordung von Kindern in satanistischen<br />
Gruppen und Kulten berichtet. Die fachlichen<br />
und öffentlichen Debatten über den so genannten<br />
satanisch-rituellen Missbrauch (SRA – satanic ritual<br />
abuse) erreichten kurze Zeit später die Bundesrepublik<br />
und leiteten in einigen spektakulären Fällen<br />
auch die strafrechtliche Praxis an. Sowohl unter Fachleuten<br />
als auch innerhalb der breiten Öffentlichkeit ist<br />
das Ausmaß dieses Problems jedoch bis heute umstritten.<br />
Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen,<br />
dass die meisten der Erfahrungsberichte und Zeugenaussagen<br />
von Personen stammen, die sich erst nach<br />
Jahren – oftmals im Rahmen einer Psychotherapie – an<br />
die furchtbaren Erlebnisse ihrer Kindheit “wiedererinnert”<br />
haben.<br />
Obwohl die meisten Aussagen nicht gerichtsfest<br />
nachprüfbar sind, haben sie auch in Deutschland<br />
zu einer Beunruhigung der Öffentlichkeit und zu<br />
Forderungen nach speziellen staatlichen Maßnahmen<br />
gegen kultischen bzw. rituellen Missbrauch<br />
geführt. Dazu beigetragen haben sowohl die Ungeheuerlichkeit<br />
der jeweils geschilderten Missbrauchs-,<br />
Indoktrinierungs- und Gewalterlebnisse als auch ihr<br />
angenommener weltanschaulich-organisatorischer Hintergrund:<br />
die Existenz einer (neuen) okkulten Gefahr<br />
in Form nationaler und internationaler satanischer<br />
Netzwerke.<br />
Aufgabe des Forschungsprojekts ist es, die Entstehung<br />
und Verbreitung dieser Gefahrenwahrnehmung<br />
in Deutschland im Rahmen einer Diskursanalyse umfassend<br />
zu rekonstruieren. Dabei soll es nicht nur um<br />
die ideellen Bestandteile des Gefahrendiskurses (seine<br />
Project W3: Social Discourses on Occult Dangers<br />
– the Example ‘Satanic-Ritual Abuse’<br />
Since the beginning of the eighties, in the context of<br />
violence against children reports have been published<br />
– at first in the United States and Canada – about<br />
abuse and homicide of children in satanic groups and<br />
cults. The public and experts’ discussions about the<br />
so-called satanic ritual abuse (SRA) reached Germany<br />
shortly afterwards and led the way in some spectacular<br />
cases with regard to the legal penalty system.<br />
However, the extent of this problem is controversial<br />
among both the experts and the public. This is not<br />
related to the fact that most of the field reports and<br />
testimonies come from people who have brought these<br />
dreadful experiences back to mind after years – often<br />
in the context of psychotherapy.<br />
Although most statements are not judicially verifiable,<br />
they have led to anxiety in the German public and<br />
to a call for special state-run measures against ritual<br />
abuse in cults, both because of the inhumanity of<br />
the reported experiences, the indoctrination and the<br />
violence, and because of their supposed ideological and<br />
organizational background – the existence of a new<br />
occult danger in terms of national and international<br />
satanic networks.<br />
The aim of this research project is to extensively reconstruct<br />
the emergence and spreading of this anxiety in<br />
Germany by means of discourse-analysis. Hereby not<br />
only the ideational parts of the discourse (its background<br />
presumptions, ideological premises and lines