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SPURENSUCHE<br />
HISTORY<br />
Major Minor (Label)<br />
Mal größer,<br />
mal kleiner<br />
Seit fast 30 <strong>Jahre</strong>n freuen sich Sammler, über CD-Reissues ihren Kollektionen<br />
rare Originalveröffentlichungen einverleiben zu können.<br />
Und reine Musikfans hören endlich Songs (oft als Bonus-Tracks von<br />
seltenen Singles), die sie als Vinylausgaben vergeblich suchten. Ein<br />
UK-Label hinkt hinterher: Major Minor Records. Mit Ausnahme der Arbeiten<br />
eines irischen Singer/Songwriters blieb bis heute viel Interessantes<br />
in den Archiven. Ein Blick in die Regale.<br />
Von Bernd Ma<strong>the</strong>ja<br />
Der Grund fürs Fehlen etlicher<br />
Perlen: Major Minor hatte zwar<br />
auch eigene Künstler, war aber<br />
stark als Vertriebslabel unterwegs; das<br />
heißt: Viele Rechte liegen noch immer<br />
bei anderen Firmen. Am 23.11.1966<br />
schickte der Nordire Phil(ip) Solomon<br />
die neue Marke von London aus ins<br />
Rennen. Sein älterer Bruder Mervyn<br />
hatte in Belfast bereits Emerald Records<br />
aufgebaut. Ihr Vater Maurice<br />
war in den Vierzigern der Gründer des<br />
allgemeinen Vertriebsimperiums Solomon<br />
& Peres mit Sitz in Dublin.<br />
Phil Solomon (*27.4.1924, Belfast),<br />
wegen seines aggressiven<br />
Geschäftsgebarens nicht<br />
unumstritten, war außerdem<br />
Teilhaber am Piratensender<br />
Radio Caroline;<br />
ihn nutzte er intensiv als<br />
willkommenes Vermarktungvehikel<br />
eigener Produkte,<br />
bis DJs wie der<br />
landesweit populäre Emperor<br />
Rosco die Nase voll<br />
hatten und gingen.<br />
Philip Solomon,<br />
Gründer des Labels<br />
Drei stilistisch unterschiedliche (nord-)<br />
irische Acts prägten die Anfangszeit<br />
von Major Minor Records: die Folkies<br />
The Dubliners, Van Morrisons<br />
Them und der Singer/Songwriter Da-<br />
vid McWilliams. Sie landeten Hits<br />
wie<br />
"Seven<br />
Drunken<br />
Nights" und<br />
Reper<strong>to</strong>ire-<br />
Klassiker<br />
à<br />
la<br />
"Friday's<br />
Child"<br />
und<br />
"Days<br />
Of<br />
Pearly Spencer".<br />
Damit entstand ein<br />
solides Fundament, auf<br />
dem vier <strong>Jahre</strong> lang clevere<br />
Übernahmen Halt<br />
fanden. Phil Solomon<br />
kaufte zusätzlich weltweit eit<br />
(Vertriebs-)Rechte an Songs<br />
etablierter Künstler zusammen:<br />
Crazy Elephant, Tommy<br />
James & The Shondells,<br />
Isley Bro<strong>the</strong>rs, Johnny Nash,<br />
Lloyd Price (USA), Milva<br />
(Italien), Golden Earring,<br />
Tee-Set (Holland), Jeronimo<br />
(Deutschland), Pop Tops (Spanien),<br />
Charles Aznavour (Frankreich)<br />
– kaum<br />
aufregend.<br />
Im MM-Programm<br />
mit<br />
Schwerpunkt<br />
auf Singles lagern<br />
jedoch auch<br />
etliche Perlen. So<br />
verbirgt sich<br />
hinter Peter<br />
Lincoln<br />
("My Monkey<br />
Is A Junkie", MM 520) Peter<br />
„Where Do You Go To"<br />
Sarstedt mit einem 67er-<br />
Erstling. Für Furore sorgten im<br />
selben Monat die Italo-Stars Equipe<br />
84 mit ihrer Single "Auschwitz"/"Bang<br />
Bang" (MM 517). Von Taste erschien<br />
– ohne Wissen der Band – 1968 als<br />
MM 560 "Blister On The Moon"/"Born<br />
On The Wrong Side Of Time" (alternative<br />
Frühfassungen samt Fehler im gedruckten<br />
Titel und beim Komponisten<br />
Roy Gallaher; Neustart: MM 718). Eine<br />
Schottin war um 1964 in Deutschland<br />
als Isabella Bond bekannt – von<br />
Isabel<br />
Bond<br />
gab es bei<br />
Major Minor<br />
1968/69 die<br />
Singles "Cry"<br />
(MM 566) und<br />
"Don't<br />
Forget<br />
About Me" (MM<br />
627) und sogar<br />
eine LP, THE HEART<br />
AND SOUL OF ... (MLP 28).<br />
Sehr gesucht sind längst<br />
zwei 45er ("My Clown"/<br />
MM 568 und "The Way"/<br />
MM 580) und vor allem die<br />
gleichnamige<br />
Original-LP<br />
(MLP 29) der<br />
UK-Psychedelic-Band<br />
July.<br />
Auch<br />
der Berliner<br />
Michael Vol-<br />
ker Kogel ist vertreten:<br />
Der<br />
Los-Bravos-Sänger ist als<br />
Mike Kennedy mit den<br />
1969er Singles "I'll Never<br />
Forget" und "Johnny Rebel"<br />
(MM 614/629)<br />
im Angebot. Und<br />
wer "Cecilia" von<br />
The New Wave Band<br />
(MM 694; 1970) findet,<br />
hört die Herren Godley,<br />
Creme, Stewart (10cc)<br />
mit dem ehemaligen<br />
Herman's-Hermits-Gitarristen<br />
Derek Leckenby.<br />
Bis heute nicht (mehr leicht) auf CD<br />
zu finden sind <strong>60s</strong>-Gruppen wie The<br />
Choir, The Gibsons, The Sands, Wild<br />
Angels, The Deep Set,<br />
Second City Sound<br />
und andere – sie standen<br />
bzw. stehen alle im<br />
Major-Minor-Katalog,<br />
genau wie die Nashville<br />
Teens-Single<br />
"The Lament Of The<br />
Cherokee<br />
Reservation<br />
Indian" (MM 599). Mit LPs hielt sich<br />
das Label eher zurück: Außer den<br />
schon genannten ragen lediglich der<br />
Psycho-Kracher ORGASM (von Head<br />
Machine, MLP 79), DHARMA BLUES<br />
(Dharma Blues Band, MCP 5017) und<br />
ACCORDING TO ST. JOHN (MLP 43)<br />
heraus – von der ewig<br />
unterbewerteten schottischen<br />
Soul-Pop-Sängerin<br />
Barry St. John<br />
(Elizabeth<br />
Thompson),<br />
deren<br />
Gesamtauss<strong>to</strong>ß<br />
auf Decca, Columbia,<br />
Major Minor und<br />
Bradleys noch nie offiziell<br />
auf CD transferiert<br />
wurde.<br />
Das Label ging 1970 den Bach runter,<br />
im September war Schluss. Umso<br />
größer die Überraschung, als<br />
am 27.9.2010 urplötzlich<br />
die Morrissey-<br />
Single "Everyday Is Like<br />
Sunday" (MMX 721)<br />
erschien – mit exaktem<br />
Nummernanschluss an<br />
die MM 720 von 1970<br />
(Roger Webb, "Love Theme<br />
From 'Sunflower'") und mit<br />
identischer Labeloptik. Es blieb bis<br />
jetzt eine Einzelunternehmung. Major-Minor-Gründer<br />
Phil Solomon ist<br />
am 23.4.2011 vers<strong>to</strong>rben.<br />
Seite 128 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>