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Von Bernd Ma<strong>the</strong>ja<br />
"<br />
Die wohl wichtigste Compilation der Geschichte",<br />
vertreten in den "<br />
200 besten Alben aller Zeiten" als<br />
"<br />
unverzichtbares Dokument der Rock-His<strong>to</strong>rie": Die<br />
Bewertungstendenz für NUGGETS war stets eindeutig.<br />
Als die amerikanische Songsammlung 1972 auf<br />
dem Elektra-Label erschien, konnte keiner der Initi-ia<strong>to</strong>ren<br />
eine so immense Nachhaltigkeit der Zusammenstellung<br />
mit 27 Titeln von 27 Bands erwarten.<br />
Der Weg<br />
Lenny Kaye war damals 26. Der gebürtige New<br />
Yorker hatte in New Jersey das College besucht,<br />
spielte als Gitarrist in den Mittsechzigern unter<br />
anderem mit The Vandals und The Zoo bluesigen<br />
Folk-Rock und scheppernden R&B. Kaye schrieb<br />
außerdem als freier Mitarbeiter für Magazine wie<br />
„Crawdaddy", den „Rolling S<strong>to</strong>ne"<br />
und „Disc". 1971 ging er musikalisch<br />
für die Folgejahre auf<br />
Kurs: Erstmals begleitete er eine<br />
Frau, die 1975 ihren Durchbruch<br />
feierte – Patti Smith.<br />
Weg vom Aufgeblähten, zurück<br />
zur Bodenhaftung – so lautete<br />
damals das Credo von Smiths<br />
Zeitgenossen wie den Modern<br />
Lovers und S<strong>to</strong>oges. Und sie erinnerten<br />
sich dabei an eine Zeit, die<br />
gerade mal ein halbes Jahrzehnt<br />
auf dem Buckel hatte und auf die<br />
Flaute reagierte, die zu Beginn der Sixties ies die USA<br />
beschäftigte: Die Hoch-Zeit des Rock'n'Roll war<br />
passé, Surf nach erheblichem Wellengang wieder<br />
abgesoffen, der Twist und weitere 1000 Dances<br />
mit verrenkten Hüften zur Ruhe gekommen. Ruhe,<br />
Ideendiät. Und plötzlich gab es aus Richtung Alter<br />
Welt massiv was auf die Ohren: Beat & Co.<br />
fegten über den Kontinent. Die „British Invasion"<br />
von den Applejacks bis Zephyrs hatte den auch<br />
musikalisch selbst ernannten Weltenwächter quasi<br />
über Nacht handstreichartig überrollt. Superverkäufe,<br />
Chartbelagerung, Livespektakel<br />
überall von Seattle<br />
bis Miami, zwischen San<br />
Francisco und Bos<strong>to</strong>n – dennoch<br />
dumm gelaufen: keine<br />
Eigengewächse, Rambazamba<br />
von Zugereisten.<br />
Im Land der plötzlich stark<br />
begrenzten Möglichkeiten<br />
musste was passieren. Und<br />
Jimmy, Jack und Johnny<br />
nahmen die Sache – besser: Instrumente te – selbst<br />
in die Hand. Halbstarke schoben Vatis Chevy aus<br />
der Garage, Billigver-<br />
igve<br />
stärker wurden aufgebaut<br />
und Krachmacher eingestöpselt.<br />
Und Putz gab<br />
es auch, weil die geschmuggel-<br />
te<br />
Butter ter aus der Frisur gewrungen wurde: Wo<br />
eben noch der per Axt gezogene Seitenscheitel<br />
dominierte, prägten jetzt<br />
cooler Mop-Kopp und<br />
erste Langzotteln die Erscheinung<br />
oberhalb des<br />
Halses. Was äußerlich<br />
an die vier Liverpooler<br />
erinnerte, hatte zugleich<br />
ein inneres Pendant aus<br />
London – nicht weni-<br />
ge<br />
Sänger eiferten<br />
en<br />
schnarrend dem UK-<br />
Typ mit den Wulstlippen<br />
nach.<br />
Die etablierten Plattenkonzerne<br />
taten<br />
sich – wen wundert's<br />
– zumindest anfangs<br />
schwer: Solche Rowdies nach den geölten Schwiegermutter-Schnullis<br />
der Fünfziger? Niemals!<br />
Capi<strong>to</strong>l zum Beispiel gab in einem Anfall wirtschaftlicher<br />
Schlich<strong>the</strong>it desinteressiert sämtliche<br />
Beatles-Rechte weiter, an Welt-Labels wie Swan,<br />
Tollie und Vee-Jay. Wohnzimmerfirmen schossen<br />
landesweit aus dem Boden, die sackweise nach<br />
nur einer Handvoll Veröffentlichungen scheiterten;<br />
andere kämpften sich durch, immer<br />
öfter landeten sie Achtungserfolge,<br />
ihre Produkte wurden von den klug gewordenen<br />
„Großen" übernommen oder<br />
in deren Vertriebe eingegliedert.<br />
Der Garagen-Rock der Baureihe „1964<br />
plus" war geboren, später auch als<br />
„Frühpunk" schubladisiert. Nordamerikaner<br />
kopierten das, was da aus Europa<br />
angelandet war; sie würzten es in Teilen<br />
noch<br />
eine<br />
Spur<br />
schärfer, reicherten<br />
Abgekupfertes mit<br />
eigenen guten Ideen<br />
an, schufen damit – in<br />
einem Meer von Untergegangenem<br />
– auch<br />
kleine Meilensteine.<br />
Und massig Müll gab<br />
es dabei ebenso, kein<br />
Deut anders als in Britannien.<br />
Seite 98 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>