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GoodTimes - Music from the 60s to the 80s 40 Jahre Musikladen (Vorschau)

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Anyone's Daughter<br />

Von Michael Fuchs-Gamböck<br />

© Pressefo<strong>to</strong><br />

Schwaben-Romantik<br />

Auch im Deutschland der frühen 1980er<br />

<strong>Jahre</strong>, trotz erdrückender Konkurrenz<br />

von Punk oder Metal in all seinen Spielarten,<br />

gab es noch romantischen Rock<br />

– nicht selten sogar hart am Rand zum Kitsch. Aus<br />

Schwaben kam damals Futter für die Träumer der Nation.<br />

Alt-Romantik-Rocker wie Novalis und Hoelderlin<br />

waren zu Beginn des Jahrzehnts dabei, die Segel<br />

zu streichen, weil sie ihre besten Zeiten hinter sich<br />

hatten. Doch diese musikalische Nische wurde von<br />

einem Quartett aus Stuttgart ausgefüllt, wenn auch<br />

zunächst mit englischen Texten: Anyone's Daughter.<br />

Der Vierer um Gitarrist Uwe Karpa und Keyboarder<br />

Matthias Ulmer hatte zwar schon 1972 erste zaghafte<br />

Schritte in die Öffentlichkeit gewagt, „doch<br />

erst 1979", so Ulmer rückblickend, „wagten wir den<br />

Sprung von der Schülerband zur Profitruppe”.<br />

Gleich das Debütalbum ADONIS, Ende 1979 erschienen,<br />

belohnte diesen Mut: rund 25.000<br />

verkaufte Exemplare. Ulmer: „Das war beachtlich für<br />

Newcomer, deren Musik kaum im<br />

Radio gespielt wurde." ADONIS<br />

umfasst lediglich vier Titel, "Herzkammer"<br />

ist das bis heute in Prog-<br />

Kreisen hochgehandelte Titelstück<br />

mit satten 24 Minuten Spielzeit.<br />

„Man hat uns mit diesem Lied gerne in die Genesis-,<br />

Yes- und Pink-Floyd-Ecke gestellt”, erinnert sich der<br />

Keyboarder. „Dieser Umstand hat uns geschmeichelt,<br />

denn das waren unsere ganz großen Idole. Kopiert<br />

haben wir ihren Sound allerdings nie.”<br />

Um das Debüt unters Volk zu bringen, „haben<br />

wir im Anschluss an die Veröffentlichung pausenlos<br />

ge<strong>to</strong>urt. Kein Jugendclub, kein Schuppen war<br />

vor uns sicher”, bekennt Ulmer lachend. "Adonis”<br />

wurde immer wieder mit Spannung vom Publikum<br />

erwartet und meist euphorisch gefeiert. Ulmer: „Von<br />

diesem Zeitpunkt an war klar, dass die Fans von uns<br />

in erster Linie kleine Epen erwarteten, auch wenn<br />

wir selbst darauf gar nicht so wild waren, weil die<br />

ziemlich schwierig zu komponieren sind. Aber wegen<br />

unserer Anhänger haben wir auf diese Erwartungshaltung<br />

immer mal wieder Rücksicht genommen.”<br />

Bereits ein Jahr nach ADONIS kam der titellose<br />

Nachfolger auf den Markt: musikalisch ähnlich<br />

gestrickt, ein wenig forscher und härter in der musikalischen<br />

Gangart, außerdem gab's<br />

keinen Song mit mehr als zehn<br />

Minuten Spielzeit. 1981 erschien<br />

Anyone’s Daughters Meis terwerk,<br />

das die Band endgültig zu einer<br />

der wichtigsten einheimischen<br />

Progressive- und Romantik- Rockformationen machte:<br />

PIKTORS VERWANDLUNGEN. Es handelte sich dabei<br />

um die eigenwillige Ver<strong>to</strong>nung eines 1925 veröffentlichten<br />

Märchens von Hermann<br />

Hesse. Im Prinzip<br />

besteht die LP lediglich<br />

aus einem einzigen, in 13<br />

verschiedene Abschnitte<br />

unterteilten Stück. Das Album<br />

wurde am 18.1.1981<br />

während eines Konzerts in<br />

Heidenheim mitgeschnit-<br />

ten. Zum Zeitpunkt dieser<br />

Aufnahme<br />

existierte<br />

"Pik<strong>to</strong>r”<br />

als<br />

Komposition bereits seit<br />

vier <strong>Jahre</strong>n und war Herzstück<br />

jedes Auftritts von<br />

Anyone’s Daughter. „Trotz<br />

der recht melan cholischen<br />

literarischen Vorlage von<br />

Hesses Text sind wir nie Gefahr fh gelaufen, mit unserer<br />

Instrumentierung in pa<strong>the</strong>tischem Kitsch zu ersaufen”,<br />

erinnert sich Matthias Ulmer. „Tatsächlich haben<br />

wir uns der Atmosphäre der Erzählung angepasst<br />

und versucht, die darin enthaltenen transzendenten<br />

Stimmungen in Töne umzusetzen.”<br />

Auf PIKTORS VERWANDLUNGEN NGEN folgte 1982<br />

IN BLAU – ein weiteres vom<br />

Prog gefärbtes Album, ebenfalls<br />

mit deutschen Texten: Sie waren<br />

weniger märchenhaft als der Vorgänger,<br />

dafür voller gelungener,<br />

kitschfreier Beobachtungen des<br />

Spät-Hippies aus dem Ländle:<br />

Anyone's Daughter 1982 (Matthias Ulmer vorn)<br />

modernen Lebens. „Das ist ein schönes Album”, meint<br />

Ulmer, „jenseits von irgendwelchen Trends und Moden,<br />

einfach nur darauf aus, dem Hörer angenehm in<br />

Erinnerung zu bleiben.” Genauso war es, was man vom<br />

letzten Anyone’s-Daughter-Produkt NEUE STERNE<br />

(1983) nicht behaupten kann.<br />

Diese Scheibe versuchte textlich<br />

und musikalisch, sich der damals<br />

angesagten Neue Deutsche Welle<br />

anzubiedern – ein Versuch, der<br />

wegen<br />

der Vorgeschichte ht der Band<br />

kläglich scheiterte. Ein Jahr<br />

später erschien LIVE, ein<br />

<strong>to</strong>lles<br />

Konzertdokument.<br />

Das war es mit der ersten<br />

Phase dieser schwäbischen<br />

Progressive Rockband, die<br />

bei aller gelegentlichen<br />

Unbeholfenheit bis heute<br />

unvergessen ist.<br />

Die Urbesetzung von<br />

Anyone's Daughter<br />

löste sich Mitte der Achtziger<br />

auf, 2000 wurde die<br />

Formation als Quintett<br />

erneut ins Leben gerufen<br />

und ist weiterhin aktiv.<br />

Der aktuelle Sänger ist ein<br />

© Pressefo<strong>to</strong><br />

schwarzer US-Amerikaner,<br />

„wenn er Songs von ADO-<br />

NIS anstimmt, wackelt live<br />

die Bude”, grinst Ulmer. „Dies bedeutet, dass diese<br />

Lieder weder etwas von ihrer einstigen Magie verloren<br />

haben, noch dass sie ausschließlich in Deutschland<br />

funktionieren.”<br />

Das kleine Tempus-Fugit-Label hat im Lauf der<br />

<strong>Jahre</strong> sämtliche fünf Studio- sowie das Live-<br />

Album der ersten Anyone’s-Daughter-Phase digital<br />

sauber remastert wiederveröffentlicht – jeweils ergänzt<br />

um bislang nicht auf CD erhältliche Live- und<br />

Studio-Aufnahmen. Ende dieses <strong>Jahre</strong>s soll das letzte<br />

dieser Werke in den Läden stehen. Für sensible Menschen<br />

mit Hang zu frickelig-feinen Melodien lohnt<br />

sich eine Wiederentdeckung unbedingt.<br />

Seite 86 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>

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