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CD<br />
REVIEWS<br />
TAJ MAHAL<br />
THE HIDDEN TREASURES OF<br />
TAJ MAHAL 1969–1973<br />
Ein<br />
Doppeldecker<br />
des Klasse-Bluesers<br />
Taj Mahal mit bislang<br />
unveröffentlichtem<br />
Material seiner<br />
sauguten (halb)<br />
frühen <strong>Jahre</strong>, die<br />
nach hAnsicht vieler Fans zu seinen besten<br />
gehören. CD 1 bringt Studio-Aufnahmen<br />
mit verschiedenen Begleitbands, die aus<br />
vier Sessions stammen und bis auf wenige<br />
„Aufwärm-Instrumentals” nur gigantisch<br />
Gutes bieten. Auffällig ist dabei, dass die<br />
längsten Tracks auch die eindringlichsten<br />
sind, weil Taj Mahal hier seiner Improvisationsfreude<br />
freien Lauf lassen kann, ohne sich<br />
in Wiederholungen oder Gedaddel zu verlieren.<br />
So avancieren Songs wie Bob Dylans “I<br />
Pity The Poor Immigrant” (8:09), die Eigenkompositionen<br />
“Ain’t Gwine Whistle Dixie”<br />
(7:22) und “You Ain’t No Streetwalker,<br />
Honey But I Do Love The Way” (16:05!)<br />
sowie die Standards “Good Morning Little<br />
Schoolgirl” und “Shady Grove” zu Trüffeln<br />
im ohnehin hochwertigen Taj-Mahal-Katalog.<br />
Der Meister singt durchweg inspiriert<br />
und nuanciert, und die famose Begleiterschar<br />
vom Gitarristen Jesse Ed Davis über<br />
die Dixie Flyers bis hin zum Bläserquartett<br />
Howard Johnson, Bob Stewart, Joseph Daly<br />
und Earl McIntyre – alle spielen Tuba und<br />
dazu entweder Trompete oder Posaune –<br />
heizt gewaltig ein. CD 2 enthält ein schönes<br />
Konzert aus der Royal Albert Hall (1970),<br />
das eine Bluesreise vom archaisch Akustischen<br />
zum gepfeffert Elektrischen bietet.<br />
Unfassbar, welcher Superqualitätss<strong>to</strong>ff hier<br />
geborgen wurde. Es wäre absolut unverantwortlich<br />
gewesen, diese Schätze Taj Mahals<br />
noch länger vorzuenthalten!<br />
(Legacy/Sony <strong>Music</strong>, 2012, 12/77:28,<br />
10/53:48) hjg<br />
ANDRE WILLIAMS<br />
LIFE<br />
Etwa der Andre Williams, der in den Fifties<br />
seinen Song “Bacon Fat” zum Hit machte,<br />
in Detroit intensiv mit Ike Turner kooperierte<br />
– ihn und Tina mit der Meganummer<br />
“Shake A Tail Fea<strong>the</strong>r” ausrüstete? He <strong>the</strong><br />
man – „Mr. Rhythm”, und der alte Hit wird<br />
neu verkostet! Mit 76 hat das zwischenzeitliche<br />
Drogenwrack und Punk-Blues-<br />
Fak<strong>to</strong>tum ein R&B-Album erster Güte gezaubert.<br />
Auf “Stuck In The Middle” gibt er<br />
den afro-amerikanischen J.J. Cale, für die<br />
wunderbaren Bassläufe sorgt Jim Diamond.<br />
“But’n” belebt das Riff aus “Night Of The<br />
Long Grass” von den Troggs, und der Frauenfuß-Fetisch-Party<br />
“Heels” merkt man an,<br />
dass Williams in New Orleans kürzlich mit<br />
den Morning <strong>40</strong> Federation zusammenkam:<br />
so heiße wie abgehangene Voodoo-Grooves<br />
etwa in der Kragenweite von “Just Wanna<br />
See His Face” auf EXILE ON MAIN ST.<br />
Mit “Blame It On Obama” kommen bissigironische<br />
Ansichten, “Money Ain’t Got No<br />
Loyalty” würzt Philosophie mit abenteuerlichstem<br />
Reggae, und mit “Ty The Fly”<br />
folgt mit Uralt-Drummachine leichte Kinderkost.<br />
Alles wie so oft bei ihm Made in<br />
Detroit, dreckig und ehrlich.<br />
(Natural Sound/ Alive, 2012,<br />
10/53:47) utw<br />
GWYN ASHTON<br />
RADIOGRAM<br />
Der 51-jährige Gitarrist und Sänger, der<br />
durch die Tour mit seiner Two-Man Blues<br />
Army im Vorprogramm von Magnum auch<br />
in Deutschland einem größeren Publikum<br />
bekannt wurde, spielte früher in der<br />
Rory Gallagher-Tribut Band Of Friends,<br />
was auch seine Stilistik zwischen Blues<br />
und Rock erklärt. Sein neues Album frönt<br />
einem 70er-<strong>Jahre</strong> Vintage-Sound, der zwischen<br />
rockig-straighten Grooves, gerne<br />
mal auch mit etwas Funk angereichert,<br />
bluesigen Slides und melodischen Hooks<br />
pendelt. Die zehn Songs stammen alle, außer<br />
Willie Dixons Klassiker “I Just Wanna<br />
Make Love”, aus der Feder von Ash<strong>to</strong>n, der<br />
einen ehrlich-unverkünstelten Stil pflegt.<br />
Eine grundsolide Scheibe, der allerdings<br />
die unverwechselbaren Highlights fehlen.<br />
(Fab<strong>to</strong>ne Records/Proper/Rough Trade,<br />
2012, 10/50:48) rg<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
KING NORTHERN SOUL<br />
VOLUME 3<br />
Auch für diesen Sammeleimer<br />
gilt, was<br />
an dieser Stelle über<br />
Soul-Sampler schon<br />
oft gesagt wurde: Wenige<br />
berühmte oder<br />
halbwegs<br />
bekannte<br />
Namen – hier Hank Ballard, Marv Johnson,<br />
Otis Williams, Little Willie John ... –, viele<br />
knapp bis unbekannte Acts. Große, überzeugende<br />
Stimmen. Songs im oberen Qualitätsdrittel.<br />
Professionelle, ideenreiche Produktion<br />
im Idealfall, oder wenigstens grundsolide<br />
Fließbandware. Ohrwürmer soweit das Ohr<br />
reicht. Es macht einfach Spaß, derartige<br />
Sampler am Stück zu hören – Überdruss<br />
und Langeweile bleiben außen vor. Weshalb<br />
natürlich auch die ersten beiden Folgen der<br />
kleinen Serie lobend erwähnt sein sollen.<br />
So, und nun noch kurz zu den Siegertracks:<br />
Die Plätze eins bis fünf belegen Mill Evans<br />
mit “Right Now Well”, Freddie Williams<br />
mit “Name In Lights”, Oscar Toney Jr. mit<br />
“Keep On Loving Me”, Hank Ballard mit<br />
“I’m Just A Fool (And Everybody Knows)”<br />
und Charles Spurling mit “That’s My Zone<br />
(He’s Pickin’ On)”. Diese Wertung ist natürlich<br />
völlig subjektiv. Wenn vier Hörer(innen)<br />
die Disc gemeinsam hören, gibt es bei der<br />
Sieger(innen)-Suche garantiert Diskussionen,<br />
bis der Arzt kommt ...<br />
(Kent/Soulfood, 2012, 24/58:29) hjg<br />
Blues – R&B – Soul – Funk – Reggae<br />
RAY CHARLES<br />
PURE GENIUS – THE COMPLE-<br />
TE ATLANTIC RECORDINGS<br />
(1952–1959)<br />
2004 verstarb mit Ray Charles ein Musiker,<br />
der völlig zu Recht als ein Gründungsvater<br />
der Soulmusik gilt. In den 50er <strong>Jahre</strong>n verband<br />
er R&B mit Gospel, Blues und Jazz,<br />
ließ sich aber auch von neuen Strömungen<br />
wie Pop und Rock’n’Roll beeinflussen, wurde<br />
mit diesem neugeschaffenen Stil sowohl<br />
für Freunde traditioneller Klänge als auch für<br />
junge, fortschrittlich orientierte Musikfans<br />
interessant. Legendär die Wertschätzung von<br />
Frank Sinatra, der Ray Charles als „<strong>the</strong> only<br />
true genius” bezeichnete. Darauf geht auch<br />
PURE GENIUS, der Titel der jetzt veröffentlichten<br />
Box zurück, in der man auf sieben<br />
CDs die bahnbrechende Musik, die Ray<br />
Charles zwischen 1952 und 1959 für das<br />
New Yorker Label Atlantic aufnahm, nachverfolgen<br />
kann. Sagenhafte 155 Tracks gibt<br />
es insgesamt zu hören, eine komplette CD ist<br />
dabei 35 bisher unveröffentlichten Stücken<br />
vorbehalten – darunter Outtakes, Demos<br />
und Testaufnahmen, bei denen Ray Charles<br />
zusammen mit dem Atlantic-Gründer Ahmet<br />
Ertegun zu hören ist. Dem hochwertigen Inhalt<br />
absolut ebenbürtig ist auch das 80-seitige<br />
Begleitbuch, in dem ein ausführlicher<br />
Essay über Ray Charles’ Atlantic-<strong>Jahre</strong>,<br />
die detaillierten Aufnahme-Infos aller enthaltenen<br />
Songs sowie die originalen Liner-<br />
Notes zahlreicher Alben enthalten sind.<br />
(Rhino/Warner, 2012, 7 CDs) us<br />
JAKI GRAHAM<br />
FOR SENTIMENTAL REASONS<br />
Seit Jaki Graham<br />
1984 mit ihrer ersten<br />
Single “What’s<br />
The Name Of Your<br />
Game” in die Charts<br />
einzog, gehört sie<br />
weltweit zu den erfolgreichsten<br />
iht britischen Soulsängerinnen,<br />
auch wenn es in der letzten Zeit etwas ruhiger<br />
um sie wurde. Für FOR SENTIMEN-<br />
TAL REASONS, ihrem ersten Studiowerk<br />
seit dem 1998er MY LIFE, hat sie zwölf<br />
Titel aufgenommen, die sie im Laufe der<br />
letzten beiden <strong>Jahre</strong>n bei zahlreichen Auftritten<br />
rund um den Globus – darunter auch<br />
als Dauergast bei Cliff Richards gefeierter<br />
„Soulicious Tour” – live erprobt hat. Die<br />
Mischung, die ihr dabei gelungen ist, kann<br />
sich sehen lassen: Neben Klassikern wie<br />
“Summertime”, “My Funny Valentine”,<br />
“Ain’t Nobody’s Business” oder “Someone<br />
To Watch Over Me” hat sie auch einige<br />
beinahe vergessene Songperlen (wieder-)entdeckt,<br />
wie das von H.M. Woods<br />
geschriebene “What A Little Moonlight<br />
Can Do”, Mitte der 30er <strong>Jahre</strong> von Billie<br />
Holiday populär gemacht.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 2012,<br />
12/53:30) tk<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
HARD TO HANDLE – BLACK<br />
AMERICA SINGS OTIS REDDING<br />
Im Sommer 1967 sagte Ray Charles in<br />
einem Interview: „Otis Redding wird mein<br />
Nachfolger” – Titanen unter sich, doch das<br />
Schicksal hatte anderes vor und machte<br />
Charles zum gescheiterten Propheten. Und<br />
Otis Redding zum Mythos, der bis heute<br />
nichts von seinem Zauber verloren hat. Die<br />
harten Fakten des vorliegenden Samplers<br />
beweisen: Bei Charles war nicht Wunschdenken<br />
im Spiel, sondern sein unbestechliches<br />
Ohr. Vulgär formuliert: Otis Redding<br />
war als Komponist der geilste Champion<br />
der Soul-Liedermacher seiner Zeit. Zwangsläufig<br />
besteht HARD TO HANDLE aus 14<br />
Treffern und 11 Volltreffern, wobei natürlich<br />
Reddings berühmteste Songs wie “These<br />
Arms Of Mine”, “I’ve Been Loving You<br />
Too Long”, “Hard To Handle”, “Fa-Fa-Fa-<br />
Fa-Fa-Fa (Sad Song)”, “I’ve Got Songs To<br />
Remember”, “Respect” und “Dock Of The<br />
Bay” in würdevollen Top-Versionen von Albert<br />
Washing<strong>to</strong>n, William Bell, Patti Drew,<br />
Lou Rawls, Percy Sledge, Aretha Franklin<br />
und den Staple Singers vertreten sind. Aber<br />
auch etwas weniger bekannte Lieder wissen<br />
zu gefallen, und auch alle übrigen Protagonisten<br />
singen in der ersten Liga. Stilistisch<br />
verlässt niemand das sichere Fahrwasser des<br />
Redding-Souls, aber was Aretha Franklin als<br />
Queen dieses <strong>to</strong>llen Schaulaufs veranstaltet,<br />
dicht gefolgt von den anderen Soul Sisters<br />
und was die ebenbürtigen Soul Bro<strong>the</strong>rs zu<br />
bieten haben, zeigt – mal wieder –, dass es oft<br />
nicht nur auf den Kern der Sache ankommt,<br />
sondern auf die oft spannenden Details. Die<br />
gibt es hier in Hülle & Fülle, bestens erläutert<br />
im 20-seitigen Booklet. Dass auch drei<br />
unveröffentlichte Tracks dabei sind, darunter<br />
einer von Redding selbst (“Loving By The<br />
Pound”), macht den edlen Sampler noch<br />
wertvoller.<br />
(Ace/Soulfood, 2012, 25/71:08) hjg<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
ATLANTIC SOUL LEGENDS<br />
„20 Original Albums From The Iconic Atlantic<br />
Label” lautet der Untertitel dieser Box,<br />
der damit wahrlich nicht zu viel verspricht.<br />
Mit den Unterlabels Atco, East West und (ab<br />
1961) Stax bot die New Yorker Plattenfirma<br />
Atlantic mit ihrem charismatischen Gründer<br />
Ahmet Ertegun eine ernstzunehmende Alternative<br />
zu den Mo<strong>to</strong>wn-Produktionen aus<br />
Detroit. Besonders im Süden der USA fand<br />
Talentscout Jerry Wexler (Zitat: „Wir machen<br />
keine Scheiben mit weißen Jungs, die<br />
schlechte Kopien schwarzer Sänger liefern.<br />
Wir bringen das Otiginal.”) junge und unverbrauchte<br />
Künstler wie Solomon Burke, Wilson<br />
Pickett oder Aretha Franklin. Mit Ray<br />
Charles’ WHAT’D I SAY aus dem Jahr 1959<br />
beginnt die Reihe der legendären Atlantic-<br />
Alben, führt über GREEN ONIONS (Booker<br />
T. & The MG’s), DON’T PLAY THAT<br />
SONG (Ben E. King), MERCY! (Don Convay),<br />
OTIS BLUE/OTIS REDDING SINGS<br />
SOUL (Otis Redding), SWEET SOUL<br />
MUSIC (Arthur Conley), EVERYTHING<br />
IS EVERYTHING (Donny Hathaway) bis<br />
zum Jahr 1975, in dem Sam Dees mit THE<br />
SHOW MUST GO ON eines der besten<br />
Soulalben aller Zeiten veröffentlichte – hier<br />
übrigens als CD-Premiere!. Alle Silberlinge<br />
(im Vinyl-Outfit) sind in aufwändig gestalteten<br />
LP-Replicas verpackt, die notwendigen<br />
Zusatzinfos zu jedem Album liefert das<br />
30-seitige Booklet, in dem die Geschichte<br />
des Labels vom französischen Journalisten<br />
Chris<strong>to</strong>phe Geudin erzählt wird; dazu noch<br />
Interviews mit Booker T., Sam Moore, Solomon<br />
Burke und Isaac Hayes. Auch klanglich<br />
gibt es an diesen Soul-Highlights absolut<br />
nichts auszusetzen, laut Booklet wurden für<br />
die CD-Überspielungen ja auch „<strong>the</strong> best<br />
existing masters” verwendet.<br />
(Rhino/Warner, 2012, 20 CDs) us<br />
BETH HART<br />
BANG BANG BOOM BOOM<br />
Nach der kläglichen Entwicklung von<br />
Anastacia und dem traurigen Abgang von<br />
Amy Winehouse ist Beth Hart die derzeit<br />
Seite 58 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>