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LP<br />
REVIEWS<br />
PELL MELL<br />
FROM THE NEW WORLD<br />
Der Titel täuscht nicht – die ersten 16 Minuten<br />
dieses zweiten Albums der Marburger Formation<br />
mit Frumpy- und Classic-Purple-Nähe<br />
waren 1973 der 9. Sinfonie “Aus der Neuen<br />
Welt” von An<strong>to</strong>n Dvorak gewidmet, geprägt<br />
von Ot<strong>to</strong> Puschs Orgel- und Pianofertigkeiten.<br />
Er weist bei Bachs “Toccata” eine angenehme<br />
Nähe zum Classic-Meets-Jazz Rick van der<br />
Lindens von den niederländischen Mitbewerbern<br />
Ekseption auf. Bei “Suite I” und “Suite<br />
II” übernimmt Dietrich J. Noll die Tasten, teilt<br />
sich die instrumentale Hauptrolle erneut mit<br />
den Violinen- und Querflötenkünsten Thomas<br />
Schmitts. Jörg Götzfried (b) und Mitch<br />
Kniesmeijer (dr) sorgen wie auf dem Debüt<br />
MARBURG für einen perkussiv-jazzigen<br />
Teppich, während die hohen Leadvocals von<br />
Rudolf Schön selbstsicherer, vom Drama<br />
her dosierter und Yes-mäßig Chor-gestützt<br />
daherkommen. Nette Zugabe: Gerade wenn<br />
einem zum Schluss mal ein beherzter Gitarreneinsatz<br />
fehlt, grätscht Andy K. auf “Suite<br />
II – Deficiency” expressiv ins Klangbild: rockiges<br />
Finale.<br />
(Malesch/Long Hair <strong>Music</strong>, 1973,<br />
5 Tracks) utw<br />
McCHURCH SOUNDROOM<br />
DELUSION<br />
Eine der begehrtesten<br />
Krautrock-Scheiben<br />
stammt aus der<br />
Schweiz.<br />
Originale<br />
werden<br />
mittlerweile<br />
für 600 Euro gehandelt,<br />
und das hat auch<br />
seinen Grund, denn hier stimmen Musik,<br />
Cover und Individualität überein. Glücklicherweise<br />
hat das Münchner Reissue-Label<br />
Ohrwaschl Records diesen Schatz gehoben<br />
und nun in einer strengstens limitierten 500er-<br />
Auflage veröffentlicht. Eine Reproduktion des<br />
Original-Flyers, ein Hochglanz-cellofaniertes<br />
Klappcover und das kolorierte, blutrote Vinyl<br />
(erweckt jeden Vampir aus dem Mittagsschlaf)<br />
machen einen vorbildlichen Eindruck.<br />
Die Musik? Hammondorgel, eine Flöte im<br />
Jethro-Tull-Stil, eine starke Gitarre und meist<br />
harte, im Blues verwurzelte Songs werden in<br />
einem einzigartigen Stil dargeboten, der auch<br />
Fans von Frumpy, Birth Control, Epitaph, Gift<br />
oder Gila gefallen wird. Eine der schönsten<br />
Vinylausgaben des <strong>Jahre</strong>s. Empfehlung!<br />
(Ohrwaschl Records, 1971, 6 Tracks) fl<br />
JOHN COUGAR<br />
MELLENCAMP<br />
SCARECROW<br />
Zusammen mit Bruce<br />
Springsteen<br />
dominierte<br />
John Cougar<br />
Mellencamp Mitte der<br />
80er <strong>Jahre</strong> den nordamerikanischen<br />
Heartland-Rock,<br />
Springsteen war dabei dbieher städtisch fixiert,<br />
Mellencamp deckte den ländlichen Part ab.<br />
Bestes Beispiel hierfür ist das LP-Cover –<br />
Mellencamp in sich gekehrt am Weidezaun<br />
– des äußerst erfolgreichen Albums SCARE-<br />
CROW aus dem Jahr 1985, das sowohl in den<br />
USA als auch in Kanada mit jeweils fünffach<br />
Platin ausgezeichnet wurde. Von den drei<br />
Top-Ten-Hits war “R.O.C.K. In The USA (A<br />
Salute To 60’s Rock)” mit Platz 2 am erfolgreichsten,<br />
ein Song, in dem die Klasse von<br />
Frankie Lymon, Bobby Fuller, Martha Reeves,<br />
Jackie Wilson und James Brown gepriesen<br />
wurde. Neben Mellencamps Großmutter<br />
(Leadvocals auf “Grandma’s Theme”) sind<br />
auch Rickie Lee Jones (Backgroundvocals<br />
auf “Between A Laugh And Tear”) sowie Ry<br />
Cooder (Slideguitar auf “The Kind Of Fella<br />
I Am”) zu hören. Gegenüber der ziemlich<br />
flach klingenden Original-CD aus den 80ern<br />
klingt die audiophile 180g-Pressung weit<br />
überlegen, behauptet selbst im Vergleich<br />
zum weitaus besseren 2005er Reissue noch<br />
einen knappen Vorsprung.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1985,<br />
12 Tracks) us<br />
SUZI CHUNK<br />
GIRL FROM THE NECK DOWN<br />
Kaum hört man in Miss Chunk – benannt<br />
nach ihrer Ex-Band Dark Chunk – so etwas<br />
wie die Tochter von Lulu oder empfindet sie<br />
als Enkelin Dusty Springfields, steht das in<br />
den Notes. Es stimmt aber – dabei macht die<br />
muntere, leicht angeraute Sängerin keines-<br />
wegs künstlich auf Retro, sondern liebt und<br />
lanciert tanzbaren Sixties-Soul, als hätte sie<br />
bis zum sechsten Lebensjahr gar nicht gewusst,<br />
dass es andere Musik überhaupt gibt.<br />
Die junge, in Cardiff lebende Sängerin ließ<br />
sich von ihrem Gitarristen/Keyboarder Glenn<br />
Prangnell ein Dutzend Preziosen schreiben:<br />
“For The Millionth Time” mag der “Keep On<br />
Running”-Rhythmus wiederholt werden, zum<br />
Opener passt er. “Got Any Mantras” verbreitet<br />
“Dancing In The Street”-Feeling”, in “Look<br />
Back And Laugh” tritt Bruce Brand als Hank<br />
Marvin auf, überlässt aber John Littlefair ein<br />
schönes Trompetensolo. Suzi Chunk kann als<br />
Jung-Ausgabe von Sharon Tandy aber auch<br />
swingen – “I Can’t S<strong>to</strong>p The Rain” sprüht vor<br />
Charme. Eine Entdeckung.<br />
(State Records/ Import, 2012,<br />
12 Tracks) utw<br />
SPIRIT<br />
THE FAMILY THAT PLAYS<br />
TOGETHER<br />
Diese LP war im<br />
Dezember 1968 das<br />
zweite Album (von<br />
insgesamt<br />
vieren),<br />
das Spirit in der Originalbesetzung<br />
veröffentlichten.<br />
Diese<br />
bestand aus Randy California Cli (voc, g), Mark<br />
Andes (b, voc), John Locke (keys), Jay Ferguson<br />
(keys, voc) und Ed Cassidy (dr). Nach<br />
ihrem surrealistischen Debüt SPIRIT drifteten<br />
sie mit THAT FAMILY THAT PLAYS TO-<br />
GETHER einen Schritt weiter in psychedelische<br />
Gefilde. So weit, dass einige Songs des<br />
neuen Albums – “It Shall Be”, “Silky Sam”<br />
– nichts anderes als purer Jazz-Rock sind.<br />
Doch nicht nur in diese Richtung entwickelten<br />
sie sich, mit “Jewish” und “Aren’t You Glad”<br />
zeigten sie sich auch stark beeinflusst von<br />
Word-<strong>Music</strong> und Jam-Rock, besonders auf<br />
Gitarrist Randy California schien dieses stilistisches<br />
Ausbrechen befreiend zu wirken, man<br />
höre sich nur seine beiden Gitarrenspuren von<br />
“All The Same” an. In der Rückschau eines ihrer<br />
besten Werke, noch dazu mit dem einzigen<br />
richtigen Singlehit, “I Got A Line On You”.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1968,<br />
11 Tracks) tk<br />
Vinyl<br />
MAGGIE & TERRE ROCHE<br />
SEDUCTIVE REASONING<br />
Paul Simon engagierte die heute leider in<br />
Vergessenheit geratenen Roche-Schwestern<br />
als Backgroundsängerinnen für sein Album<br />
THERE GOES RHYMIN’ SIMON. Ihr Debüt<br />
wurde 1973 in den Morgan Studios, London,<br />
und 1974 in den Muscle Shoals Studios,<br />
Alabama, aufgenommen (Produzent: Paul<br />
Simon!) und präsentiert zwei kraftvolle Sängerinnen,<br />
die trotz der Musik, die sich zwischen<br />
Country, Blues und Folk abspielt, einen<br />
eher ungewöhnlichen Satzgesang bieten. Die<br />
Melodieführung mutet modern an, was einen<br />
spannungsvollen Kontrast zum erdigen Background<br />
bietet. Ob sich die beiden im Country-<br />
Blues auslassen (“Western Union”) oder intensive<br />
und leidenschaftliche Balladen singen<br />
(“The Burden Of Proof”, “Telephone Bill”), ist<br />
egal – sie verzaubern den Hörer auf ihre ganz<br />
individuelle Art. Wie bei allen LP-Releases<br />
von Speakers Corner üblich, wurde audiophil<br />
gemastert und auf 180 Gramm gepresst.<br />
(Speakers Corner, 1975, 10 Tracks) at<br />
JOHNNY CASH<br />
HELLO, I’M JOHNNY CASH<br />
Die legendären ersten<br />
Worte eines Johnny-<br />
Cash-Konzertes lauteten<br />
stets „Hello, I’m<br />
Johnny Cash”, und genauso<br />
heißt diese LP,<br />
die Cash 1970 veröffentlichte.<br />
Mit “To Beat The Devil” interpretierte<br />
er darauf erstmals einen Song von Kris<br />
Kris<strong>to</strong>fferson, “See Ruby Fall” schrieb er zusammen<br />
mit Roy Orbison, dazu das erstaunlich<br />
reife “Sing A Travelling Song” – verfasst<br />
vom 14-jährigen Ken Jones, dem Sohn von<br />
Helen Carter, der 1969 bei einem Au<strong>to</strong>unfall<br />
ums Leben kam – aber am berühmtesten ist<br />
wohl immer noch die Tim-Hardin-Komposition<br />
“If I Were A Carpenter”, hier als bewegendes<br />
Duett mit seiner Ehefrau June Carter<br />
Cash. Carl Perkins und Bob Woo<strong>to</strong>n an den<br />
Gitarren, Bass und Schlagzeug; vom Rest der<br />
Tennessee Three Marshall Grant und W.S.<br />
Holland, die Backgroundvocals steuerte die<br />
Carter Family bei.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1970, 12 Tracks) us<br />
<strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 57