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CD<br />
REVIEWS<br />
RABIH ABOU-KHALIL<br />
HUNGRY PEOPLE<br />
Von den vielen Projekten des im Libanon<br />
geborenen, heute wahlweise in München<br />
und Frankreich lebenden Oud-Spielers<br />
Rabih Abou-Khalil ist das Mediterranean<br />
Quintet sein langlebigstes. Bereits seit<br />
zwölf <strong>Jahre</strong>n spielt der Meister der arabischen<br />
Kurzhalslaute mit Gavino Murgia<br />
(sax), Luciano Biondini (acc), Michel Godard<br />
(tuba) und Jarrod Cagwin (dr, perc)<br />
zusammen. Das Quintett ist inzwischen<br />
dermaßen eingespielt, dass sein unverwechselbarer<br />
Mix aus Jazz sowie östlichen<br />
und mediterranen Musikstilen immer ambitionierter<br />
und komplexer ausfällt, zugleich<br />
aber auch immer leichtfüßiger. Das jüngste<br />
Album HUNGRY PEOPLE, auf dem sich<br />
die fünf Virtuosen gegenseitig zu Höchstleistungen<br />
antreiben, setzt erneut Maßstäbe<br />
in Sachen World-Jazz.<br />
(World Village/Harmonia Mundi,<br />
2012, 10/56:46) frs<br />
MILES DAVIS<br />
MILESTONES<br />
Mit seiner Platte<br />
KIND OF BLUE<br />
schrieb Miles Davis<br />
Jazzgeschichte. Nur<br />
ein Jahr zuvor spielte<br />
er ein bedeutendes<br />
Album ein, auf dem<br />
er sein melodiöses Gefühl und die rhythmische<br />
Extravaganz weiterentwickelte.<br />
Allein die Besetzung lässt Jazz-Freunde<br />
aufhorchen: Julian „Cannonball” Adderly,<br />
John Coltrane, Red Garland, Paul Chambers<br />
und Philly Joe Jones waren ein Dreamteam,<br />
das sich im Studio gegenseitig anstachelte<br />
und zur Höchstleistung antrieb. Die perfekten<br />
Harmonielinien von “Miles<strong>to</strong>nes”,<br />
untermalt von der swingenden Rhythmussektion,<br />
gehören nach wie vor zum Reper<strong>to</strong>ire<br />
vieler Jazzcombos, wohingegen “Billy<br />
Boy” speziell aufgrund der Pianopassagen<br />
punktet. Vergessen werden sollten aber<br />
nicht das legendäre “Sid’s Ahead”, praktisch<br />
ein Symbol des „Coolen”, und das rasante<br />
“Straight, No Chaser”, eine komplexe<br />
Komposition, die durch Gegenrhythmen<br />
wirkt. Durch das Mastering von Rob Lo-<br />
Verde klingt die Scheibe außergewöhnlich<br />
au<strong>the</strong>ntisch und „rund”.<br />
(Mobile Fidelity/Sieveking Sound,<br />
1958, 6/48:30) at<br />
WOLFGANG HAFFNER<br />
HEART OF THE MATTER<br />
Eben so, wie der Albumtitel HEART OF<br />
THE MATTER ein schönes Wortspiel ist,<br />
das aus der „Herzensangelegenheit” ein<br />
„Herz der Sache” macht, eben so „mit<br />
Herz” agieren Wolfgang Hafner und seine<br />
Mitmusiker auf diesem Album. Dabei ist<br />
es ihnen (wieder einmal) gelungen, ihre<br />
Stücke so anzurichten, dass sie zunächst<br />
verspielt und fast beiläufig daherkommen,<br />
dass sich die dem Jazz so oft (negativ)<br />
nachgesagte Ernsthaftigkeit bei Haffners<br />
Kompositionen in keinster Weise einstellen<br />
will. Götz Alsmann steuert ein federleichtes<br />
Akkordeon bei, Till Brönner ein virtuoses<br />
Flügelhorn, selbst die sonst so markanten<br />
Gitarrenlicks von Chuck Loeb passen sich<br />
bestens in das entspannte Gesamtkonzept<br />
ein. Mit Céline Rudolph, Shovell und Tho-<br />
mas Quasthoff gibt es auch drei Stücke mit<br />
Gesang, die sich hervorragend zu den rein<br />
instrumentalen Stücken gesellen. Ohne<br />
Zweifel sind Haffner & Co. mitten im Herzen<br />
der Sache angekommen, ist ihnen ein<br />
wunderschön relaxtes Album gelungen.<br />
(ACT/edel, 2012, 12/53:12)<br />
us<br />
GEORGIE FAME<br />
LOST IN A LOVER’S DREAM<br />
Wie – keine Hammond?<br />
Keine Drums<br />
oder Singing Horns?<br />
Fames alte Freunde<br />
aus Zagreb garantieren,<br />
dass die melodisch-rhythmische<br />
Begleitung ein volles Klangbild ergibt, selbst<br />
wenn Primaz Grasic seinen Partner Mario<br />
Mavrin ein Basssolo spielen lässt oder er sich<br />
bei eigenen Ausflügen auf seiner Yamaha<br />
auf Mavrins sechs Bongo-Bassseiten stützen<br />
muss. Fames Gesang steht im Mittelpunkt<br />
des klaren Spektrums. Mit fast 70 strahlt er<br />
noch immer die Wärme, Dynamik, Zar<strong>the</strong>it<br />
und Phrasierungskunst eines jungen Künstlers<br />
aus. Tonumfang und humorige Einlagen sind<br />
intakt, während die Präzision eher noch zunimmt.<br />
Fame schwelgt in Balladen wie “My<br />
Foolish Heart”, “Cry Me A River” und starken<br />
Eigenwerken wie “How Blue” oder “Singing<br />
Horn”. Es ergeben sich willkommene rhythmische<br />
Varianten: Das Likör-Lamen<strong>to</strong> seines<br />
Freundes Andy Fairwea<strong>the</strong>r Low, “Wide-<br />
Eyed And Legless” – bei dessen Original er<br />
1975 mitwirkte – bekommt ein federleichtes<br />
Bossa-Nova-Arrangement, seine Hommage-<br />
Erwiderung an „Blossom” Dearie aus SE-<br />
VENTH SON ist ein beschwingter Walzer.<br />
Mit dem “Skiing Blues” gibt es eine weitere<br />
stilistische Variante. Beim George-Gershwin-<br />
Standard “I Can’t Get Started (With You)” aus<br />
den 30er <strong>Jahre</strong>n schreibt sich der Profi (seit<br />
1958) neue Zeilen auf den Leib: „I <strong>to</strong>ured with<br />
Basie’s band for a while, and Tony Bennett<br />
sketched my profile”. Ein Juwel.<br />
(Three Line Whip/Import, 2012,<br />
12/50:25) utw<br />
ROYAL STREET<br />
ORCHESTRA<br />
VISIBLE AT GIVEN<br />
TEMPERATURE<br />
Die Macher des Hazelwood-Labels staunten<br />
nicht schlecht, als sie in Wuppertal zufällig<br />
in einen Auftritt des Royal Street Orchestra<br />
hineingerieten. Ihre Plattenfirma (Mardi Gras.<br />
BB, King Khan etc.) ist zwar eigentlich auf<br />
Independent- und Americana-Rock spezialisiert.<br />
Doch mit ihrem feurigen, tanzbaren<br />
Mix aus Maghreb- und Balkan-Sounds hatte<br />
die neunköpfige Multikulti-Formation aus<br />
dem Bergischen Land die Hazelwood-Leute<br />
schnell für sich eingenommen, so dass sie ihr<br />
Debüt auf dem Label veröffentlichen durften.<br />
Da hört man Geigen seufzen, flinke Akkordeonläufe<br />
und Bouzoukisaiten flirren. Mit Folklore<br />
hat das indes nur wenig zu tun, denn E-<br />
Bass, Drums und Elektronik (für Samples und<br />
Scratches ist als Gast DJ Mahmut von Mardi<br />
Gras.BB dabei) legen tiefe, treibende Beats, so<br />
dass man sich streckenweise an vergleichbare<br />
kulturübergreifende Projekte wie Transglobal<br />
Underground oder Suns Of Arqa erinnert fühlt.<br />
Hier groovt die globalisierte Welt!<br />
(Hazelwood/Rough Trade, 2012,<br />
9/35:55) frs<br />
Jazz & World <strong>Music</strong><br />
ASTRID<br />
HIGH BLUES<br />
Der Name der Gruppe und erst recht ihre<br />
Musik deuten auf Skandinavien hin. Doch<br />
Astrid sind eine französische Band, gegründet<br />
1997 von Cyril Secq und Yvan Ros<br />
als Gitarren-Schlagzeug-Duo und durch<br />
das Hinzukommen von Vanina Andreani<br />
und Guillaume Wickel zum Quartett aufges<strong>to</strong>ckt.<br />
Nun macht man mit Gitarren,<br />
Harmonium, Standbass, Violine, Kalimba,<br />
Klarinette, Bassklarinette, Rhodes-Piano,<br />
Schlagzeug und Perkussion Instrumentalmusik<br />
der leisesten, aber ungemein intensiven<br />
Art. Der HIGH BLUES der Gruppe<br />
hat mit Blues im engeren Sinne nichts zu<br />
tun. Stattdessen ertönt eine weiße Improvisationsmusik,<br />
die ihre Wurzeln in der<br />
Ambient <strong>Music</strong>, sanftem Pop-Rock-Jazz,<br />
europäischer Klassik des 20. Jahrhunderts<br />
und ein wenig Seventies-Folk hat. In Namen<br />
ausgedrückt reicht das Spektrum von<br />
Maurice Ravel und Erik Satie über Philip<br />
Glass und Brian Eno bis zu Mark Hollis<br />
(Talk Talk). Dies ist Musik für kleinste<br />
Clubs, Kirchen, Vernissagen in angesagten<br />
Galerien und Keller<strong>the</strong>atern. Und natürlich<br />
für die ganz ruhigen Stunden daheim<br />
bei einem Glas guten Rotwein. Wer dieser<br />
Musik konzentrierte Entspannung, Offenohrigkeit<br />
und Geduld entgegenbringt, wird<br />
reichlich belohnt!<br />
(Rune Gramofon/Cargo, 2012,<br />
5/52:52) hjg<br />
YASMIN LEVY<br />
LIBERTAD<br />
Yasmin<br />
Levy<br />
hat eine der der<br />
schönsten<br />
Stimmen<br />
in der an guten<br />
Sängerinnen nicht<br />
gerade armen spanischsprachigen<br />
Wlt Welt. Wobei Wbi „spanischsprachig” freilich<br />
nicht ganz zutrifft, denn erstens lebt Levy<br />
in Israel, und zweitens ist das Spanisch,<br />
das sie singt, Ladino, die alte romanische<br />
Sprache der einstmals auf der iberischen<br />
Halbinsel lebenden sephardischen Juden.<br />
Doch ihr mit einer satten Portion Flamenco<br />
und leichten Prise Tango gewürzter,<br />
emotionsgeladener Stilmix steht ganz klar<br />
im Erbe ihrer spanischen Vorfahren. Mit<br />
LIBERTAD (Freiheit) legt die 36-Jährige<br />
ihr fünftes Studio-Album vor. Neben Levy<br />
selbst beeindruckt besonders Gitarrist Yechiel<br />
Hasson, der aus seinen Nylonsaiten<br />
einfühlsame, im Flamenco wurzelnde Töne<br />
herauskitzelt. Für Überraschungen sorgt<br />
diesmal das String Orchestra Istanbul, das<br />
der klagenden Ladino-Musik mit seinen<br />
auf- und abschwellenden Streichertönen<br />
einen Hauch von Orient verleiht. Geheimnisvoll,<br />
schön, hin- und mitreißend!<br />
(World Village/Harmonia Mundi,<br />
2012, 12/54:32) frs<br />
NILS LANDGREN<br />
CHRISTMAS WITH MY<br />
FRIENDS III<br />
„Never change a winning team” scheint<br />
sich Nils Landgren gedacht zu haben, als<br />
er den beiden höchst erfolgreichen Vorgängern<br />
nun mit CHRISTMAS WITH MY<br />
FRIENDS III schon das dritte Weihnachtsalbum<br />
mit nordischem Jazz folgen lässt.<br />
<strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong> ■ Seite 61<br />
kult!<br />
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