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© Pressefo<strong>to</strong><br />
Jeff Lynne/Electric Light Orchestra<br />
LONG WAVE enthält ausschließlich<br />
Cover-Versionen. Warum eine solche<br />
Rückschau?<br />
Als ich die Lieder aufnahm, habe ich mich permanent<br />
an meine Kindheit und Jugend erinnert, also an<br />
die 1950er und frühen 1960er – an endlose Nächte,<br />
in denen ich trotz elterlichen Verbots mit Kopfhörern<br />
im Bett lag und mich von der Musik verschiedener<br />
Langwellen-Sender in den Schlaf wiegen ließ. Ohne<br />
jene Nächte wäre die Magie der Musik niemals in<br />
diesem Maße auf mich übergesprungen! Überhaupt<br />
das Radio: Sobald mein Vater von der Arbeit zu Hause<br />
war, lief es unentwegt, und an den Wochenenden<br />
sowieso: Jazz, Skiffle, Bigband-Sound. Es war<br />
herrlich, ständig von dieser Musik umgeben zu sein.<br />
Manche Songs klingen für mich bis heute so frisch,<br />
als hätte ich sie gestern zum ersten Mal gehört. Mit<br />
diesen Eindrücken ging ich ins Studio, um LONG<br />
WAVE einzuspielen. Es ist eine radikal persönliche,<br />
radikal egoistische Scheibe. Weil ich sie im Alleingang<br />
aufgenommen habe und sie ausschließlich<br />
altes Zeug präsentiert, das vermutlich nur noch mir<br />
so nahe ist. Aber wer weiß, vielleicht haben auch<br />
einige andere Leute ihren Spaß an der Sache.<br />
Sind Sie ein eingefleischter Nostalgiker?<br />
Unbedingt! All die Zeit vor dem Radio, in der ich<br />
mich hemmungslos meinen Träumen hingab! Es gab<br />
viele Tage und vor allem Nächte, in denen ich richtiggehend<br />
ins Gerät gekrochen bin! Ich hoffe, dass<br />
jeder von einer Nostalgiewelle erfasst wird, wenn er<br />
sich LONG WAVE anhört.<br />
Gibt es zwischen den beiden aktuellen<br />
Alben eine Verbindung?<br />
Beide stehen für sich, aber auch dafür, wo ich mich<br />
Rückschritt & Fortschritt<br />
Seite 24 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />
Mit zwei Alben, die am selben Tag erschienen<br />
sind, hat sich Jeff Lynne<br />
(Gründungsmitglied und Mastermind<br />
des Electric Light Orchestra/ELO) weit<br />
zurück in die Zukunft gebeamt:<br />
Unter seinem Namen<br />
kam LONG WAVE (Langwelle)<br />
auf den Markt, eine nostalgische<br />
Hommage an die<br />
eigene musikalische Kindheit<br />
und Jugend, gespickt mit frisch klingenden<br />
Cover-Versionen aus den 19<strong>40</strong>-<br />
ern bis frühen 1960ern. Und Lynne,<br />
geboren am 30.12.1947 in Birmingham,<br />
hat außerdem zwölf ELO-Kracher entrümpelt<br />
und ihnen ein wenig die Patina<br />
genommen; sie bringt er als<br />
MR. BLUE SKY – THE VERY<br />
BEST OF ELECTRIC LIGHT<br />
ORCHESTRA an den Start.<br />
Beide CDs unterstreichen<br />
die Zeitlosigkeit des Lynne-<br />
Sounds.<br />
Von Michael Fuchs-Gamböck<br />
musikalisch derzeit fixiere. Da ist Jeff Lynne, der<br />
unbarmherzige Nostalgiker – und da ist außerdem<br />
Jeff Lynne, der einem Dutzend ELO-Klassikern<br />
neue Perspektiven abgewinnen will. Darum habe<br />
ich alle Songs von MR. BLUE SKY ... komplett neu<br />
eingespielt. Es sind speziell diese Titel, von denen ich<br />
weiß, dass sie zeitlos sind, dass man sie sich auch in<br />
der Zukunft problemlos wird anhören können.<br />
Sie haben alle Instrumente auf MR.<br />
BLUE SKY gespielt …<br />
Das war dringend erforderlich, denn dadurch habe<br />
ich sie vom gelegentlich zu heftigen Bombast etwas<br />
entstaubt. Sie behielten ihre Identität, bekamen aber<br />
ein frischeres Gesicht mit weniger Schminke.<br />
Welche Erinnerungen sind an <strong>40</strong><br />
<strong>Jahre</strong> ELO präsent?<br />
Wechselhafte, wie für eine Unternehmung dieser Größenordnung<br />
angemessen. Anfangs waren wir eine<br />
richtige Band, sehr kreativ, mit sehr unterschiedlichen<br />
Charakteren. Es war aufregend, unter solchen Umständen<br />
zu arbeiten, aber auch recht kompliziert. Ab<br />
den späten 1970ern war ELO weitgehend mein eigenes<br />
Projekt, nahezu alle Ideen stammten von mir. Ich<br />
bin kein allzu guter Teamplayer, eher ein Tüftler und<br />
Einzelkämpfer. Damit konnten im Laufe der Zeit nicht<br />
alle umgehen, mit denen ich gearbeitet habe.<br />
Kritiker unterstellten ELO gern<br />
Kitsch und Größenwahn, Sie selbst<br />
sprechen von "<br />
klassischem Rock'n'<br />
Roll" …<br />
ELO war und ist unbedingt eine Rock'n'Roll-Truppe,<br />
da bei allem gelegentlichen Orchester-Beiwerk die<br />
Melodien stets simpel und eingängig waren. Diese<br />
Eigenschaft zeichnet für mich Rock'n'Roll aus. Okay,<br />
es gab schon mal die eine oder andere süßliche Melodie.<br />
Das lag dann am Inhalt des Lieds, meist herzzerreißende<br />
Balladen. Da ist dann eine fette Prise<br />
Kitsch durchaus angebracht, um den dramatischen<br />
Aspekt zu verstärken.<br />
Das letzte ELO-Album ZOOM erschien<br />
2001. Kommt noch was Neues?<br />
Da ich mich von nichts und niemandem drängen<br />
lasse, wenn ich an einer neuen Platte arbeite – vor<br />
allem nicht von der Zeit –, habe ich keine Ahnung,<br />
ob und wann es eine neue ELO-Scheibe gibt. Sicher<br />
ist: Es gibt einige neue Ideen für Songs, manche sehr<br />
konkret und weit fortgeschritten, was immer das zu<br />
bedeuten hat. Lust darauf, ein richtig scharfes ELO-<br />
Album abzuliefern, habe ich unbedingt. Schließlich<br />
stehen diese drei magischen Buchstaben für ein ganzes<br />
Leben – mein Leben.<br />
Fo<strong>to</strong>: © Martyn Atkins