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CD<br />
REVIEWS<br />
Recht hat er, es gibt wahrlich noch genügend<br />
(mehr oder weniger) bekannte Weihnachtslieder,<br />
die es wert sind, von Könnern<br />
wie Jonas Knutsson (sax), Sharon Dyall<br />
(voc), Johan Norberg (g), Ida Sand (voc,<br />
p), Eva Kruse (b), Jeanette Köhn (voc) und<br />
Jessica Pilnäs (voc) gesungen und gespielt<br />
zu werden. Wie gewohnt ist die Bandbreite<br />
dieses Projektes enorm, von his<strong>to</strong>rischen<br />
Liedern wie “Ich steh’ an deiner Krippen<br />
hier” oder “Gläd dig, du Kristi brud”, bei<br />
denen der ausgebildeten Sopran von Jeanette<br />
Köhn besonders eindrucksvoll zum<br />
Tragen kommt, über groovende Spirituals<br />
wie “Somebody Talkin’” und das orchestrale<br />
“Someday At Christmas” bis zum<br />
A-cappella-Stück “Bethlehem Down”.<br />
Clever auch der Zeitpunkt und die Art der<br />
Aufnahmen: Da es im August bekanntlich<br />
schwer ist, feierliche Weihnachtsstimmung<br />
aufkommen zu lassen, haben Nils Landgren<br />
& Co. die Lieder am 19. und 20. Dezember<br />
letzten <strong>Jahre</strong>s live vor Publikum in einer<br />
S<strong>to</strong>ckholmer Kirche aufgenommen.<br />
(ACT/edel, 2012, 15/54:20)<br />
us<br />
CHICO FREEMAN – THE<br />
ELVIN JONES PROJECT<br />
ELVIN<br />
Am 9.9.2012 wäre<br />
der 2004 vers<strong>to</strong>rbene<br />
Elvin Jones, einer<br />
der besten Jazzdrummer<br />
aller Zeiten, 85<br />
<strong>Jahre</strong> alt geworden.<br />
Ihm zu Ehren legt<br />
sein einstiger Schützling Shüt Chico Freeman,<br />
selbst längst eine Jazzlegende, ein fantastisches<br />
Tributalbum vor. Freeman (ts, ss),<br />
George Cables (p), Lonnie Plaxico (b),<br />
Winard Harper (dr) sowie die Bläsergäste<br />
Joe Lovano und Martin Fuss haben neun<br />
Stücke eingespielt, die Elvin Jones irgendwann<br />
selbst aufnahm oder in Konzerten anstimmte.<br />
Darunter sind Kompositionen von<br />
John Coltrane, Wayne Shorter, Joe Henderson,<br />
George Cables, Chico Freeman und<br />
natürlich Elvin Jones. Besseres Material<br />
gibt es schwerlich. Zu hören ist Hard Bop,<br />
der bis an die Grenze zum Free Jazz vorstößt,<br />
ungemein swingt, harmonisch und<br />
rhythmisch brilliert, viele Stimmungen von<br />
balladesk bis explosiv in pet<strong>to</strong> hat und somit<br />
vorbildlich abwechslungsreich daherkommt.<br />
Alle Beteiligten legen ein Höchstmaß<br />
an Engagement und Einfallsreichtum<br />
an den Tag, wechseln vom Standardisierten<br />
zum Improvisierten, spielen aber nie wild<br />
drauflos. Die wohl schwersten Aufgaben<br />
hatte dabei Schlagzeuger Winard Harper<br />
zu bewältigen – und es gelang ihm, nicht<br />
genau wie Elvin Jones zu spielen, aber in<br />
dessen Geist originell. ELVIN ist ein einziger<br />
Höhepunkt, aber zwei Stücke ragen<br />
dennoch etwas hervor: “Elvin” und “Think<br />
Of Me”, wo sich Freeman und Lovano fesselnde<br />
Saxofon duelle liefern. Beruhigend<br />
zu wissen, dass die Sprache des Hard Bop<br />
noch immer nicht erschöpft ist!<br />
(o-<strong>to</strong>ne music/Jive/ edel, 2012,<br />
9/59:18) hjg<br />
LEE RITENOUR<br />
RHYTHM SESSIONS<br />
Das neue Album des Gitarrenvirtuosen Lee<br />
Ritenour trägt seinen Titel zu Recht: Der<br />
Amerikaner hat diverse Rhythmusspezialisten<br />
ins Studio gelotst, um über deren<br />
Groovezaubereien mit anderen Größen<br />
wie Chick Corea, Steve Jordan, Christian<br />
McBride, Larry Golding oder Marcus Miller<br />
anspruchsvolle Sechs-Saiten- und Tastenimprovisationen<br />
zu legen. Nathan East,<br />
Tal Wilkenfeld, Dave Weckl, Will Kennedy,<br />
Peter Erskine oder Melvin Davis sorgten<br />
für passende Rhythmen bei dieser Mixtur<br />
aus Funk/R&B, Fusion, Post-Bop und zeitgenössischem<br />
Jazz. Die „Arbeitsbasis” lieferten<br />
drei Ritenour-Kompositionen sowie<br />
Vorlagen von Corea, Herbie Hancock, Agent<br />
Spark oder Nick Drake. Die Kooperationsergebnisse<br />
klingen durchdacht, aber keineswegs<br />
kopflastig, voller Feeling und Groove<br />
– nicht nur für Jazzfans tauglich.<br />
(Concord/Universal, 2012, 12/57:53) pro<br />
ENNIO MORRICONE<br />
MORRICONE IN COLOUR<br />
Mit seiner unvergleichlichen<br />
Vielseitigkeit<br />
und Produktivität<br />
gehört<br />
Ennio Morricone zu<br />
den<br />
profiliertesten<br />
und<br />
einflussreichsten<br />
Komponisten des 20. Jahrhunderts. Mit<br />
seiner riesigen Bandbreite an musikalischen<br />
Stilen konnte er so gut wie jedes Filmgenre<br />
begleiten, was bis heute dazu führte, dass ca.<br />
500 Filme mit seiner Musik unterlegt sind.<br />
Seine Arbeiten für Sergio Leones Italo-Western<br />
sind legendär, veränderten nachhaltig<br />
die Art und Weise, wie Regisseure und Produzenten<br />
die Filmmusik als Stilmittel einsetzten.<br />
Auf vier CDs – zusammengefasst in<br />
einer schönen Box – gibt es nun die Soundtracks<br />
von acht italienischen Filmen, die<br />
zwischen 1969 und 1979 entstanden sind:<br />
von “Metti, Una Sera A Cena (Love Circle)”<br />
über “L’Uccello Dalle Piume Di Cristallo<br />
(The Bird With The Crystal Plumage)” bis<br />
zu “Il Giocat<strong>to</strong>lo (A Dangerous Toy)”. Immer<br />
wieder atemberaubend, wie es Morricone<br />
trotz höchst unterschiedlicher Scores gelingt,<br />
Stimmungen in Töne umzusetzen, wie<br />
er mit Themen spielt, sie verlässt und wieder<br />
aufnimmt, wie seine Musik auch als reines<br />
„Kopfkino” funktioniert.<br />
(Cherry Red/Rough Trade, 1969–1979,<br />
4 CDs) us<br />
Jazz & World <strong>Music</strong><br />
FRANK SINATRA<br />
A JOLLY CHRISTMAS<br />
Klar gibt es genug Weihnachts-Platten<br />
von Frank Sinatra. Aber keine mit einem<br />
Album und Querschnitt durch Schellack-<br />
Singles – schon gar nicht eine mit derart<br />
Old-America-Zeitgeist-sprühendem Cover:<br />
Papa Sinatra schlitzt, lächelnd und in<br />
einen lila Schmusewolle-Sweater gewandet,<br />
einem Truthahn den Schenkel ab. A<br />
JOLLY CHRISTMAS stammt von 1957<br />
und entstand unter Begleitung des Gordon<br />
Jenkins Orchestra: “Jingle Bells”, “Adeste<br />
Fideles” und “Have Yourself A Merry Little<br />
Christmas” tauchten auch in der 1945–1948<br />
entstandenen Sammlung CHRISTMAS<br />
DREAMING auf, die von Axel S<strong>to</strong>rdahl<br />
arrangiert wurde: Die ersten Titel wurden<br />
noch als V-Discs an kämpfende Truppen<br />
versandt. Gesucht auch die drei 78-U/<br />
Min-Titel mit Nelson Riddle, “I Believe”,<br />
“White Christmas” und “Silent Night” von<br />
1954, bei denen Sinatras Timbre und Geschmackssicherheit<br />
wieder über Schmalzgefahr<br />
erhaben sind. Wie stets bei Phoenix<br />
bester Klang und beste Kommentierung.<br />
(Phoenix/inakustik, 1945–1957,<br />
25/70:17) utw<br />
LONNIE LISTON SMITH<br />
COSMIC FUNK & SPIRITUAL<br />
SOUNDS<br />
Wem die Grooves<br />
auf COSMIC FUNK<br />
& SPIRITUAL<br />
SOUNDS<br />
bekannt<br />
vorkommen sollten,<br />
muss sich nicht wundern,<br />
selbst wenn er<br />
den Namen Lonnie Lis<strong>to</strong>n Smith noch nie<br />
gehört hat. Denn der Keyboarder, der 1973<br />
seine Solokarriere startete, nachdem er zuvor<br />
u.a. für Miles Davis und Roland Kirk<br />
in die Tasten gegriffen hatte, gehört heute<br />
zu den meistgesampleten Jazzmusikern.<br />
Schon vor seiner Adelung durch die jüngere<br />
Dancefloor-Gemeinde war Smiths Musik, in<br />
der sich relaxte Grooves und spacige Sounds<br />
paaren, äußerst erfolgreich: Sein wohl bekanntestes<br />
Stück, das 1975 als Single veröffentlichte<br />
“Expansions” (1988 von den<br />
HipHoppern Stetsasonic gesamplet), wurde<br />
gerne in Discos gespielt; das gleichnamige<br />
Album kam in die Top 100 der US-Pop-<br />
Charts – ein seltener Erfolg für eine Jazz-<br />
LP. Die treffend mit COSMIC FUNK &<br />
SPIRITUAL SOUNDS betitelte Anthologie<br />
versammelt 15 Stücke, die Smith in seiner<br />
wohl besten Phase zwischen 1973 und 1976<br />
auf seinen fünf Alben für das Label Flying<br />
Dutchman veröffentlichte, darunter “Expansions”.<br />
Expand your mind!<br />
(Ace/Soulfood, 2012, 15/78:29) frs<br />
VOLKER KRIEGEL &<br />
FRIENDS<br />
JAZZFEST BERLIN 81<br />
Kenner halten Volker Kriegel, der sich in<br />
Bands wie dem United Jazz + Rock Ensemble<br />
und Dave Pike Set internationales Renommee<br />
erspielte, für einen der besten deutschen<br />
Jazz- und Fusiongitarristen. Das Spiel des in<br />
Darmstadt geborenen und in der Frankfurter<br />
Jazzszene um Emil Mangelsdorff sozialisierten<br />
Saitenvirtuosen steht dem von Pat Me<strong>the</strong>ny<br />
und John Scofield kaum nach. Im November<br />
1981 trat der Musiker, der 2003 mit 59<br />
<strong>Jahre</strong>n viel zu früh starb, beim Jazzfest Berlin<br />
auf, in Begleitung eines großartigen Ensembles,<br />
zu dem der Bassist Eberhard Weber und<br />
der Vibrafonist Wolfgang Schlüter gehörten.<br />
Das Konzert wurde fürs Fernsehen (für den<br />
„Rockpalast”!) aufgezeichnet und wird nun<br />
als DVD plus beiliegender songidentischer<br />
CD in optisch wie akustisch guter Qualität<br />
veröffentlicht. Das Quintett spielt ein Konzert<br />
voller schwebender Klänge und Rhythmen,<br />
mitunter durchbrochen von eruptiven<br />
Solos. Den Gig beginnt Kriegel, der sich als<br />
Au<strong>to</strong>didakt eine effektive Zweifingertechnik<br />
mit der linken Hand antrainiert hatte, auf<br />
seiner speziellen Sitar-Gitarre mit dem träumerischen<br />
“Calcador”. Die konzentrierten<br />
Musiker sind in Improlaune, einige Stücke,<br />
etwa “Schwebebahn” (nomen est omen!)<br />
und “Chateau Sentimental”, geraten doppelt<br />
bis dreimal so lang wie die Studiofassungen.<br />
Ein kleines Juwel des deutschen Jazz, endlich<br />
wieder geborgen!<br />
(MiG/Intergroove, 2012, 7/64:1) frs<br />
CD<br />
BELLOWHEAD<br />
BROADSIDE<br />
Wie schon für den höchstgelobten Vorgänger<br />
HEDONISM haben Bellowhead<br />
mit John Leckie (Radiohead, S<strong>to</strong>ne Roses)<br />
einen Produzenten verpflichtet, der die<br />
zurzeit wohl beste britische Folkband auf<br />
ihrem neuen Album in der vollen Blüte<br />
ihrer Pracht präsentiert. Zehn der zwölf<br />
Songs von BROADSIDE sind Traditionals,<br />
einer stammt vom 1867 geborenen<br />
Londoner Künstler Harry Wincott, einer<br />
von Leadsänger und Geiger John Boden.<br />
Und trotz der vergleichsweise großen Anzahl<br />
an Musikern – immerhin in der Stärke<br />
einer Fußballmannschaft – und des somit<br />
fast unerschöpflichen Reservoirs an Instrumenten,<br />
klingt ihre Musik alles andere als<br />
überfrachtet. Dort, wo notwendig, kann<br />
man sie im Kirmesband-Sound hören,<br />
pumpt die Tuba, trillern die Flöten, Klarinetten<br />
und Mandolinen; oft reduzieren sie<br />
ihre Begleitung aber auch auf eine einzige<br />
Posaune, Trompete, Konzertina, Geige oder<br />
Bouzouki. Genau diese Wechselwirkungen<br />
zwischen Bigband und Kammerquartett,<br />
zwischen Jazz, World-<strong>Music</strong> und traditionellem<br />
Folk machen die Klasse dieser Band<br />
aus, führen so fast zwangsläufig zu einem<br />
Top-Album.<br />
(Naviga<strong>to</strong>r Records/Rough Trade,<br />
2012, 12/46:41) us<br />
DEAD FINGERS<br />
DEAD FINGERS<br />
Stehen sie in der<br />
Wüs te? Oder doch<br />
nur in einer Kiesgrube?<br />
Das Coverbild<br />
ihres selbst betitelten<br />
Debütalbums DEAD<br />
FINGERS lässt offen,<br />
ob Taylor Hollingsworth (bekannt geworden<br />
als Gitarrist von Conor Oberst) und<br />
Kate Taylor echte oder gefakete Wüstenwanderer<br />
sind. Aber egal – auch bei Lee<br />
Hazlewood und Nancy Sinatra, mit denen<br />
man das Duo schon verglich, stellte kaum<br />
einer die Frage nach Au<strong>the</strong>ntizität. Mitunter<br />
weiß man zwar wirklich nicht genau,<br />
wie ernst den Dead Fingers die Sache ist,<br />
etwa bei ihrer Dylan-Travestie “Ano<strong>the</strong>r<br />
Planet” oder bei sprachlich witzigen Titeln<br />
wie “Closet Full Of Bones”, doch ihr mit<br />
Country, Folk und Blues getränkter Wüsten-Rock<br />
(!) macht enormen Spaß!<br />
(Affairs Of The Heart/Indigo, 2012,<br />
11/39:05) frs<br />
BOBBY GENTRY & GLEN<br />
CAMPBELL / ANNE MUR-<br />
RAY & GLEN CAMPBELL<br />
BOBBY GENTRY & GLEN<br />
CAMPBELL/ANNE MURRAY &<br />
GLEN CAMPBELL<br />
Zwei erfolgreiche Duettplatten von Glen<br />
Campbell, frisch remastert auf einer CD.<br />
1968 veröffentlichte er zusammen mit der<br />
Country-Sängerin Bobbie Gentry das Album<br />
BOBBIE GENTRY & GLEN CAMP-<br />
BELL, das durch seine Stilvielfalt – mit<br />
Songs aus den Bereichen Country, Pop und<br />
Folk – sowohl in den Country-Charts (#1)<br />
als auch in den Billboard Pop-Charts (#11)<br />
höchst erfolgreich war. Als Bonus-Track<br />
ist der 1970 aufgenommene Hit der Everly<br />
Bro<strong>the</strong>rs “All I Have To Do Is Dream”<br />
Seite 62 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>