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CD<br />
REVIEWS<br />
DORO<br />
RAISE YOUR FIST<br />
Für ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum hat sich<br />
die blonde Metalqueen mit ihrem zwölften<br />
Solostudiowerk mit einigen Arenahymnen<br />
selbst beschenkt, bei denen sie kräftig nach<br />
vorne rockt. Natürlich gibt es einige der<br />
bei Frau Pesch unvermeidlichen Balladen<br />
(bei “It Sills Hurts” wieder mal ein Duett<br />
mit Kumpel Lemmy Kilmister), dazu die<br />
obliga<strong>to</strong>rische deutsch gesungene Nummer<br />
sowie mit “Freiheit (Human Rights)” eine<br />
deutsch-englische Nummer, die nicht nur<br />
gängige Klischees aufgreift. Wobei man<br />
Doro zugute halten muss, dass sie auf positive<br />
Liebes- und Freundschaftsbotschaften<br />
setzt, nicht auf metallische Düsterkeit.<br />
RAISE YOUR FIST präsentiert Doro, wie<br />
man sie seit ihren Anfangszeiten mit Warlock<br />
kennt und schätzt, ohne Anspruch auf<br />
Originalitätspreise, dafür mit überaus solidem<br />
Rock- und Metal-Handwerk.<br />
(Nuclear Blast/Warner, 2012, 13/52:09) pro<br />
THE COSMIC GARDEN<br />
SUN SECRETS<br />
Krautrock mit Ambient/Electronic<br />
zu<br />
vermischen ist nichts<br />
Neues. Aber den beiden<br />
Musikern Tibor<br />
Fredmann und Sigi<br />
Hümmer, die hinter<br />
The Cosmic Garden stehen, geht es mit ihrem<br />
Debüt SUN SECRETS auch weniger<br />
darum, neue Pfade zu erschließen, vielmehr<br />
richten sie ihr Augenmerk darauf, die Hörer<br />
mit ihrer Musik auf einen Streifzug durch<br />
vielschichtige, psychedelische Klanguniversen<br />
mitzunehmen. Das tun sie ohne<br />
Frage gekonnt und lassen keinen Zweifel<br />
darüber aufkommen, wer ihre Lehrmeister<br />
waren: Bands wie Can, Popol Vuh, Tangerine<br />
Dream, Agitation Free oder Amon<br />
Düül. Mit Synthies, Keyboards, Mellotron,<br />
Bass, Drums und Gitarren aller Art wird<br />
der Soundteppich gelegt, auf dem dann<br />
– je nach Bedarf – Sitar, Glockenspiel,<br />
Piano, Perkussion, verfremdete Stimmen<br />
oder Field Recordings für unterschiedliche<br />
Stimmungen sorgen. Dabei lassen sie ihren<br />
Reisen die notwendige Zeit, geraten nie in<br />
Hektik, bieten die passende Beschallung<br />
für eine knappe Stunde Auszeit vom hektischen<br />
Alltag.<br />
(Hyper Fac<strong>to</strong>ry Records, 2012, 8/54:00) us<br />
SON OF A BITCH<br />
VICTIM YOU<br />
1974 hatten Gitarrist Graham Oliver und<br />
Bassist Steve Dawson die Band Son Of<br />
A Bitch gestartet, aus der mit Saxon eine<br />
der Ikonen der New Wave Of British Heavy<br />
Metal hervorging. 1994 mussten beide<br />
dort gehen, formierten aber umgehend mit<br />
Saxon-Mitstreiter Pete Gill (dr; Ex-Glitter<br />
Band, später Motörhead), Sänger Ted Bullet<br />
(Thunderhead) und Gitarrist Haydn<br />
Conway eine neue Combo unter dem alten<br />
Namen. Ihr 1996er Debüt, das jetzt mit dem<br />
Bonus-Track “Running Away” neu aufgelegt<br />
wurde, erinnert mit dem druckvollen<br />
wie riffigen und doch melodischen Gitarrenspiel<br />
sowie Donnerdrums über weite<br />
Strecken an Saxon, weist allerdings auch<br />
einige komposi<strong>to</strong>rische Durchhänger auf.<br />
Insgesamt aber immer noch ordentlich und<br />
für NWOBHM-Fans eine Pflichtnummer.<br />
Anspieltipps: “More For Me”, “Past The<br />
Point” oder “Victim You”.<br />
(Angel Air/Fenn, 1996, 12/53:58) pro<br />
SEX PISTOLS<br />
NEVER MIND THE BOLLOCKS –<br />
DELUXE EDITION<br />
Wäre<br />
interessant<br />
zu wissen, wer<br />
von den Sex Pis<strong>to</strong>ls<br />
1977 daran<br />
geglaubt<br />
hätte,<br />
dass 2012, also<br />
35 <strong>Jahre</strong> später,<br />
ihr NEVER MIND THE BOLLOCKS die<br />
Ehre einer Deluxe Edition erhalten würde.<br />
Die Wucht, mit der dieses Album den Punk<br />
von Großbritannien aus in die ganze Welt<br />
rotzte, die naiv dilettantische Produktion,<br />
die auch nach Hunderten von Tape-<strong>to</strong>-tape-<br />
Kopien nichts von ihrer Ursprünglichkeit<br />
verlor, und letztendlich Songs für die Ewigkeit<br />
beeinflussen bis heute junge Musiker,<br />
haben für einen Meilenstein der Musikgeschichte<br />
gesorgt. Die Deluxe-Ausgabe enthält<br />
das Album, das von den erst kürzlich<br />
wiederentdeckten Originalbändern gemastert<br />
wurde und deren druckvoller Klang<br />
den der 80er-<strong>Jahre</strong>-CD-Version um Längen<br />
schlägt, inklusive der vier Single-B-Seiten.<br />
Auf einer zweiten CD gibt es – trotz „Full<br />
Soundboard Recording” eher in Bootleg-<br />
Qualität – den Mitschnitt eines S<strong>to</strong>ckholmer<br />
Sex-Pis<strong>to</strong>ls-Konzertes vom Juli 1977<br />
sowie drei Songs, die bei einem Auftritt<br />
in Cornwall mitgeschnitten wurden. Deluxe<br />
auch das voluminöse Booklet mit<br />
Geschichte der Band, massenhaft O-Tönen<br />
von John Lydon & Co. sowie ausführlichen<br />
Song-By-Song-Infos. Deluxe!<br />
(Universal, 1977, 16/55:19, 14/54:57) us<br />
ALICE COOPER + BOOKER<br />
T. & THE MG’S + FLEET-<br />
WOOD MAC + THE<br />
REPLACEMENTS<br />
ORIGINAL ALBUM SERIES<br />
Wie gewohnt sind die einzelnen CDs der vier<br />
jetzt erschienenen, neuen Boxen der ORIGI-<br />
NAL ALBUM SERIES in LP-Replica-Pappschubern<br />
verpackt, zusammengehalten von<br />
einem Schuber, auf dessen Rückseite noch<br />
einmal alle Titel aufgeführt sind. Ohne Frage<br />
klassisch die Auswahl der Alice-Cooper-Alben,<br />
chronologisch geht es vom 1969er Debüt<br />
PRETTIES FOR YOU über EASY ACTION,<br />
LOVE IT TO DEATH und KILLER bis zum<br />
ersten großen Erfolg, dem 1972 veröffentlichten<br />
SCHOOL’S OUT (USA #2, D #3). Auch<br />
für die Box von Booker T. & The MG’s wurden<br />
mit GREEN ONIONS, SOUL DRES-<br />
SING, AND NOW!, HIP HUG-HER und<br />
DOIN’ OUR THING die ersten fünf Alben<br />
der Memphis-Soulband ausgesucht, nur das<br />
1966er Weihnachtsalbum IN THE CHRIST-<br />
MAS SPIRIT und BACK TO BACK, der<br />
Livemitschnitt aus dem Jahr 1967, wurden<br />
übersprungen. Bei LP Nummer drei, dem<br />
1969 veröffentlichten THEN PLAY ON,<br />
steigt die Zusammenstellung von Fleetwood<br />
Mac ein, präsentiert dann die drei aufeinanderfolgenden<br />
Longplayer KILN HOUSE,<br />
FUTURE GAMES und BARE TREES, bevor<br />
dann mit MYSTERY TO ME die stärkere<br />
von zwei 1973 veröffentlichten LPs die Box<br />
beschließt – ausgespart wurde PENGUIN.<br />
Fast zehn <strong>Jahre</strong> später veröffentlichten die<br />
Replacements aus Minneapolis, deren enormer<br />
Einfluss auf viele Alternative-Rockbands<br />
umgekehrt proportional zu ihren Plattenverkäufen<br />
war, ihr Debüt SORRY MA, FOR-<br />
GOT TO TAKE OUT THE TRASH. Über<br />
HOOTENANNY, LET IT BE und TIM geht<br />
es bis ins Jahr 1987, als sie mit PLEASED TO<br />
MEET ME ihr fünftes von insgesamt sieben<br />
Alben veröffentlichten. Also wieder einmal<br />
ideale und preisgünstige Gelegenheiten, sträfliche<br />
Sammlungslücken zu füllen!<br />
(Rhino/Warner, 2012, jeweils 5 CDs) us<br />
PAUL BRADY<br />
DANCER IN THE FIRE –<br />
A PAUL BRADY ANTHOLOGY<br />
Unter eigenem Namen<br />
hat der irische<br />
Folk -Rocker Paul<br />
Brady rund zwei<br />
Handvoll<br />
Alben<br />
veröffentlicht,<br />
die<br />
komplett wohl nur<br />
bi bei erpichten iht Fans im Regal stehen. Aber<br />
dieser prächtige Doppeldecker gehört in<br />
jede anständige Folk-Rocksammlung! Abgesehen<br />
davon, dass ausgerechnet vom<br />
starken Album SPIRITS COLLIDING<br />
(1995) kein Track dabei ist, gibt es hier<br />
keinen ernsten Einwand. Brady hat seinen<br />
sorgfältig ausgearbeiteten, nach allen Seiten<br />
umsichtig abgesicherten Stil über all<br />
die <strong>Jahre</strong> seit 1978 nur wenig verändert.<br />
Experimente sind nicht seine Baustelle,<br />
lieber verlässt er sich auf die ohrwürmige<br />
Qualität seiner Kompositionen (sowie dreier<br />
Traditionals und des Hank-Williams-<br />
Klassikers “You Win Again”), be<strong>to</strong>nt je<br />
nach den Erfordernissen der Songs mal<br />
die kontrolliert rockige, mal die verhalten<br />
melancholisch folkige Seite. Zudem ist er<br />
ein konstant zuverlässiger Klassesänger<br />
und Multi-Instrumentalist, der vor allem<br />
als Gitarrist vielseitiges Können vorweisen<br />
kann. All diese mehr als soliden Qualitäten<br />
machen Songs wie “Crazy Dreams”, “Hard<br />
Station”, “Dancer In The Fire” “The Road<br />
To The Promised Land” – alle von seinem<br />
besten Album HARD STATION (1981)<br />
– , “The Game Of Love”, “Sail Sail On”,<br />
“Steel Claw”, “Steal Your Heart Away”, “I<br />
Am A Youth That’s Inclined To Ramble”<br />
und “Walk The White Line” zu völlig zeitlosen<br />
Vergnüglichkeiten. Abgerundet wird<br />
die Edition durch ein 20-seitiges Booklet<br />
mit Track-By-Track-Anmerkungen von<br />
Brady selbst.<br />
(Proper/Rough Trade 2012, 11/55:23,<br />
11/53:41) hjg<br />
Rock<br />
LOS LOBOS<br />
BY THE LIGHT OF THE<br />
MAGICAL MOON<br />
Nach ihrem großen 80er-<strong>Jahre</strong>-Hit “La<br />
Bamba” flutschte das Nachfolge-Album<br />
und brachte den Tex-Mex-Protagonisten<br />
endlich die ihnen gebührende Anerkennung.<br />
Produziert von T-Bone Burnett,<br />
schmiedeten Los Lobos einen packenden,<br />
ungemein tanzbaren Sound, bei dem besonders<br />
die Rhythmussektion für ordentlich<br />
Druck sorgte. Das Spektrum reicht<br />
von geschmackvoll mit Gitarren verzierten<br />
Shuffle (“One Time One Night”) über eine<br />
klassisch mexikanische Schmachtballade<br />
(“Prenda Del Alma”) über Tanzbodenfüller<br />
(“Set Me Free (Rosa Lee)”) bis hin<br />
zu einem offensiveren Blues-Track (“My<br />
Baby’s Gone”). Abwechslungsreich und ein<br />
Garant für gute Laune. Die aktuelle Mobile-<br />
Fidelity-Ausgabe erscheint in einem Digisleeve,<br />
das ein Booklet mit sämtlichen Texten<br />
enthält. In Bezug auf den Sound wurden<br />
die früher unangenehmen Höhen gekappt<br />
und der Gesamtdruck erhöht – sehr angenehm.<br />
(Mobile Fidelity/Sieveking Sound,<br />
1987, 11/<strong>40</strong>:43) at<br />
KROKUS<br />
METAL RENDEZ-VOUS + HARD-<br />
WARE + ONE VICE AT A TIME<br />
Erstmals mit Sänger<br />
Marc S<strong>to</strong>race nahmen<br />
Krokus, die 1975<br />
gegründeten Schweizer<br />
Riffrocker mit<br />
Metal-Affinität, 1980<br />
ihr vierte LP METAL<br />
RENDEZ-VOUS auf und wurden damit<br />
auch international wahrgenommen. Inklusive<br />
des Vorwurfs einer allzu großen Nähe<br />
zu AC/DC, doch diese Kritik traf nur teilweise<br />
zu. Auch Elemente der damals neuen<br />
britischen Metalwelle und traditionelle<br />
Hard-Rockeinflüsse fanden bei Krokus<br />
Niederschlag. Auf HARDWARE griffen<br />
die Schweizer 1981 allzu viele Klischees<br />
und bekannte Versatzstücke auf, lieferten<br />
mit ONE VICE ... dann aber wieder eigenständigere<br />
Songs mit einem gehörigen Maß<br />
Kommerzialität, so dass Krokus selbst den<br />
schwierigen US-Markt knackten. Alle drei<br />
Scheiben sind jetzt preiswert in der sparsam<br />
gestalteten Serie „Original Album Classics”<br />
im Pappschuber wieder erhältlich.<br />
(Sony <strong>Music</strong>, 1980 + 1981 + 1982,<br />
10/43:36 + 9/37:39 + 9/36:36) pro<br />
ROBERT LAMM<br />
LIVING PROOF<br />
67 ist Robert Lamm inzwischen, mit Chicago<br />
hat er Rockgeschichte geschrieben<br />
– und dieser Hintergrund ist auch auf seinem<br />
zwölften Solo-Album unschwer herauszuhören.<br />
Satte Bläser schmettern oder<br />
schleichen gefällig durch seine Songs, die<br />
mal Westcoast-Flair aufweisen, dann funky<br />
tänzeln, ehe sie AOR-mäßig pulsieren oder<br />
durch Jazztupfer aufgelockert werden.<br />
Manchmal tun sie dies allerdings einen<br />
Tick zu gefällig (und die meist zum Einsatz<br />
kommenden Drumcomputer-Rhythmen<br />
kämen mit echtem Schlagzeug besser zur<br />
Geltung); zwischendurch überrascht Lamm<br />
mit unerwarteten (Streicher-)Breaks – und<br />
mit der reichlich zu hörenden Zosia hat<br />
er eine starke Sangespartnerin an der Seite,<br />
die neugierig macht auf mehr aus ihrer<br />
Kehle. Insgesamt ein richtig ordentliches,<br />
abwechslungsreiches Pop-Rockalbum für<br />
Erwachsene.<br />
(Blue Infinity/Import, 2012, 10/36:45) pro<br />
FRANK MARINO<br />
THE POWER OF ROCK’N’ROLL /<br />
JUGGERNAUT<br />
Die Rockmusik wiederholt sich in Zyklen.<br />
Da passt die Wiederveröffentlichung zweier<br />
Alben des Gitarrenvirtuosen Frank Marino<br />
während eines Blues-Rockbooms bestens<br />
in die Zeit. Mit seinen ersten beiden Soloscheiben<br />
ohne seine langjährige Begleit-<br />
Seite 50 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>