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LP<br />
AGITATION FREE<br />
MALESCH + 2ND<br />
REVIEWS<br />
Nach hder CD-Wiederveröffentlichung der beiden<br />
ersten Alben der Krautrockband Agitation<br />
bi<br />
Free vor vier <strong>Jahre</strong>n legt nun das Label MiG<br />
mit schön edierten, klanglich guten Vinylausgaben<br />
nach. MALESCH (1972) und 2ND<br />
(1973) rechnen Kenner zu den besten Werken<br />
des frühen Krautrock. MALESCH entstand,<br />
nachdem die Berliner Combo auf Einladung<br />
des Goe<strong>the</strong>-Instituts durch Ägypten, Libanon,<br />
Zypern und Griechenland ge<strong>to</strong>urt war. Der<br />
Trip gen Osten hinterließ Eindruck bei den<br />
Musikern, mitunter sind Ethno-Instrumente<br />
oder arabische Tonskalen zu hören. Allerdings<br />
gehen Agitation Free in ihrer Verschmelzung<br />
von Ost und West nicht so weit wie etwa Embryo<br />
auf ihren Goe<strong>the</strong>-Institut-Tourimpressionen<br />
EMBRYO’S REISE. Die Musik ist eher<br />
als frei fließender, von jazzigen Grooves getragener<br />
Electric Space-Rock zu beschreiben.<br />
Diesem Konzept blieben die Mannen um den<br />
Gitarristen Lutz „Lüül” Ulbrich (heute bei den<br />
17 Hippies) auch auf 2ND weitgehend treu.<br />
Allerdings brachte der neue zweite, Jazz- und<br />
Westcoast-versierte Gitarrist Stephan Diez,<br />
der für Jörg Schwenke kam, einen neuen<br />
Sound ein. Den Improvisationen der Gitarrendoppelspitze<br />
Ulbrich/Diez haftet eine sonnige<br />
Leichtigkeit an, die an die kalifornischen<br />
Quicksilver Messenger Service erinnert. Insgesamt<br />
ist 2ND das rundere Album der beiden<br />
Krautrock-Meisterwerke.<br />
(MiG/Intergroove, 1972 + 1973,<br />
7/<strong>40</strong>:01 + 7/41:37) frs<br />
JETHRO TULL<br />
THICK AS A BRICK 1 & 2<br />
1972 veröffentlichten<br />
Jethro Tull mit<br />
THICK AS A TRICK<br />
ihr fünftes Album –<br />
mit einem einzigen,<br />
44 Minuten langen<br />
Song. Gedacht war<br />
es als Persiflage auf den „Konzeptalbum-<br />
Wahn”, den Frontmann Ian Anderson bei<br />
ihrem letzten Werk, AQUALUNG, den Kritikern<br />
bescheinigte. Folglich überzeichneten<br />
Jethro Tull alle (musikalischen) Kennzeichen<br />
eines Konzeptalbums und erfanden<br />
dazu noch eine unglaubwürdige S<strong>to</strong>ry über<br />
ein episches Gedicht, das von einem Achtjährigen<br />
namens Gerald Bos<strong>to</strong>ck stammen<br />
sollte. „If <strong>the</strong> critics want a concept album<br />
we’ll give <strong>the</strong> mo<strong>the</strong>r of all concept albums<br />
and we’ll make it so bombastic and so over<br />
<strong>the</strong> <strong>to</strong>p”, so Ian Anderson 2009. Das Ganze<br />
muss der Band aber so viel Spaß gemacht<br />
haben, dass sie im April dieses <strong>Jahre</strong>s mit<br />
THICK AS A BRICK 2 (Review Good-<br />
Times 3/2012) der Geschichte um Gerald<br />
Bos<strong>to</strong>ck ein zweites Kapitel anhängten. Beide<br />
Alben als hochwertige 180g Pressungen<br />
(remastert von Steven Wilson), dazu ein<br />
80-seitiges Buch voller Bilder, Zeitungsausschnitte,<br />
Tourberichte, Studio-Erinnerungen,<br />
Songtexte (u.a. auch in der deutschen Übersetzung)<br />
und (echte und fiktive) Interviews.<br />
Daneben erscheint das Album auch als <strong>40</strong>TH<br />
ANNIVERSARY SET, bei dem die remasterte<br />
Platte als CD sowie als Audio-DVD in<br />
zahlreichen audiophilen Abmischungen enthalten<br />
ist und das Begleitbuch gleichzeitig<br />
vom LP- auf DIN A5-Format schrumpfte.<br />
(EMI, 2012, 2 LPs)<br />
us<br />
FLEETWOOD MAC<br />
THE PIOUS BIRD OF GOOD<br />
OMEN<br />
Eigentlich war THE<br />
PIOUS BIRD OF<br />
GOOD OMEN gar<br />
kein „richtiges” Album<br />
von Fleetwood<br />
Mac. Vielmehr wurden<br />
auf dieser 1969<br />
veröffentlichten LP die ersten vier UK-Singles<br />
(inkl. B-Seiten) sowie zwei Stücke zusammengefasst,<br />
bei denen Peter Green (voc, g, harp),<br />
Jeremy Spencer (voc, g, p), Danny Kirwan (g),<br />
John McVie (b) und Mick Fleetwood (dr) vom<br />
amerikanischen Bluesmusiker Eddie Boyd<br />
unterstützt wurden. So erklärt sich auch die<br />
hohe musikalische Qualität dieser LP, die im<br />
Nachhinein ja nichts anders ist als eine (zugegebenermaßen<br />
sehr frühe) „Best Of”, die neben<br />
selbst verfassten, erfolgreichen Titeln wie<br />
“Albatross” und “Black Magic Woman” auch<br />
klassischen Blues(-Rock) von Elmore James<br />
und Eddie Boyd präsentiert. Die Tonqualität<br />
der 180g-Pressung ist trotz altersbedingter Patina<br />
unglaublich transparent, schließt man die<br />
Augen, könnte man meinen, Mick Fleetwood<br />
hätte seine Hi-Hat direkt vor einem im heimischen<br />
Wohnzimmer, aufgebaut.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1969,<br />
12 Tracks) us<br />
THELONIOUS MONK<br />
IT’S MONK TIME<br />
Unberechenbar,<br />
exzentrisch,<br />
manisch<br />
und grenzüberschreitend<br />
– alles Adjektive,<br />
die auf einen der<br />
wichtigsten Jazzmusiker<br />
des 20. Jahrhunderts<br />
zutreffen, der besonders durch seine<br />
Konzentration auf dissonante Harmonien<br />
bei Genrefans ankam. Doch erst ab 1962,<br />
nachdem er mit Columbia einen Vertrag abgeschlossen<br />
hatte, ereichte er ein größeres<br />
Publikum. Zusammen mit Charlie Rouse (ts),<br />
Butch Warren (b) und Ben Riley (dr) spielte<br />
der legendäre Pianist zwischen Januar und<br />
März 1964 eines seiner wohl bekanntesten<br />
Werke ein – IT’S MONK TIME. Hier konnte<br />
er sich aufgrund der gemäßigten Melodieführung<br />
ein neues Publikum erspielen, ohne<br />
es dabei an rhythmischer Komplexität fehlen<br />
zu lassen (“Lulu’s Back In Town”). Subtilität<br />
beim Songwriting (“Memories Of You”) gepaart<br />
mit swingenden Songs (“Stuff Turkey”)<br />
stehen für die gekonnte Gratwanderung zwischen<br />
seinen vielen Welten. Erstklassig!<br />
(Speakers Corner, 1964, 6 Tracks) at<br />
ANN PEBBLES<br />
STRAIGHT FROM THE HEART<br />
Ann Pebbles? Der<br />
Name der schwarzen<br />
Sängerin wird vielen<br />
zuerst nichts sagen,<br />
doch ihr erster großer<br />
Hit “I Can’t Stand The<br />
Rain” (nicht auf der<br />
Platte enthalten), der einige <strong>Jahre</strong> später von<br />
der Disco-Combo Eruption in die Charts gehievt<br />
wurde, hat eine erstaunlich hohe Halbwertszeit<br />
bewiesen. Auf ihrem 72er-Album<br />
gibt sich die Dame mit der beseelten Stimme<br />
recht bodenständig und zelebriert Black <strong>Music</strong>,<br />
wie die Hörer des Stils es lieben. Bei “I<br />
Feel Like Breaking Up Somebody’s Home<br />
Tonight” taucht sie in Soulgefilde ab, wohingegen<br />
“Trouble, Heartaches & Sadness”<br />
durch das geschmackvoll arrangierte Orchester<br />
gefällt. Als Anspieltipp kann “I Pity The<br />
Fool” genannt werden, denn hier zeigt sie ihre<br />
stimmliche Ausdruckskraft in vollem Umfang.<br />
Empfehlung!<br />
(Speakers Corner, 1972, 10 Tracks) at<br />
BILLY JOEL<br />
PIANO MAN<br />
Der Titel eines seiner<br />
erfolgreichsten (und<br />
immer noch besten)<br />
Alben wurde für Billy<br />
Joel schnell zum<br />
Spitznamen: PIANO<br />
MAN. Erwartet hatte<br />
man so ein Meisterwerk 1973 allerdings<br />
nicht. Denn nach dem relativ erfolglosen<br />
Debüt COLD SPRING HARBOUR und<br />
den daraus resultierenden Streitigkeiten<br />
mit seiner alten Plattenfirma wechselte<br />
Joel zum Branchenriesen Columbia. Und<br />
dort stellte man ihm mit Banjo-Ass Eric<br />
Weissberg, der Elvis-Presley-Rhythmusfraktion,<br />
bestehend aus Schlagzeuger Ronnie<br />
Tutt und Bassist Emory Gordy, sowie<br />
dem Gitarristen Larry Carl<strong>to</strong>n, Dean Parks<br />
und Richard Bennett die idealen Mitstreiter<br />
an die Seite, um seine edlen Songs zwischen<br />
Singer/Songwriter-Pop und Country<br />
passend zu instrumentieren. Herausragend,<br />
neben dem Titeltrack, immer noch “The<br />
Ballad Of Billy The Kid”, bei dem Joel<br />
den Outlaw mit gleichem Vornamen zwar<br />
his<strong>to</strong>risch unkorrekt, aber – besonders im<br />
letzten Vers – mit deutlich au<strong>to</strong>biografischen<br />
Bezügen schildert. Ein Meisterwerk,<br />
das durch die audiophile 180g-Pressung<br />
besser als je zuvor klingt.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1973,<br />
10 Tracks) tk<br />
ALCATRAZ<br />
VAMPIRE STATE BUILDING<br />
Die<br />
Hamburger<br />
hatten als Blues-<br />
Rock-Coverband begonnen,<br />
wechselten<br />
dann 1971 auch für<br />
ihr einziges Album<br />
zu<br />
progressiven,<br />
jazz-rockigen Eigengewächsen, die für das<br />
Publikum gewöhnungsbedürftig sein mochten,<br />
aber sicherlich einen größeren Sog auslösten<br />
als weitere Savoy-Brown-Anleihen.<br />
Manches klingt scheppernd, weniger ausgereift<br />
– so folgt im Opener “Simple Headphone<br />
Mind” auf eine ansprechende Herbie-<br />
Mann-Passage eine persiflierte Blaupause<br />
der ersten Blackmore-Breitseite in Deep<br />
Purples CONCERTO FOR GROUP AND<br />
ORCHESTRA: interessant allemal. Neben<br />
drei kürzeren Titel präsentieren Rüdiger<br />
Berghahn (voc, p), Klaus Holst (g), Klaus<br />
Nagurski (fl, sax) und Ronald Wilson (b)<br />
im 13-minütigen Titelopus auf dem Friedhof<br />
eine gar dürre Schöne im Negligé, die<br />
Vinyl<br />
sich zu allerlei Quälereien anschickt – angereichert<br />
mit Amon-Düül-esken instrumentalen<br />
Breitseiten mit Tempowechseln<br />
und Schlagzeugsolo von Jan Rieck. Ansprechendes<br />
Zeitdokument.<br />
(Malesch/Long Hair <strong>Music</strong>, 1971,<br />
5 Tracks) utw<br />
J.J. CALE<br />
COLLECTED<br />
Einen echten Schatz<br />
hält man mit dieser<br />
Dreifach-LP in Händen,<br />
sowohl was die<br />
Aufmachung<br />
als<br />
auch was den Inhalt<br />
angeht. Von den ursprünglich<br />
h60T Tracks der 2006er CD-Version<br />
sind immerhin noch 49 übriggeblieben,<br />
eine Reduktion, die durch die exzellente<br />
Tonqualität der audiophilen 180g-Scheiben<br />
mehr als wettgemacht wird. Natürlich<br />
stammt das Gros der Auswahl aus den<br />
70ern und frühen 80ern, wer wie J.J. Cale<br />
in dieser Zeit Songs wie “After Midnight”,<br />
“Call Me The Breeze”, “Changes”, “Cocaine”,<br />
“Carry On” oder “Cajun Moon”<br />
geschrieben und veröffentlicht hat, wer<br />
dazu noch in den 90er <strong>Jahre</strong>n mit vielbeachteten<br />
Spätwerken und Kollaborationen<br />
seine Klasse bewies, der kann ohne Probleme<br />
mehrere LPs mit hochklassigem<br />
Material füllen. Eine seltene Ausnahme<br />
auch das mehrseitige, LP-große Booklet,<br />
das COLLECTED beiliegt. Neben einer<br />
kurzen Einführung in Cales Werk lädt es<br />
mit Songlisten und großformatigen Bildern<br />
zum entspannten Blättern ein.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 2006,<br />
3 LPs, 49 Tracks) us<br />
HARRY NILSSON<br />
SON OF SCHMILSSON<br />
Auch in den 70er <strong>Jahre</strong>n<br />
funktionierte das<br />
Musikbusiness nach<br />
der alten Regel „Never<br />
change a winning<br />
team”. So forderte<br />
die Plattenfirma von<br />
Harry Nilsson einen möglichst schnellen<br />
Nachfolger zu seinem 1971er Erfolgsalbum<br />
NILSSON SCHMILLSON. Möglichst<br />
mit ähnlichem Titel – der mit SON OF<br />
SCHMILSSON schnell gefunden war –,<br />
und natürlich mindestens genauso guter Musik.<br />
Doch da kannten die Plattenbosse den<br />
exzentrischen Amerikaner scheinbar nicht<br />
gut genug, sonst hätten sie eigentlich wissen<br />
müssen, dass der sein Hauptaugenmerk<br />
noch nie auf unbedingten kommerziellen<br />
Erfolg gelegt hatte. Mit einer namhaften Musikerschar,<br />
darunter Nicky Hopkins, Chris<br />
Spedding, George Harry-son (!), Richie<br />
Snare (aka Ringo Starr), Klaus Voormann,<br />
Peter Framp<strong>to</strong>n und Lowell George macht<br />
sich Harry Nilsson im Laufe des Albums auf<br />
eine bizarre Reise durch orchestralen Singer/<br />
Songwriter-Pop, verzerrte Rock’n’Roll-Kracher,<br />
schräge, Akkordeon-unterstützte Chormusik<br />
und allerlei andere, spleenige Klangexperimente.<br />
Neben dickem 180g-Vinyl<br />
liefert diese Wiederveröffentlichung auch<br />
das originale 60x90-cm-Poster, auf dessen<br />
Rückseite genug Platz für alle Songtexte ist.<br />
(<strong>Music</strong> On Vinyl/Cargo, 1972,<br />
11 Tracks) tk<br />
Seite 56 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>