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Live in Concert<br />
Van Morrison<br />
Vokalarbeiter in Ekstase<br />
Van Morrisons Auftritte bleiben erfrischend unkalkulierbar.<br />
Der Meister wählte aus 78 Songs, die seine Band auf<br />
Abruf beherrschen muss, zunächst ein paar R&B-Perlen<br />
aus der Them-Zeit der Mittsechziger aus. Nach dem<br />
Opener "Brown Eyed Girl" gab es "Baby, Please Don't<br />
Go", "Here Comes The Night", es folgten "Early In The<br />
Morning" und "Rock Me Baby". Der als grantig bekannte<br />
Nordire wirkte aufgekratzt und bei Laune, er ließ sich zu<br />
witzigen Ansagen wie „Jetzt was wie von Bert Kaempfert<br />
..." hinreißen. Und Morrison zeigte Einsatz, geizte auch<br />
nicht mit herrlich saftigen Sax-Einlagen, akzentuiertem<br />
Mundharmonika-Spiel, und er setzte sich ans Piano.<br />
Doch es dreht sich bekanntlich fast alles um seine Stimme.<br />
Zeitweise hielt Morrison Maß und Übersicht, da er –<br />
wie immer – noch per Fingerzeig seine virtuose (aber mit<br />
dringend gebotenem Respekt agierende) Band dirigieren<br />
musste. Doch Leidenschaft und Emotionen brachen immer<br />
wieder durch, es war ein Kampf: Er, den Fans „The<br />
Voice" nennen, er schrie, bellte, keuchte, flüsterte. Morrison<br />
stellte Songs vom neuen Album BORN TO SING:<br />
NO PLAN B vor, brillierte mit Standards wie "I Can't S<strong>to</strong>p<br />
Loving You" und (mit Tochter Shana) "Old Black Magic".<br />
Donny & Marie Osmond<br />
Superstars, Marke USA<br />
Was zeichnet einen Superstar aus? Um diese Frage zu beantworten, sollte man<br />
sich von den in Deutschland geltenden Parametern zu diesem Begriff schleunigst<br />
verabschieden. In den USA gelten andere Dimensionen. Donny und Marie<br />
Osmond zum Beispiel sind Superstars. Nicht etwa, weil sie seit Mitte September<br />
fünfmal pro Woche den Showroom im Flamingo-Hotel ausverkaufen. Vielmehr<br />
können die Geschwister aus dem Osmond-Clan wahrhaftig alles. Vor allem Marie.<br />
Traumwandlerisch sang sie sich an diesem Abend durch Country-Songs,<br />
<strong>Music</strong>al-Arien und Pop-Perlen, schwelgte in warmen Alt-Tönen, stieg in glasklares<br />
Sopran-Vibra<strong>to</strong> hinauf. Donny ist stimmlich limitierter, hatte aber nicht<br />
die geringste Mühe, jede Note auf den Punkt zu treffen. Und er kann rocken.<br />
Seine 89er Comeback-Nummer "Soldier Of Love" kam im neuen, druckvolleren<br />
Gewand, und der Osmonds-Hit "Crazy Horses" behielt trotz fetter<br />
Bläsersätze unverkennbar seinen Hard-Rock-Touch.<br />
Getanzt wurde praktisch pausenlos. Donny sah mit seinen 54 <strong>Jahre</strong>n dabei<br />
blendend aus und ließ die gutgemeinten Hänseleien seiner Schwester wegen<br />
der 2009 von ihm gewonnenen TV-Show „Dancing With The Stars"<br />
gern über sich ergehen. Marie (52) gab sich elegant, plumpste sich für einen<br />
Gag aber auch schon mal bäuchlings aufs Parkett. Überhaupt: Humor<br />
spielte bei dem Duo eine wesentliche Rolle. Wo es passte, wurde gewitzelt,<br />
dass sich das Publikum vor Lachen bog.<br />
Die Interaktion mit den Fans war hinreißend. Zwischen liebevoll und<br />
dankbar suchten die Geschwister immer wieder den Dialog mit auffälligen<br />
Typen in den ersten Reihen, reichten ihre Hände oder stiegen über Tische.<br />
Auch herzliche Umarmungen und vertraulich anmutenden Körperkontakt,<br />
indem sie singend auf den Schößen aufgeregt-rotwangiger Anhänger<br />
landeten, scheuten sie nicht. Rührend die Szene, als Donny eine Endvierzigerin<br />
auf die Bühne holte, die sich als Uralt-Fan outete und beim Entgegennehmen<br />
eines Au<strong>to</strong>gramms in Tränen ausbrach. Erinnerungen an Schrei-Anfälle aus den<br />
Frühsiebzigern wurden wach, als die Mädchen reihenweise in Ohnmacht fielen,<br />
wenn Donny damals sein "Puppy Love" anstimmte. In Las Vegas ließen sich die<br />
Backfische von einst und Damen von heute im Flamingo bereitwillig zu Kreischattacken<br />
animieren, als Donny diesen akustischen Nostalgietrip einforderte.<br />
Edelschnulzen wie "Paper Roses" oder "Deep Purple" gab das Paar mit einem<br />
Augenzwinkern zum Besten; Kostproben aus jenen <strong>Music</strong>alaufführungen, in<br />
Düsseldorf, Mitsubishi Halle, 13. September 2012<br />
denen vor allem Donny über die<br />
<strong>Jahre</strong> immer wieder mitgewirkt<br />
hatte, kamen voller Inbrunst.<br />
Als „Dirty Joke" bezeichnete der<br />
Sänger im Nachhinein die Ankündigung,<br />
er habe es geschafft, seine<br />
Brüder für einen Auftritt nach<br />
Vegas zu lotsen. Und als die freudige<br />
Unruhe immer größer wurde,<br />
erschienen Backgroundsänger auf<br />
der Bühne, die mit dem<br />
Spätestens, als "Enlightenment" den eher elegischen<br />
Part einläutete, kulminierte die Spannung: Mit "It's All<br />
In The Game" und "Burning Ground" sang er sich endgültig<br />
in Herz und Seele der Fans; "In The Garden" war<br />
an Schönheit und Intensität kaum auszuhalten. Momente<br />
absoluter Stille in der Halle, in denen niemand<br />
einen Mucks wagte – Hochachtung vor dem Vokalarbeiter,<br />
der sich immer wieder in Ekstase sang und alle<br />
Kraft in seine Stimme und auch seine Faust presste, mit<br />
der er wiederholt gen Boden schlug. Unfassbar wertvolle<br />
Momente.<br />
Dann musste selbst der Großmeister auf den Boden<br />
zurück. Nach einem erdigen "Help Me" folgt mit<br />
"Gloria" als fetzige Zugabe ein weiterer Griff in den<br />
Fundus aus den Tagen, als er mit Them noch der rothaarige<br />
"Belfast Cowboy" war. Van Morrison kämpft<br />
vielleicht noch mit Dämonen und hadert mit der Welt<br />
– dies jedoch fließt nach wie vor in seine Kunst und<br />
Poesie ein, wird spannend in Form gebracht und zielsicher<br />
präsentiert.<br />
Text: Peter Harasim, Fo<strong>to</strong>: Thomas Brill<br />
Las Vegas, Flamingo-Hotel, 21. September 2012<br />
Star „Yo Yo" in den legendären<br />
70er-<strong>Jahre</strong>-Tanzschritten aufführten.<br />
Aber nicht nur Nostalgie<br />
wurde transportiert – unterstützt<br />
durch stimmige Leinwandeinspieler<br />
–, auch neues Material kam zu<br />
Gehör. "A Beautiful Life" zum Beispiel.<br />
Der Song stammt von DON-<br />
NY & MARIE, dem aktuellen Album<br />
des sympathischen Duos.<br />
Für einen stillen Moment sorgte<br />
schließlich Marie, als sie an ihren Adoptivsohn erinnerte, der sich 2010 mit 18<br />
<strong>Jahre</strong>n das Leben genommen hatte. Die Tränen der Sängerin wirkten echt, das<br />
Schluchzen im Saal auch.<br />
Donny und Marie machten an diesem Abend deutlich, dass Entertainment eine<br />
Erfindung der Amerikaner ist. Bis zu 260 Dollar für einen Platz an den vordersten<br />
Tischen im Saal mögen manchem schwindelerregend erscheinen – die<br />
beiden Osmonds haben allerdings über <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> Erfahrungen im Show-Biz in<br />
die Show gesteckt, was sie über ein normales Konzerterlebnis erhebt.<br />
Text: Jens-Uwe Berndt<br />
Fo<strong>to</strong>: © Jens-Uwe Berndt<br />
© Pressefo<strong>to</strong><br />
Seite 94 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>