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GoodTimes - Music from the 60s to the 80s 40 Jahre Musikladen (Vorschau)

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TATZES STREIFZÜGE November 2012<br />

Bei meinen Streifzügen<br />

durch die<br />

Läden des noch<br />

real existierenden Plattenhandels<br />

stöbere ich<br />

immer wieder Perlen &<br />

Trüffel auf, die nicht auf meiner Want-List stehen,<br />

weil mir ihre Existenz schlicht unbekannt war. Drei<br />

Beispiele der letzten Monate:<br />

MAGIC LANDSCAPE des Duos Ian Hunt & John<br />

Turner. Die beiden singenden und diverse Instrumente<br />

beherrschenden Briten spielten die Platte 1972 in den<br />

Village Thing Studios und den berühmten Rockfield<br />

Studios in Wales ein. Sie klingen wie eine Mischung<br />

aus Magna Carta, John Martyn und Wizz Jones und<br />

produzierten hier hochwertigen Folk-Rock der – ganz<br />

deutlich – Frühsiebziger-Spielart, eine gut gelaunte<br />

Melange aus Brit-Folk und Ragtime.<br />

Neben eindrucksvollen eigenen Liedern wie "Hold<br />

Me Now", "Silver Lady", "Man Of Rings" und dem Titeltrack<br />

gibt es auch eine prima Version des Klassikers<br />

"Mr. Bojangles", die zu den besten mir bekannten Fassungen<br />

zählt. Der Gesang<br />

der beiden ist mustergültig<br />

aufeinander<br />

abgestimmt,<br />

die Gitarren-Bass-Perkussion-Arrangements<br />

sind<br />

weder zu karg noch überladen.<br />

Hier macht sich die<br />

Vergangenheit von Hunt<br />

& Turner bezahlt. Gitarrenzauberer<br />

Turner hatte<br />

1970 die Insider-Kapelle Pigsty Hill Light Orchestra<br />

auf der Suche nach neuen Ufern verlassen. Er traf<br />

auf Ian Hunt, einen Songwriter mit bestem Ruf in der<br />

Szene in Bris<strong>to</strong>l, wo er einige <strong>Jahre</strong> Chef des lokal legendären<br />

Bris<strong>to</strong>l Troubadour Clubs war. Das Duo verschaffte<br />

sich mit MAGIC LANDSCAPE eine beachtliche<br />

Fanschar in ganz Europa und erreichte sogar Platz 6.<br />

Das erklärt auch, dass die Platte auf CD ab 2002<br />

nicht nur bei H&T Records, sondern auch auf anderen<br />

Labels wie Village Thing, Lion Production und Bella<br />

Terra immer wieder erschienen ist. Der goldene Mittelweg<br />

von Hunt & Turner war also gewiss nicht Resultat<br />

einer ängstlich-biederen Grundhaltung, sondern<br />

genau der richtige Weg, auf dem sie leider trotzdem<br />

keinen Marsch in eine nachhaltige Karriere starten<br />

konnten.<br />

Zweite Entdeckung: 7 DAYS IN MEMPHIS (Epic<br />

82796 97753) von Peter Gallagher. Der 1955 in New<br />

York geborene Künstler ist im Hauptberuf Schauspieler,<br />

der bislang in über 20 Filmen<br />

(u.a. „American Beauty"<br />

und „Mr. Deeds") sowie einigen<br />

TV-Serien („O.C., California",<br />

„Californication", „Covert Affairs")<br />

zu sehen war. Musik<br />

ist also nur sein „zweiter Vorname",<br />

aber im Unterschied<br />

etwa zum ebenfalls nebenbei<br />

singenden Kollegen Bruce Willis macht er ne Sache erstaunlich gut. Gallagher verfügt über eine<br />

sei-<br />

sympathische, keineswegs überragende, aber flexible<br />

Stimme, die er white-soulig einzusetzen weiß. Er steht<br />

zwar nicht bis zu den Knien im Soul, aber immerhin<br />

knöcheltief. Und er wählte sein Liedmaterial umsichtig<br />

aus: Songs aus der Feder von Isaac Hayes/David Porter,<br />

John D. Loudermilk, Randy Newman, Dan Penn und<br />

Lucinda Williams. Sie wurden ohne Effekthaschereien<br />

von versierten Memphis-Musikern realisiert, wobei Gitarrist<br />

Steve Cropper die herausragende Persönlichkeit<br />

ist. Zudem ist das Album ein „grower" – es wächst<br />

mit jedem Hördurchlauf, der neue Feinheiten enthüllt.<br />

Beste Tracks: "I've Got To Love Somebody's Baby",<br />

"Then You Can Tell Me Goodbye", "When You Move<br />

You Lose" und eine Spitzenversion des Klassikers<br />

"When Something Is Wrong With My Baby", im Original<br />

ein Hit von Sam & Dave.<br />

Nummer Drei: Ian<br />

King und sein Debütalbum<br />

PANIC GRASS &<br />

FEVER FEW (Fledg'ling<br />

FLED 3082). Mr. King ist<br />

ein wahrer König des aktuellen<br />

britischen Folk,<br />

denn er macht ihn fit fürs<br />

21. Jahrhundert. Zu hören<br />

sind sowohl vorzügliche Eigenkompositionen wie<br />

"Evil Eye" und "By George" als auch Traditionelles<br />

wie "Adieu To Old England" und "Ah Robin, Gentle<br />

Robin". King singt mit klarer Stimme allürenlos und<br />

mit festem Zugriff auf die Songs und spielt routiniert<br />

akustische Gitarre, Banjo und Mandoline. Und damit<br />

enden die Parallelen zum gewohnten Folk. Denn Produzent<br />

dieser Scheibe ist der legendäre Dub-Wizzard<br />

Adrian Sherwood, der unter Mithilfe von Musikern wie<br />

Skip McDonald (g) und Doug Wimbish (b) sowie der<br />

Crispy Horns voll durchstartet: Kings Folk wird vermengt<br />

mit Dub-Reggae, Funk, Ambient- und Weltmusik.<br />

Sherwood arbeitet mit denselben Kunstgriffen,<br />

die er schon Acts wie den New Age Steppers oder African<br />

Head Charge angedeihen ließ und die er im Schlaf<br />

beherrscht. Die Resultate klingen unglaublich frisch<br />

und gleichzeitig ohrwürmig, avantgardistisch, vertraut<br />

und abenteuerlich.<br />

Auf dem in <strong>GoodTimes</strong><br />

4/2012 auf Seite 50 rezensierten<br />

Sampler COUNTRY FUNK<br />

fiel mir ein Sänger ganz besonders<br />

auf: Larry Jon Wilson. Der<br />

Amerikaner steuert mit "Ohoopee<br />

River Bot<strong>to</strong>mland" den vielleicht eicht besten Track bei.<br />

Derselbe Song erschien mit vollem Recht auch schon<br />

2004 auf Volume 2 der britischen Kleinserie COUNTRY<br />

GOT SOUL, die ich damals irgendwie verpasste. Den<br />

Erwerb habe ich nun nachgeholt, versteht sich. Wilson<br />

ist dort auch auf Volume 1 ("Seldon Church Yard")<br />

und Volume 3 ("Life Of A Good Man") zu hören.<br />

Alle drei Lieder stammen von seinem Doppelschlag<br />

1975/76, als die Alben NEW BEGINNINGS und LET<br />

ME SING MY SONG TO YOU (Monument KZ 33382<br />

und 3<strong>40</strong>41) erschienen und die Riesenkarriere eines<br />

Giganten in Gang hätte kommen müssen. Wilson<br />

brachte alle Voraussetzungen mit: melodisch und<br />

textlich bestes Songmaterial aus (fast nur) eigener<br />

Feder, sehr ordentliches Gitarrenspiel und eine<br />

wundervolle Brummelstimme. Gesamteindruck: Ein<br />

gewichtiger und seelenvoller Country-Folk-Rock-Poet,<br />

ein S<strong>to</strong>ryteller und Troubadour erster Güte, eine<br />

exquisite Mixtur aus Johnny Cash, Tony Joe White<br />

und Kenny Rogers. Und ausgezeichnete<br />

Begleitmusiker<br />

wie Reggie Young (g), Tommy<br />

Cogbill (b), Bobby Woods<br />

(keys) und Hayward Bishop<br />

(dr) standen außerdem an seiner<br />

Seite. Zudem zählte Prominenz<br />

wie Willie Nelson, Kris<br />

Kris<strong>to</strong>fferson, John Prine,<br />

Guy Clark und Steve Earle<br />

zu seinen großen Fans, wodurch<br />

die kaufende Fanzahl<br />

aber nicht entscheidend größer<br />

wurde. Ein ebenso rätselwie<br />

boshaftes Schicksal sorgte<br />

dafür, dass Wilson ohne Hit<br />

blieb. Er veröffentlichte 19777<br />

noch LOOSE CHANGE und<br />

1979 THE SOJOURNER und<br />

verabschiedete sich dann für<br />

zehn <strong>Jahre</strong> von der Musik. Ab<br />

1989 <strong>to</strong>urte er wieder, traf<br />

aber leider nicht Rick Rubin,<br />

der ihm einen neuen Anlauf<br />

à la Johnny Cash hätte ermöglichen<br />

können. Erst 2008 erschien sons Comeback-Album LARRY JON WILSON (Drag<br />

Wil-<br />

City 8168<strong>40</strong>3992) mit neuen Songs, die er mit reifer<br />

Stimme allein zur Gitarre präsentiert, sparsam begleitet<br />

nur vom Geiger Noel Sayre. Elegische, zwischen<br />

den Zeilen auch durchaus etwas bitter klingende, intime<br />

Kammermusik. Das Album war sein letztes. Am<br />

21. Juni 2010 ist Larry Jon Wilson im Alter von 69<br />

<strong>Jahre</strong>n ges<strong>to</strong>rben, nach einem keineswegs erfüllten<br />

Leben. Er durfte nicht mal erleben, dass seine ersten<br />

beiden Alben 2011 auf einer CD (Omni 146) neu veröffentlicht<br />

wurden und nun, ebenso wie seine letzte<br />

Arbeit, problemlos erhältlich sind. Die Alben Nr. 3 und<br />

4 dagegen sind derzeit praktisch unauffindbar. Aber<br />

vielleicht tut sich da ja noch mal was.<br />

Auf den besagten COUNTRY GOT SOUL-<br />

Samplern findet sich auch ein weiterer herausragender<br />

Vertreter undogmatischer Country-Kost:<br />

Travis Wammack. Der 68-jährige Amerikaner nahm<br />

schon als Elfjähriger seine erste Single auf, gilt seit<br />

Jahrzehnten als zuverlässiger Memphis-Sessiongitarrist<br />

der gehobenen Klasse und war von 1984<br />

bis 1995 Anführer der Band<br />

von Little Richard. Von den<br />

gelegentlich unter seinem<br />

Namen erscheinenden Alben<br />

ist COUNTRY IN MY SOUL<br />

(2009, Eigenlabel) besonders<br />

interessant. Wammack<br />

kombiniert traditionellen<br />

Rock'n'Roll mit Country der<br />

Vollfettstufe und einem guten<br />

Schuss Soul. Songs wie "No Place Like Home", "Country<br />

Cruisin'", "Heart To Heart" und "Pearl" – alle aus<br />

eigener Edelfeder – sind unwiderstehlich. Einmal mehr<br />

stellt sich die – wohl unbeantwortbare – Frage, wieso<br />

derartige Könner fernab eines größeren Publikums<br />

musizieren (müssen).<br />

Seite 96 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>

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