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CD<br />
REVIEWS<br />
STEVE HACKETT<br />
GENESIS REVISITED II<br />
Als „ein Projekt Wagner-ischer Ausmaße”<br />
beschreibt Steve Hackett die Aufnahmen für<br />
GENESIS REVISITED II, seines zweiten<br />
musikalischen Rückblicks auf die Zeiten,<br />
als er von 1970 bis 1977 innovativer Gitarrist<br />
und wichtiger Songwriter von Genesis<br />
war – eine Zeit, auf die Hackett nach eigenen<br />
Worten heute noch immer unglaublich<br />
s<strong>to</strong>lz ist. So erklärt sich auch die relativ<br />
originalgetreue Aufführung von Stücken<br />
wie “Supper’s Ready”, “Dancing With The<br />
Moonlit Knight” oder “The <strong>Music</strong>al Box”,<br />
die Hauptänderungen im Sound der Stücke<br />
kommen von den unterschiedlichen Charakteren<br />
am Mikrofon. Neben Steven Wilson,<br />
John Wet<strong>to</strong>n, Neal Morse, Mikael Akerfeldt<br />
und Conrad Keely sind auch Phil Collins’<br />
Sohn Simon sowie mit Nik Kershaw eher<br />
unerwartete Gäste zu hören. Und obwohl<br />
Steve Hackett sicher nicht auf gitarristische<br />
Unterstützung angewiesen wäre, lud er sich<br />
mit Steve Ro<strong>the</strong>ry von Marillion und Roine<br />
S<strong>to</strong>lt von den Flower Kings zwei prominente<br />
Kollegen dafür ein. Lee Pomeroy und Nick<br />
Beggs am Bass, Jeremy Stacey am Schlagzeug<br />
und Saxofonist Rob Townsend ergänzen<br />
die Wagner-ische All-Star-Besetzung.<br />
Kein Wunder, gelingt Steve Hackett mit diesem<br />
Doppelalbum ein makelloser Rückblick<br />
auf alte, progressive Rock-Zeiten.<br />
(Insideout/EMI, 2012, 10/73:39,<br />
11/71:50) us<br />
THE DOOBIE BROTHERS<br />
WHAT WERE ONCE VICES ARE<br />
NOW HABITS<br />
Mit ihrem vierten<br />
Longplayer machten<br />
die Doobie Bro<strong>the</strong>rs<br />
einen<br />
gewaltigen<br />
Schritt nach vorne,<br />
denn es gab nicht<br />
nur mit “Black Water”<br />
den ersten Chart-Topper, sondern auch<br />
musikalisch hatte sich die Band immens<br />
entwickelt. Jeff „Skunk” Baxter spielte ausgezeichnete<br />
Gitarrenparts, die er kunstvoll<br />
in den Gesamtsound integrierte, und auch<br />
die Memphis Horns sorgten für Highlights<br />
bei den Arrangements. Locker-lässiger<br />
Westcoast mit Country-Einlagen (“Spirit”),<br />
das schwebende “Eyes Of Silver”, die<br />
wunderschöne Ballade “Tell Me What You<br />
Want (And I’ll Give You What You Need)”<br />
und das melancholische, auf Akustikgitarren<br />
basierende “Ano<strong>the</strong>r Park, Ano<strong>the</strong>r<br />
Sunday” sind Glanzbeispiele des US-Rock.<br />
Durch das vorzügliche Mastering sind erstmalig<br />
alle Instrumente präsent, aber dennoch<br />
kompakt wahrzunehmen. Toll!<br />
(Mobile Fidelity/Sieveking Sound,<br />
1963, 12/45:09) at<br />
CHRIS ROBINSON<br />
BROTHERHOOD<br />
THE MAGIC DOOR<br />
Wie angekündigt legen Chris Robinson<br />
Bro<strong>the</strong>rhood mit THE MAGIC DOOR<br />
schon drei Monate nach ihrem Debüt BIG<br />
MOON RITUAL Album Nummer zwei<br />
vor. Dabei ist das neue Werk weniger ein<br />
Nachfolger, vielmehr könnte man es als<br />
ein Ergänzungsalbum beschreiben; aufgenommen<br />
und produziert wurden beide<br />
Platten nämlich gemeinsam. Somit fällt<br />
einem die Bewertung von THE MAGIC<br />
DOOR auch relativ leicht, vereinfacht<br />
gesagt können alle bedenkenlos zugreifen,<br />
die schon mit BIG MOON RITUAL<br />
zufrieden (oder gar begeistert) waren. Wie<br />
gehabt führt der Black-Crowes-Frontmann<br />
seine Mitmusiker an der langen Leine,<br />
was bei Cracks wie Neal Casal (voc, g),<br />
Adam MacDougall (keys, voc) und Mark<br />
Dut<strong>to</strong>n (b, voc) wohl auch die beste Taktik<br />
ist. Spielfreudig und ausufernd machen sie<br />
sich über die von Robinson geschriebenen<br />
Songs her, mit “Let’s Go, Let’s Go, Let’s<br />
Go” von Hank Ballard gibt es auch eine<br />
Cover-Version. Natürlich weckt solche<br />
Musik Begehrlichkeiten, da darf man freudig<br />
gespannt sein, wie es sich anhört, wenn<br />
Robinson & Co. das nächste Mal einen<br />
wirklichen Nachfolger vorlegen.<br />
(Silver Arrow-Megaforce/Soulfood,<br />
2012, 7/51:00) us<br />
TEN YEARS AFTER<br />
A SPACE IN TIME<br />
Ten Years After und<br />
ihr Zugpferd Alvin<br />
Lee werden die Hörer<br />
immer wieder in<br />
ihren Bann ziehen.<br />
So ist eine Neuauflage<br />
eines vergessenen<br />
Klassikers der Band durchaus sinnvoll. Das<br />
Reissue erscheint im originalen 71er-Mix<br />
und im 73er-Quad-Mix, der für Stereo aufbereitet<br />
wurde und andere Dimensionen be<strong>to</strong>nt<br />
und so ein ungewohntes und reizvolles<br />
Hörerlebnis bietet. Das Album bewegte sich<br />
zwischen härterem Blues-Rock, fragilen<br />
Akustiktracks und typischem Seventies-<br />
Rock. Hier verzichtete Alvin Lee auf seine<br />
Solo-Eskapaden, konzentrierte sich auf das<br />
Songwriting, was sich nicht nachteilig auf<br />
das Album auswirkt. Im Gegensatz zu der<br />
EMI-Ausgabe wurde beim Mastering der<br />
parallel erscheinenden 24 KT-Gold-CD<br />
(Audio Fidelity/Sieveking Sound) auf mehr<br />
Wärme geachtet.<br />
(EMI, 1971, 20/75:33)<br />
fl<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
ACTION! – THE SONGS OF<br />
TOMMY BOYCE & BOBBY<br />
HART<br />
Mit den Namen Tommy Boyce & Bobby<br />
Hart verbindet man zunächst und vor allem<br />
die Hits, die sie für The Monkees in den<br />
mittsechziger <strong>Jahre</strong>n schrieben. Drei Erfolge<br />
(“Theme From The Monkees”, “Valleri”<br />
und “P.O. Box 9847”) sind hier vertreten.<br />
Und etliche andere Hits kommen in den –<br />
durchweg gehaltvollen – Versionen anderer<br />
Interpreten; u.a. “I’m Not Your Stepping<br />
S<strong>to</strong>ne” von The Flies, “Words” von The Regents<br />
und “Last Train To Clarksville” von<br />
The Standells. Doch damit erschöpft sich<br />
dieser herrliche Sampler nicht. Zu hören<br />
sind auch Spitzenwerke wie “Come Little<br />
Bit Closer” (Jay & The Americans), “She”<br />
(Del Shannon), “Action” (Paul Revere &<br />
The Raiders) oder “Beverley Jean” (Curtis<br />
Lee). Schwarzer Pop ist durch Fats Domino<br />
(“Be My Guest”), The Ikettes (“Fine Fine<br />
Fine”) und Chubby Checker (“Lazy Elsie<br />
Molly”) vertreten, während Boyce & Hart<br />
selbst mit ihrem Hit “I Wonder What She’s<br />
Doing Tonight” zu Gehör kommen und auch<br />
Harts 1962er Single “Too Many Teardrops”<br />
nicht fehlt. Das in New York und Kalifornien<br />
– seit Ende der Fifties zunächst getrennt – arbeitende<br />
Duo verstand enorm viel vom Tin-<br />
Pan-Alley-Sound der Prä-Beat-<strong>Jahre</strong> und<br />
verband ihn dann mühelos mit den Klängen<br />
der britischen Invasoren. Es entstand zeitloser<br />
Qualitäts-Pop-Rock, immer mit Biss,<br />
oft ohne Scheu vor gezügeltem Pathos. Und<br />
auch nach dem Ende der heißen Monkees-<br />
<strong>Jahre</strong> gelangen Boyce & Hart noch manche<br />
Treffer. Da ACTION nur die <strong>Jahre</strong> 1959–<br />
1968 abdeckt, läge noch reichlich Material<br />
für eine weitere Sammlung vor. Das fette,<br />
überaus detailreiche Booklet gibt auch hierüber<br />
beredt Auskünfte.<br />
(Ace/Soulfood, 2012, 26/63:49) hjg<br />
MOTHER JANE<br />
TURN THE PAGE<br />
Jane sind seit 1994<br />
nur noch sozusagen<br />
markenrechtlich<br />
existent. Mit Schilderungen<br />
der 1982<br />
einsetzenden bandinternen<br />
Streitigkeiten<br />
lassen sich locker ganze Hefte füllen.<br />
Der interessierte Leser informiert sich<br />
am besten im Internet auf den diversen<br />
Seiten – da geht es mal mehr, mal weniger<br />
aggressiv zu. Jetzt also TURN THE<br />
PAGE von Klaus Hess und Co. mit Studio-<br />
Versionen von Titeln, die bislang nur in<br />
Live-Einspielungen erhältlich waren, was<br />
auch das LIVE AT HOME-Album mit<br />
einbezieht. Die CD baut sich sozusagen<br />
selber auf, beginnt verhalten und etwas zu<br />
schnörkellos, um insbesondere mit dem<br />
13-minütigen Highlight “Nightmares” (der<br />
2012er Version von “Windows”) völlig<br />
abzuheben. Psych-, Prog-, Art-, Hard- und<br />
Krautrock werden hier unter Zuhilfenahme<br />
Floyd’scher Klangkonstrukte so was<br />
von miteinander verzwurbelt, dass man<br />
staunt. Zudem ist Sänger Qusai Zureikat<br />
eine Bereicherung, und dass man als letzten<br />
Track Bob Segers titelgebenden Song<br />
“Turn The Page” gewählt hat, ist auch eine<br />
Erwähnung wert. Viele Jane-Fans-werden<br />
es noch interessanter finden, dass die zweite<br />
CD „The Lost Tracks” etwa 20 Minuten<br />
bislang unveröffentlichtes Jane-Material<br />
aus dem Jahr 1982 enthält – die Stücke<br />
wurden kürzlich im ehemaligen Aufnahmestudio<br />
in Sarstedt wiederentdeckt.<br />
(Dust On The Tracks/Fenn <strong>Music</strong>, 2012<br />
8/48:58, 5/18:46) os<br />
Y&T<br />
LIVE AT THE MYSTIC<br />
Mit Superlativen soll man sich bekanntlich<br />
zurückhalten. Erst recht, wenn es um das<br />
aktuelle Live-Album einer Band geht, die<br />
Ende der 70er und in den frühen 80ern ihre<br />
Hochzeit hatte. Denn Konzertmitschnitte alter<br />
Helden haben gerade Konjunktur und das<br />
auch, weil es die erfahrenen Rampensäue<br />
immer noch drauf haben. Trotzdem reiht sich<br />
LIVE AT THE MYSTIC von Y&T im Überangebot<br />
der ungehobelten Hit-Schauen ganz<br />
vorn ein. Die Doppel-CD rockt wie Hölle,<br />
streift sämtliche großen Phasen der US-Band<br />
und die Nummern aus dem jüngsten Y&T-<br />
Werk FACEMELTER passen zum alten Material<br />
wie angenäht. Dass Urmitglied Dave<br />
Meniketti immer noch am Mikro steht und<br />
für die sägenden Riffs sorgt, trägt wesentlich<br />
Rock<br />
dazu bei, dass der Doppeldecker von dieser<br />
bestechenden Qualität ist.<br />
(Frontiers/Soulfood, 2012, 13/62:47,<br />
9/50:11) jub<br />
DEEP PURPLE<br />
MACHINE HEAD – <strong>40</strong>TH<br />
ANNIVERSARY DELUXE<br />
EDITION<br />
ION<br />
Immer noch unglaublich, welch großartige<br />
Musik Jon Lord, Ritchie Blackmore, Ian<br />
Gillan, Roger Glover und Ian Paice im Winter<br />
1971 in Montreux erschufen – besonders<br />
wenn man die Umstände dieser Aufnahmen<br />
bedenkt. Leerstehende Zimmer und unbenutzte<br />
Korridore des Grand Hotels dienten<br />
als Aufnahmeräume, der Lastwagen mit<br />
dem mobilen Recording-Equipment (ausgeliehen<br />
von den Rolling S<strong>to</strong>nes) parkte vor<br />
dem Haupteingang. Für jedes musikalische<br />
Feedback, für das Anhören ihrer gerade<br />
aufgenommenen Parts mussten die Musiker<br />
einmal quer durch das Hotel laufen, was laut<br />
Ritchie Blackmore ziemlich schnell dazu<br />
führte, dass sie so gut wie jede aufgenommene<br />
Tonspur schon vorab für „gut” befanden,<br />
nur um sich die weiten Wege zu ersparen.<br />
Eben jener Ritchie Blackmore spielte<br />
in “Highway Star” das beste Solo seiner<br />
Karriere, katapultierte “Space Truckin’” mit<br />
seinem Gitarrenspiel in bisher unerreichte<br />
Umlaufbahnen, vom wohl legendärsten Eingangsriff<br />
aller Zeiten bei “Smoke On The<br />
Water” gar nicht zu sprechen. Mindestens<br />
genauso wichtig dabei Jon Lord, dessen<br />
Hammondorgel sich beherzte Duelle mit<br />
Blackmores Gitarre lieferte. Wie humorvoll<br />
Deep Purple damals auf ihren (Superstar-)<br />
Status reagierten, zeigen Hard-Rock-untypische<br />
Titel wie das burleske “Maybe I’m A<br />
Leo” oder das als Non-Album-B-Seite versteckte<br />
Meisterstück “When A Blind Man<br />
Cries” – beides Songs, die für sich allein<br />
genommen schon den legendären Ruf dieses<br />
Albums rechtfertigen. Drei Versionen von<br />
MACHINE HEAD (2012 Remaster, Roger<br />
Glover’s 1997 Mixes, 2012 Quad SQ Stereo)<br />
sowie eine Liveversion aus dem März<br />
1972 (Paris Theatre, London) bieten die<br />
getreu dem Bandnamen tief purpurrot daherkommenden<br />
vier CDs, die Audio-DVD<br />
liefert die MACHINE HEAD-Versionen für<br />
High-End-Freunde in 96/24 LPCM Stereo,<br />
Quad <strong>to</strong> 4:1 DTS sowie, als Bonus, drei Titel<br />
in 5.1 DTS-Abmischungen.<br />
(EMI, 2012, 4 CDs, 1 Audio-DVD) us<br />
RIO REISER<br />
ALL TIME BEST –<br />
RECLAM MUSIK EDITION<br />
Zweifellos war Rio Reiser einer der größten<br />
deutschen Rockpoeten seiner Zeit,<br />
nachdenklich, scharfsinnig, und das alles,<br />
ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen.<br />
Seite 44 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>