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Joe<br />
Cocker<br />
Fo<strong>to</strong>: © Cole Walliser, 2012<br />
Blues mit 80 – versprochen!<br />
Von Michael Fuchs-Gamböck<br />
Joe Cocker ist ein Rolls-Royce unter den weißen<br />
Bluessängern. Das einst dauer-alkoholisierte<br />
Urgestein ist außerdem eine Legende<br />
des "<br />
Woods<strong>to</strong>ck"-Festivals – und zwar eine<br />
mit Nachhall: Das Festival von 1969 verhalf<br />
Cocker zum endgültigen Durchbruch. Seitdem<br />
ist viel in seinem Leben passiert, die<br />
Karriere verlief wie eine völlig aus der Spur<br />
gesprungene Achterbahn. Dennoch hat sich<br />
an Cockers Stellenwert sei<strong>the</strong>r nichts geändert<br />
– ein Unikat mit einer der ausdrucksstärksten<br />
Stimmen im gesamten Business.<br />
Geboren 1944 im englischen Sheffield, spielte<br />
der Brite bereits mit zwölf <strong>Jahre</strong>n in der Band<br />
seines älteren Bruders Vic<strong>to</strong>r. Acht <strong>Jahre</strong> später<br />
nahm er seine erste Single auf, ein Remake der<br />
Beatles-Nummer "I’ll Cry Instead", ehe er 1969 mit<br />
"With A Little Help From My Friends" ein Millionenpublikum<br />
eroberte. Einer großen Karriere und damit<br />
verbundenem Reichtum stand nichts mehr im<br />
Wege. Doch es kam ganz anders. Cocker verfügt<br />
zwar über eine unersättliche Lust an Musik, doch<br />
sein Geschäftssinn ist alles andere als ausgeprägt.<br />
Kein Wunder, dass ihn skrupellose Manager ausnahmen;<br />
kein Wunder auch, dass der intellektuell eher<br />
schlichte Interpret seinen Körper durch rigorose Alkohol-<br />
und Drogenexzesse aus lauter Verzweiflung<br />
über den Verlauf der Dinge nach und nach ruinierte.<br />
Erst 1982 schaffte Cocker ein kommerziell einträgliches<br />
Comeback mit der fulminanten LP SHEF-<br />
FIELD STEEL – und er hat<br />
seitdem Drogenkonsum und<br />
Manager im Griff. Im Interview,<br />
keine Frage, fühlt er<br />
sich wohl. Zu viel Respekt?<br />
Nein, nicht nötig: „Keine e<br />
Sorge, mein Sohn – ich bin’s<br />
doch nur." Die Unterhaltung<br />
sollte sich vorrangig um das<br />
23. Studio-Album, FIRE IT<br />
UP, drehen; es geriet zur<br />
Rundum-Bestandsaufnahme.<br />
Mr. Cocker, fast 50 <strong>Jahre</strong><br />
im Geschäft – ist da die<br />
Musik nur noch ein mehr oder weniger lästiger<br />
Job für die Rente?<br />
Was für ein Quatsch! Nein, die Musik ist mein einziges<br />
wirkliches Hobby, meine einzige Leidenschaft,<br />
sie ist die Hauptmotivation, mir selbst noch ein<br />
längeres Leben zu wünschen. Klar, ich liebe meine<br />
Ehefrau, ich mache auch noch etwas anderes<br />
als Singen, zum Beispiel gehe ich oft und gerne<br />
spazieren. Aber ansonsten? Ich glaube, ich würde<br />
ohne die Musik eine traurige, äußerst verschissene<br />
Existenz führen.<br />
Warum greifen Sie so häufig zu Cover-Versionen?<br />
In meinen Anfangstagen war ich ein wirklich fähiger<br />
Komponist. Aber das hat immer mehr nachgelassen.<br />
Irgendwie sagen mir die modernen Zeiten<br />
nicht allzu viel. Es gibt keine Themen, die mich<br />
so stark interessieren, dass ich darüber schreiben<br />
möchte. Damit ich überhaupt noch was zu singen<br />
kriege, nehme ich die Songs von talentierten anderen<br />
Musikern. Eine Art Notlösung!<br />
Es heißt, dass Sie in Ihrer musikalischen<br />
Entwicklung stagnieren, dass Cocker-Alben<br />
durch die Bank austauschbar sind ...<br />
Wer zum Teufel fragt Eric Clap<strong>to</strong>n oder Mark<br />
Knopfler, ob sie musikalische Fortschritte machen?<br />
Die ziehen strikt ihr ureigenes Ding durch, genau<br />
wie ich – und vielen Menschen gefällt’s! Außerdem<br />
kann ich nunmal keine Syn<strong>the</strong>sizer und all den neumodischen<br />
Kram ausstehen – selbst wenn sich das<br />
Zeug noch so modern anhören mag. Darum habe<br />
ich ohnehin keine Chance, modern zu klingen. Aber<br />
ich pfeife darauf! Mir geht’s in erster Linie darum,<br />
au<strong>the</strong>ntisch zu klingen. Und so etwas funktioniert<br />
nur mit einem Mindestmaß an Technologie. Echt<br />
wahr! Fortschritt hin oder her: Musik muss in die<br />
Seele fahren, alles andere ist unwichtig.<br />
Sie beschreiben sich selbst gern als Blues-<br />
Mann. Muss man eigentlich nicht von der<br />
Hand in den Mund leben, um Blues richtig<br />
empfinden zu können?<br />
Ganz offen: Obwohl ich seit den frühen 80ern eine<br />
Menge Platten verkauft habe, bin ich immer noch<br />
weit davon entfernt, ein wirklich reicher Mann zu<br />
sein. Doch die Rock'n'Roll-Welt, und damit auch<br />
mein Leben, ist professioneller geworden, das<br />
stimmt. Ich begrüße diese Entwicklung, denn sie<br />
hilft mir. Ich bin so verdammt gutmütig und wurde<br />
Seite 32 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>