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TIPP<br />
BAND OF HORSES<br />
Berg – Tal – Berg<br />
Aus Seattle im US-Bundesstaat<br />
Washing<strong>to</strong>n, einst Heimat des Grunge,<br />
stammt das Quintett Band Of Horses. Da<br />
lag es nahe, dass Sänger/Gitarrist Ben<br />
Bridwell und seine Mitstreiter schon kurz<br />
nach der Gründung 2004 einen Vertrag<br />
beim wegweisenden lokalen Label Sub<br />
Pop unterschrieben, nachdem sie 2005<br />
ihre „Tour EP" auf eigene Faust herausgebracht<br />
hatten.<br />
In den Anfangsjahren gab es in der Indie-<br />
Truppe zahlreiche Personalwechsel, „bis<br />
die Chemie innerhalb der Gruppe stimmte,<br />
schließlich ist eine Band so etwas wie<br />
eine Ehe, weil man ständig zusammen<br />
ist", beschreibt es Bridwell rückblickend.<br />
Zehn Mitglieder waren beteiligt, die heutige<br />
Besetzung mit Bridwell, Ryan Monroe<br />
(keys), Tyler Ramsey (g), Bill Reynolds (b)<br />
und Creigh<strong>to</strong>n Barrett (dr) spielt seit drei<br />
<strong>Jahre</strong>n zusammen.<br />
Nachdem sich das Debütalbum<br />
EVERYTHING ALL THE TIME<br />
2006 zu einem Underground-<br />
Erfolg entwickelte – nicht<br />
zuletzt dank des Einsatzes der<br />
Single "The Funeral" in einem<br />
Au<strong>to</strong>-Werbespot sowie in mehreren<br />
TV-Serien –, schaffte es<br />
zwölf Monate später CEASE TO BEGIN<br />
erstmalig in die US-Charts (#35). Das drei<br />
<strong>Jahre</strong> später folgende INFINITE ARMS<br />
stieg in den USA bis auf Platz 7,<br />
schnupperte auch in Europa an<br />
den Hitparaden (UK #21, D #88) –<br />
und bescherte der Band Of Horses<br />
eine Grammy-Nominierung.<br />
„Ich bin mit Neil Young, aber<br />
auch den Eagles und Rolling<br />
S<strong>to</strong>nes aufgewachsen. Ebenso<br />
haben mich 90er-<strong>Jahre</strong>-Bands<br />
wie Dinosaur Jr. oder Pavement<br />
geprägt", schildert Bridwell den<br />
musikalischen Hintergrund, der<br />
in den Songs seiner Band mitschwingt.<br />
„Wir spielen einfach,<br />
was uns in den Sinn kommt."<br />
Schrammelgitarren sind bei der Band Of<br />
Horses ebenso zu hören wie Folkanklänge<br />
und<br />
Country/Sou<strong>the</strong>rn-Rockanleihen.<br />
„Unser neues Album MIRAGE<br />
ROCK ist sehr viel stärker<br />
als die Vorgänger eine<br />
Gemeinschaftsleistung.<br />
Ich<br />
habe zwar einen Teil der<br />
Songs allein geschrieben, aber<br />
jeder hat etwas beigesteuert<br />
– vor allem bei den Intros<br />
und Outros, denen wir diesmal<br />
auch<br />
dank unseres Produzenten Glyn<br />
Fo<strong>to</strong>: © Chris Wilson<br />
Johns sehr viel mehr Augenmerk gewidmet<br />
haben." Wobei die fünf Musiker nicht<br />
nur in diesen Passagen ihrer eingängigen<br />
Songs stark mit dem Kontrast zwischen<br />
elektrischen und akustischen Instrumenten<br />
arbeiten. „Wir<br />
haben uns bemüht,<br />
dass jedes Lied<br />
eine eigene Note<br />
hat, damit es nicht<br />
zu gleichförmig<br />
klingt. Nachdem<br />
wir zuletzt selbst<br />
produziert hatten,<br />
wollten wir diesmal eine neutrale Instanz<br />
ENTDECKT – EMPFOHLEN<br />
dabei haben, weil der Produktionsprozess<br />
bislang etwas zu kompliziert verlief – und<br />
es war schon eine große Ehre, als<br />
Glyn Johns Interesse signalisierte.<br />
Er war es auch, der uns überzeugte,<br />
im Team live im Studio zu<br />
spielen", erzählt Bridwell.<br />
Die Kommunikation innerhalb des<br />
Quintetts scheint während der<br />
Entstehung von INFINITE ARMS<br />
nicht die allerbeste gewesen zu<br />
sein, wie der Anführer durchblicken<br />
lässt: „Wir sind fünf Männer und<br />
nicht immer sehr kommunikativ.<br />
Wir haben nicht soviel geredet,<br />
wohl auch um Konflikte zu vermeiden,<br />
was manchmal kontraproduktiv<br />
sein kann."<br />
Mit der rockigsten Nummer, "Knock,<br />
Knock”, startet MIRAGE ROCK und endet<br />
mit dem eher düster-ruhigen "Heartbreak<br />
On The 101". „Wir wollten, dass das<br />
Album Höhen und Tiefen hat – und so<br />
steht am Anfang gewissermaßen ein Berg,<br />
während ein tiefes Tal der Verzweiflung<br />
den Abschluss bildet. Vielleicht motiviert<br />
dies die Hörer, gleich wieder zum Gipfel<br />
zurückzukehren", begründet Bridwell die<br />
Songfolge.<br />
Philipp Roser<br />
RYAN McGARVEY<br />
Unverwechselbar<br />
Sein gefeiertes CD-Debüt von 2007 (!)<br />
kam wie aus dem Nichts, war bereits<br />
zum Niederknien stark und er gerade mal<br />
schlappe 19 <strong>Jahre</strong> jung. Bis heute hat<br />
der fabelhafte Gitarrist seinen Erstling<br />
keinem bekannten Label anvertraut, das<br />
ihn womöglich hätte gängeln<br />
können, und es darum lieber<br />
im Eigenvertrieb behalten;<br />
dennoch machte FORWARD<br />
IN REVERSE ihn weit über<br />
die Landesgrenzen hinaus<br />
bekannt und gehörte zu den<br />
gefeierten Bestsellern im<br />
350.000 CDs umfassenden<br />
Katalog des amerikanischen<br />
Web-Anbieters CD Baby. Und erst jetzt<br />
folgte die Nr. 2, REDEFINED, das zunächst<br />
ausschließlich für Konzertbesucher erhältlich<br />
war. Ryan McGarvey aus Albuquerque<br />
q<br />
nutzte fünf <strong>Jahre</strong> lang<br />
endloses Touren quer über<br />
den Globus als lehrreiche<br />
Entwicklungshilfe in eigener<br />
Sache, er wurde seitdem<br />
mit mehr als einem Dutzend<br />
Auszeichnungen überhäuft;<br />
und Eric Clap<strong>to</strong>n wählte<br />
ihn 2010 aus weltweit<br />
<strong>40</strong>00 (!) Kandidaten für sein<br />
„Crossroads"-Festival in Chicago aus. Im<br />
Sommer 2011 kam der unverwechselbare<br />
Über-Player aus New Mexico erstmals<br />
nach Europa, in diesem Jahr konnten<br />
sich auch deutsche Fans von den – live<br />
noch umwerfenderen – begnadeten und<br />
mit glaubwürdigem Feeling durchsetzten<br />
Fähigkeiten des Jungstars<br />
überzeugen: Wenn der eher introvertiert<br />
wirkende Jungmann in<br />
Spiellaune ist, gilt das bekannte<br />
Van-Morrison-Mot<strong>to</strong> „It's <strong>to</strong>o late<br />
<strong>to</strong> s<strong>to</strong>p now", und es<br />
geht schon mal unter<br />
Starkstrom über volle<br />
zwei, drei Stunden nons<strong>to</strong>p.<br />
Personalwechsel<br />
in der Triobesetzung<br />
sind keine Seltenheit:<br />
Wer an der Seite eines<br />
derart dominierenden<br />
Frontmanns<br />
antritt,<br />
muss wissen, dass er – ungeachtet<br />
der eigenen Qualitäten – auch genau<br />
dort verbleiben wird. Auf der aktuellen<br />
CD unterstützen Sam Miller<br />
(Bass) und August<br />
Johnson (Drums)<br />
den akribischen<br />
Gefühlsspezialisten.<br />
Ryan McGarveys<br />
größtes Plus ist<br />
bereits nach nur zwei<br />
Veröffentlichungen<br />
erkennbar: Er kann auf<br />
einen ganz eigenen<br />
Ton bauen<br />
– neudeutsch „signature<br />
sound" –, was ihn als Unikum aus<br />
den Heerscharen aktueller, auch ausgezeichneter<br />
Mitbewerber löst; atemberaubendes<br />
Können (sowieso), eine<br />
enorme spielerische Leichtigkeit und<br />
offenbar nie versiegender Ideenreichtum<br />
haben ihn bereits wie selbstverständlich<br />
auf Augenhöhe zum Beispiel mit<br />
dem inzwischen arrivierten Kollegen Joe<br />
Bonamassa gehievt. REDEFINED (elf ausnahmslos<br />
überzeugende Titel mit einer<br />
Laufzeit von 54 Minuten) ist – Stück<br />
für Stück – ein Ausbund an Variabilität:<br />
Höllenritte auf der Akustischen ("Four<br />
Graces"), traditionell-schnörkelloser Slow-<br />
Blues mit individuellem Garvey-Stempel<br />
("So Close To Heaven", ganz gewiss ein<br />
künftiges Reper<strong>to</strong>ire-Schlachtross mit filigraner,<br />
feingeistiger Umsetzung) und mit<br />
"Prove Myself" eine perfekt inszenierte,<br />
zu jeder Sekunde bündige Funk-Hard-<br />
Rockvariation über ein immer wieder neu<br />
aufgenommenes Motiv.<br />
Doch nicht nur über den Playerschacht<br />
kann (und sollte) man sich diesem<br />
Hochkaräter annähern; denn rundum<br />
empfehlenswerte Kennenlern-Tipps in<br />
guter Klangqualität gibt es bei YouTube<br />
mehr als genug. Zum Beispiel bieten neun<br />
ausgezeichnete Titel für das Bluesmoose<br />
Radio im niederländischen Groesbeek<br />
73 Minuten McGarvey in elektrischer<br />
Hochform! Ebenso ein Genuss, wenngleich<br />
ganz anderer Machart: fünf Tracks,<br />
präsentiert in der Toad Tavern in Little<strong>to</strong>n,<br />
Colorado: ein 45-minütiges akustisches<br />
Solo-Inferno, darunter seine einfach<br />
umwerfende Paradenummer "Mystic<br />
Dream" vom CD-Erstling als stromloser<br />
Viertelstünder (alle Aufnahmen von 2011).<br />
Bernd Ma<strong>the</strong>ja<br />
Seite 82 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>