Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
CD<br />
REVIEWS<br />
gibt es noch zwei bisher unveröffentlichte<br />
Demos von Jerry Lordan zu hören, die<br />
er dem Shadows-Bassisten Jet Harris einst<br />
mitgab, damit dieser sich zu Hause die Basslinien<br />
besser erarbeiten konnte ...<br />
(Cherry Red/Rough Trade,<br />
1961, 26/59:59) us<br />
PUR<br />
SCHEIN UND SEIN<br />
Ohne Zweifel haben<br />
Pur eine der treuesten<br />
Fangemeinden<br />
der<br />
Popszene. Und das<br />
sicher auch zu Recht,<br />
denn es gibt nur wenige<br />
Bands, die sich<br />
(zumindest soweit man das von außen beurteilen<br />
kann) so wenig nach Ratschlag-Gebern<br />
aller Art richten. Ihre Musik präsentieren sie<br />
seit mehr als 30 <strong>Jahre</strong>n so, dass alte Fans<br />
und neue Freunde, dass Frauen, Männer, Jugendliche<br />
und Kids gleichermaßen vom Pur-<br />
Virus befallen werden – oder eben auf immer<br />
immun dagegen bleiben. Doch für alle<br />
Befallenen wird SCHEIN UND SEIN genau<br />
das sein, worauf sie warten: auf glaubwürdige<br />
Texte, deren Themen – ganz egal, ob<br />
ernst oder humorvoll – von Frontmann Hartmut<br />
Engler mitten aus dem Leben gegriffen<br />
sind, auf von Ingo Reidl und Martin Ansel<br />
gewohnt stark komponierte Musik zwischen<br />
Pop und Rock, auf einen klasse Sound, der<br />
je nach Erfordernis mal transparent, mal dynamisch,<br />
mal druckvoll ist. Also ein klasse<br />
Album, auf das sich die treue Fangemeinde<br />
völlig zu Recht freuen darf.<br />
(<strong>Music</strong> Pur/Universal, 2012, 14/55:59) us<br />
PRODUCERS<br />
MADE IN BASING STREET<br />
Vier Briten, die in ihrem bisherigen Schaffen<br />
wichtige Beiträge zur internationalen<br />
Rock- und Popgeschichte lieferten, das sind<br />
die Producers. Trevor Horn hat von ABC<br />
über Grace Jones und Art Of Noise bis zu<br />
Frankie Goes To Hollywood sein Können<br />
bewiesen, als Gitarrist, Toningenieur und<br />
Produzent gilt Stephen Lipson als seine<br />
rechte Hand. Lol Creme startete seine Karriere<br />
schon in den 60ern, als er mit den Hotlegs<br />
und deren “Neanderthal Man” für einen<br />
denkwürdigen Hit sorgte, in den 70ern<br />
dann zuerst 10cc, dann verließen Kevin<br />
Godley und er die Band um fortan als Godley<br />
& Creme erfolgreich zu sein. Aktuell<br />
verhalf er den Alben von Kate Bush (AERI-<br />
AL) und der Pet Shop Boys (CONCRETE)<br />
zu ihrem Sound. Der Vierte im Bund ist<br />
Schlagzeuger Ash Soan, in den 90ern erst<br />
bei Del Amitri, dann bei Squeeze sowie mit<br />
Tom Jones, Marianne Faithful und Faithless<br />
unterwegs, aktuell kann man ihn auf<br />
den Alben von Adele, James Morrison und<br />
Seal hören. Seit einigen <strong>Jahre</strong>n arbeiten die<br />
Vier jetzt schon zusammen, mit MADE IN<br />
BASING STREET haben sie jetzt auch ein<br />
gemeinsames Album voller starker Songs<br />
zwischen Pop und Rock veröffentlicht, bei<br />
dem die enorme Erfahrung der Beteiligten<br />
deutlich durchklingt. Wer auf perfekt ausbalancierte<br />
Musik steht, bei der sich weise<br />
Entspann<strong>the</strong>it und produktionstechnische<br />
Perfektion die Waage halten, der wird hier<br />
optimal bedient.<br />
(Big Lake/Rough Trade, 2012,<br />
10/48:39, 33:16) tk<br />
DAKOTA SUITE<br />
AN ALMOST SILENT LIFE<br />
Auf seiner Homepage hatte Chris Hooson,<br />
Kopf der Band Dakota Suite, bereits<br />
im Frühjahr angekündigt, dass das neue<br />
Album, an dem er arbeite, diesmal wieder<br />
eines mit Gesang werde. Nach der<br />
größtenteils instrumentalen, äußerst melancholischen,<br />
gleichwohl großartigen<br />
Doppel-CD THE SIDE OF HER INEX-<br />
HAUSTIBLE HEART (Rezension in<br />
<strong>GoodTimes</strong> 6/2011) reflektiere es zudem<br />
seine neu erlangte „positivere Sicht des Lebens”,<br />
gibt der Sänger/Songschreiber jetzt<br />
mit Veröffentlichung bekannt. Ist also auf<br />
AN ALMOST SILENT LIFE alles ganz<br />
anders? Nein, zum Glück nicht! Das neue<br />
Album knüpft weitgehend an den wunderschön<br />
traurigen Vorgänger an – auch mit<br />
seinem grazilen, zerbrechlichen kammermusikalischen<br />
Unplugged-Sound (Klavier,<br />
Akustikgitarre, Cello etc.), wenngleich es<br />
klarere Songstrukturen und mitunter gar<br />
elektronische Klangzutaten gibt. Mit den<br />
neuen Liedern stellen Dakota Suite einmal<br />
mehr unter Beweis, dass sie derzeit eines<br />
der aufregendsten Projekte an den Schnittstellen<br />
von Pop, Folk und Klassik sind.<br />
(Glitterhouse/Indigo, 2012, 13/53:19) frs<br />
ART GARFUNKEL<br />
ORIGINAL ALBUM CLASSICS<br />
Nach seiner selbst zusammengestellten<br />
Retrospektive THE SINGER (Review in<br />
<strong>GoodTimes</strong> 5/2012) gibt es jetzt auch fünf<br />
Alben von Art Garfunkel in der ORIGINAL<br />
ALBUM CLASSICS-Reihe, wie gewohnt<br />
sind die einzelnen CDs dabei in LP-Replica-<br />
Papphüllen im Original-Artwork verpackt.<br />
Der Reigen beginnt im Jahr 1973, als er nach<br />
dem Split von Simon & Garfunkel mit AN-<br />
GEL CLAIRE seine Solokarriere startete.<br />
Eine ganze Armada prominenter Kollegen<br />
– darunter J.J. Cale, Paul Simon, Jerry Garcia,<br />
Larry Carl<strong>to</strong>n und Hal Blaine – sowie<br />
Top-Songwriter sorgten für ein erstklassiges<br />
Album, gekrönt von den erfolgreichen Hits<br />
“All I Know” (Jimmy Webb), “Traveling<br />
Boy” (Paul Williams/Roger Nichols) und<br />
“I Shall Sing” (Van Morrison). Auch das<br />
1975er BREAKAWAY konnte mit illustren<br />
Gästen wie Graham Nash, Nicky Hopkins<br />
oder Klaus Voormann glänzen, bot dazu noch<br />
mit “My Little Town” eine erste, inoffizielle<br />
Simon & Garfunkel Reunion. Im Ok<strong>to</strong>ber<br />
1977 erschien WATERMARK, bei dem nach<br />
anfänglichen (Verkaufs-)Schwierigkeiten ab<br />
Januar 1978 der Song “Fingerpaint” durch<br />
den Klassiker “(What A) Wonderful World”<br />
ersetzt wurde, bei dem Paul Simon und<br />
James Taylor die Harmony-Vocals beisteuerten.<br />
Wenig beachtet (und dementsprechend<br />
erfolglos) in seiner amerikanischen Heimat<br />
dann FATE FOR BREAKFAST, das sich in<br />
Europa durch den Singlehit “Bright Eyes”<br />
in zahlreichen Länder-Charts platzieren<br />
konnte. Ähnlich ging es 1981 SCISSORS<br />
CUT, dem es wiederum nicht gelang, in die<br />
US-Top-<strong>40</strong> einzuziehen und trotz der Hinzunahme<br />
der europäischen Erfolgsversion von<br />
“Bright Eyes” auch keinen Singlehit abwarf.<br />
Aber vielleicht war Art Garfunkel bei den<br />
Aufnahmen dieses Albums ja schon einen<br />
Schritt weiter, beim umjubelten „Concert In<br />
Central Park”, bei dem er mit Paul Simon im<br />
selben Jahr Musikgeschichte schrieb.<br />
(Columbia/Sony <strong>Music</strong>, 2012, 5 CDs) tk<br />
NICO<br />
THE END<br />
Jim Morrison persönlich<br />
hatte Nico<br />
empfohlen,<br />
eigene<br />
Songs zu schreiben,<br />
nachdem sie auf ihrem<br />
Debüt CHELSEA<br />
GIRL (1967) fast ausschließlich<br />
h Cover-Versionen gesungen hatte.<br />
Auf ihrem vierten Studio-Album THE END<br />
(1974) verabschiedete sich die gebürtige Kölnerin<br />
(bürgerlich Christa Päffgen) und Ex-<br />
Velvet-Underground-Kollaborateurin dann<br />
zweifach von ihrem vers<strong>to</strong>rbenen Ex-Lover:<br />
Sie interpretierte die Doors-Nummer “The<br />
End” und verarbeitete in “You Forgot To Answer”<br />
ein gescheitertes Treffen mit ihm. THE<br />
END wurde zwar ein kommerzieller Misserfolg,<br />
übte jedoch großen Einfluss auf die<br />
spätere Gothic-Szene, auf Sängerinnen wie<br />
Siouxsie Sioux und Björk aus. Nico begleitete<br />
ihren ungewöhnlichen Gesang mit lang<br />
anhaltenden Akkorden auf einem indischen<br />
Harmonium, und Produzent John Cale sowie<br />
die beiden Roxy-<strong>Music</strong>-Mitglieder Brian Eno<br />
und Phil Manzanera fügten ein feinziseliertes<br />
Tongewebe aus Synthis, Klavier, Xylofon,<br />
Glockenspiel, Gitarre u.v.m. hinzu. Das neu<br />
remasterte Reissue kommt mit einer Bonus-<br />
CD; sie enthält fünf solo eingespielte Songs<br />
aus John-Peel-Sessions, darunter eine bislang<br />
unveröffentlichte Version von “Secret Side”;<br />
hinzu kommen zwei Livetitel aus der BBC-<br />
Sendung “Old Grey Whistle Test” (1975)<br />
und zwei 1974er-Konzertaufnahmen aus dem<br />
Londoner Rainbow Theatre.<br />
(Island/Universal, 1974, 8/42:02,<br />
9/48:18) frs<br />
THE ELECTRIC STARS<br />
SONIC CANDY SOUL<br />
Endlich mal ein Titel, der es trifft und souverän<br />
persifliert: klingender süßlicher Soul.<br />
Eine in die Gegenwart geholte Besinnung<br />
auf die Klarheit, Melodievorrang und, meinetwegen,<br />
auch eine gewisse Naivität der<br />
Sixties – mit Liebe zum Detail. Die Band<br />
aus Manchester um Jason Edge und Keith<br />
Whitehead bewegt sich deutlicher als andere<br />
Mod-Ikonen vor ihr im Spannungsfeld zwischen<br />
frühem Bowie und sehr frühen S<strong>to</strong>nes<br />
und bringt einen Hauch von Small Faces mit<br />
– schnell liebt man das Mo<strong>to</strong>wn-Feeling von<br />
“Between The Streets” und den Beat-Groove<br />
ihrer Single “I Want You”. Zum Glück folgt<br />
die Band nicht dem Coolness-Diktat, alles in<br />
zwei Minuten pro Song heruntergedroschen<br />
zu haben – dadurch kann ein Siebeneinhalb-<br />
Minüter wie “Blind” alles zwischen Ballade<br />
und Bo Diddley abdecken. Produziert wurde<br />
mit Punch und Transparenz vom Bruder des<br />
britischen Radio/TV-Comedians Steve Coogan<br />
alias Alan Partridge, Martin Coogan.<br />
(De<strong>to</strong>ur Records/Import, 2012,<br />
11/55:37) utw<br />
Pop<br />
DIE FANTASTISCHEN VIER<br />
MTV UNPLUGGED II<br />
Wie sollte der erste MTV-Unplugged-Auftritt<br />
der Fantastischen Vier aus dem Jahr 2000<br />
noch zu <strong>to</strong>ppen sein, was mussten sich die<br />
Stuttgarter einfallen lassen, um eines der innovativsten<br />
Konzerte aus dieser Reihe noch<br />
zu übertrumpfen? Zwölf <strong>Jahre</strong> nach ihrem<br />
ersten Auftritt in der Balver Höhle packten<br />
sie einfach noch mehr Qualität & Quantität<br />
auf die Bühne, erweiterten die bewährte,<br />
Streichorchester-unterstützte F4-Band mal<br />
um einen Gospelchor, mal um eine südamerikanische<br />
Rhythmusgruppe, mal um eine<br />
feurige Flamenco-Gitarre. Mit diesem exorbitanten<br />
Klang im Rücken gelangen ihnen dann<br />
dementsprechend kolossale Versionen ihrer<br />
Songs – und sie konnten es sich für MTV UN-<br />
PLUGGED II auch locker leisten, auf jegliche<br />
Überschneidungen mit Teil I zu verzichten.<br />
(Columbia/Sony <strong>Music</strong>, 2012,<br />
10/54:14, 8/41:19) us<br />
BENJAMIN BIOLAY<br />
VENGEANCE<br />
Auf seinem siebten<br />
Album<br />
innerhalb<br />
von elf <strong>Jahre</strong>n erfindet<br />
sich einer der<br />
bekanntesten Vertreter<br />
des so genannten<br />
Nouvelle<br />
Chanson<br />
nicht ihtneu, wenngleich lihBenjamin Biolay musikalische<br />
Elemente wie Rap-Gesang zum<br />
ersten Mal oder Keyboardklänge der 80er<br />
<strong>Jahre</strong> und Trip-Hop-Sounds der 90er <strong>Jahre</strong><br />
häufiger als bislang einsetzt. Ansonsten ist<br />
VENGEANCE ein gelungenes Exempel<br />
dafür, dass der in Frankreich sehr erfolgreiche<br />
Biolay mit aus den Filmmusiken von<br />
Enrico Morricone vertrautem Pathos und nuschelndem<br />
Flüstergesang durchaus als Serge<br />
Gainsbourg des 21. Jahrhunderts gelten darf.<br />
Die Rolle der Jane Birkin übernimmt unter<br />
anderem Vanessa Paradis in “Profite”. Beim<br />
Titelsong “Vengeance” mimt außerdem Carl<br />
Barât, ehemaliger Frontmann der Libertines,<br />
mit, der sich alle Mühe gibt, so mächtig wie<br />
Tom Jones oder Scott Walker zu klingen.<br />
Hoffentlich sieht man Biolay demnächst<br />
auch auf deutschen Bühnen.<br />
(Naïve, 2012, 14/55:00)<br />
an<br />
MICKEY NEWBURY<br />
LULLED BY THE MOONLIGHT<br />
+ STORIES FROM THE SILVER<br />
MOON CAFÉ + BLUE TO THIS<br />
DAY<br />
Für seine klassischen Americana-Alben, die<br />
er zwischen 1968 und 1981 aufgenommen<br />
hat, für Großtaten wie das 1971 veröffentlichte<br />
FRISCO MABEL JOY wurde der 2002<br />
vers<strong>to</strong>rbene Songwriter Mickey Newbury erst<br />
letztes Jahr mit dem opulenten Rückblick AN<br />
AMERICAN TRILOGY geehrt. Jetzt erscheinen<br />
drei seiner (schon lange vergriffenen)<br />
Spätwerke in luxuriösen Editionen. LULLED<br />
BY THE MOONLIGHT (17/73:12) erschien<br />
1996 und beendete damals eine 15-jährige<br />
Auszeit Newburys, auf dementsprechend viel<br />
hervorragendes Songmaterial konnte zurückgegriffen<br />
werden, noch dazu gespielt von der<br />
ersten Riege an Nashville-Studiomusikern,<br />
darunter Roger Hawkins, Reggie Young,<br />
Mike Elliot und Gene Chrisman. Mit nahezu<br />
der gleichen Mannschaft nahm er vier <strong>Jahre</strong><br />
später STORIES FROM THE SILVER<br />
Seite 42 ■ <strong>GoodTimes</strong> 6/2012 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong>