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FLUGZEUG CLASSIC Der Angstgegner (Vorschau)

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schlechtes Zeichen? Und es bleibt ruhig, bis<br />

kurz vor Mitternacht. Dann laufen die ersten<br />

Meldungen ein. Wieder einmal wandern rote<br />

Lichtpunkte auf der Milchglaskarte langsam<br />

über die Ostsee, parallel zur deutschen<br />

Küste. Die ersten Messerschmitt Bf 110 und<br />

Junkers Ju 88 des der 2. Jagddivision unterstellten<br />

Nachtjagdgeschwader 3 starten von<br />

ihren Fliegerhorsten in Stade, Vechta, Wittmundhafen,<br />

Wunstorf, Lüneburg und Kastrup<br />

und nehmen ihre Wartepositionen in<br />

ihren jeweiligen »Himmelbetten« (siehe<br />

<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 05/13) über der deutschen<br />

Nordseeküste ein. Schnell wird offensichtlich,<br />

dass die vorausfliegenden »Pfadfinder«-Maschinen<br />

die Vorboten eines großen,<br />

aus mehreren Hundert Maschinen bestehenden<br />

Bomberstromes sind. Doch was hat jener<br />

vor? Bislang steuert er direkt auf die Elbmündung<br />

zu. Wird er davor abschwenken?<br />

Nach Süden? Oder über Norddeutschland<br />

hinweg weiter Richtung Ostsee ziehen? Vielleicht<br />

sogar in Richtung Berlin?<br />

Mit einem Schlag ist die komplette Luftraumverteidigung<br />

außer Gefecht gesetzt.<br />

Und plötzlich fällt die Technik aus<br />

Da bleiben die roten Lichtpunkte plötzlich auf<br />

der Glaswand stehen, verharren minutenlang<br />

auf ein und demselben Fleck. Nervosität<br />

macht sich breit. Was ist da los? <strong>Der</strong> Nachrichtenoffizier<br />

schaltet sich in die Direktleitungen<br />

zu den Radarstellungen ein und erhält<br />

auf seine Fragen überall dieselbe Antwort:<br />

»Die Geräte sind gestört oder ausgefallen.«<br />

Vor allem die »Würzburg«-Geräte sind betroffen,<br />

über ihre Bildschirme flimmern nur<br />

noch wirre Echozacken, aus denen nichts<br />

Brauchbares herauszulesen ist. Das ist mehr<br />

als nur alarmierend, denn von den präzisen<br />

Angaben der »Würzburg«-Geräte hängt die<br />

Führung der Nachtjäger in ihren »Himmelbetten«<br />

ab! Und nicht nur die, sondern auch<br />

die der Flak! Nun tappen sowohl die einen als<br />

auch die anderen wortwörtlich im Dunkeln,<br />

und die Jägerleitoffiziere können augenblicklich<br />

gar nichts für sie tun.<br />

Selbst die »Freya«-Geräte funktionieren<br />

nicht so wie gewohnt. Mal erfassen sie<br />

Tausende von Flugzeugen, die sich dann<br />

plötzlich wieder in Nichts auflösen; doch immerhin<br />

erkennen sie den Bomberstrom zumindest<br />

noch in groben Zügen. Den oben bereits<br />

lauernden Nachtjägern nutzt das jedoch<br />

nicht viel, sie sind jetzt völlig auf sich alleine<br />

gestellt.<br />

Tief unter ihnen, im Gefechtsstand, gilt es,<br />

jetzt bloß nicht die Nerven zu verlieren; die<br />

2. Jagddivision bittet den Flugmeldedienst<br />

um Hilfe. Als hätte es das »Himmelbett«-Verfahren<br />

nie gegeben, als wäre diese gewaltige,<br />

hochtechnisierte Organisation der deutschen<br />

Nachtjagd gar nicht existent, wird nun auf<br />

Methoden aus der Anfangszeit des Krieges<br />

zurückgegriffen: auf die Beobachtungen der<br />

über das ganze Land verteilten Flugwachen<br />

am Boden. Diese melden, dass nun in der Nähe<br />

von Meldorf, über Dithmarschen, gelbe<br />

Leuchtkaskaden vom Himmel rieseln. Immer<br />

wieder neue Kaskaden, immer über demselben<br />

Gebiet: Da setzen wohl Pfadfindermaschinen<br />

eine Wendemarke? Tatsächlich bestätigen<br />

die nächsten Mitteilungen, dass der<br />

Bomberstrom geschlossen nach Südosten<br />

schwenkt; sich parallel zur Elbe weiterbewegend,<br />

hält er jetzt direkt auf Hamburg zu. Die<br />

alte Hansestadt hatte seit Beginn des Krieges<br />

Avro Lancaster B.I, SN R5868, Kennung<br />

OL-Q, der 83 Squadron Mitte 1943. Die<br />

R5868 nahm an »Gomorrha« teil und überlebte<br />

den Krieg. Heute steht sie im RAF<br />

Museum Zeichnung J. Franzi/aeroillustrations.com<br />

bereits zahlreiche Bombenangriffe zu überstehen,<br />

sowohl am Tag, als auch in der Nacht.<br />

Dabei reichte das Spektrum von kleineren<br />

Störangriffen einzeln fliegender Maschinen<br />

bis hin zu schweren Bombardements, die bereits<br />

deutliche Spuren hinterließen. Ist heute<br />

Nacht erneut die Millionen-Metropole dran?<br />

Am Boden sind in und um Hamburg herum<br />

mehr als fünfzig schwere, gut zwei Dutzend<br />

leichte Flak- sowie 22 Scheinwerfer- und<br />

drei Nebelbatterien positioniert. Doch weil<br />

neben den Nachtjägern im »Himmelbett-Verfahren«<br />

auch die Schusswerte der Flak nach<br />

den Messdaten der »Würzburg«-Geräte ermittelt<br />

werden und hier seit kurz vor<br />

ein Uhr nachts keine brauchbaren Angaben<br />

mehr durchdringen, ist quasi mit einem<br />

Schlag die komplette deutsche Luftraumverteidigung<br />

außer Gefecht gesetzt! Wie ist das<br />

nur möglich?<br />

■<br />

Fortsetzung im nächsten Heft.<br />

Was auf diesem Gemälde wie geballtes Abwehrfeuer wirkt, entpuppte sich bei »Gomorrha« als eine<br />

geringe Gefahr für die Angreifer<br />

<strong>FLUGZEUG</strong> <strong>CLASSIC</strong> 7/2013<br />

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