Download - JUGEND für Europa
Download - JUGEND für Europa
Download - JUGEND für Europa
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
7 Qualitative Analysen zu Auswirkungen des Dienstes und zum Kompetenzerwerb im Verlaufe des Dienstes – Ergebnisse der TeilnehmerInnenbefragung<br />
50<br />
Bis auf diese zwei Ausnahmen ermöglicht die<br />
Irritation der alten Lebenskonzepte und Einstellungen<br />
durch das Infragestellen des Alten<br />
und eine Konfrontation mit neuen, fremdkulturellen<br />
Mustern eine Auseinandersetzung mit alten<br />
Leitbildfragen und führt letztendlich zu einer<br />
Uminterpretation von Identifikationssymbolen<br />
und zur Erweiterung von Möglichkeiten<br />
der Lebensgestaltung.<br />
7.3.2 Europäische Integration<br />
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf<br />
Frage IV.3: „Hat sich durch den Freiwilligendienst<br />
Ihre Einstellung zur Europäischen Integration<br />
verändert? – nein / ja, und zwar...”.<br />
128 Personen antworteten auf diese Frage mit<br />
„Ja, und zwar...”. Da in der Auswertungsstrategie<br />
zu dieser Frage Mehrfachcodierungen ausgeschlossen<br />
wurden, ist die Zahl der Nennungen<br />
mit der Zahl der antwortenden Personen in<br />
diesem Fall identisch.<br />
Mit wenigen Ausnahmen (5) gibt die überwältigende<br />
Mehrheit der Befragten an, dass sie positiv<br />
zur kulturellen Leitidee der Europäischen<br />
Integration eingestellt sei, wobei sich differenzierende<br />
oder kritisch-ablehnende Antworten<br />
fast ausschließlich dadurch ergeben, dass der<br />
konkret erlebte Integrationsprozess so, wie er<br />
gerade stattfindet, diesem Idealbild nicht entspricht.<br />
Auch hier wird also nicht das Ideal selbst verworfen,<br />
sondern lediglich mit der erlebten<br />
Wirklichkeit kontrastiert. Es wird deutlich, dass<br />
die Ziele der Integration nicht in Frage gestellt<br />
werden; allerdings wird vor den Gefahren einer<br />
zu starken Normierung und eines drohenden<br />
kulturellen/nationalen Identitätsverlustes durch<br />
die europäische Integration gewarnt.<br />
Da es hinsichtlich der Akzeptanz des Leitbildes<br />
Integration bei den TeilnehmerInnen somit einen<br />
breiten Konsens zu geben scheint, wurde<br />
die Unterscheidung von befürwortender, differenzierender<br />
und ablehnender Haltung zum Integrationsprozess<br />
zwar ermittelt, aber nicht<br />
zum entscheidenden Kriterium der qualitativen<br />
Auswertung gemacht.<br />
Die erfragten Einstellungsänderungen lassen<br />
sich prinzipiell in zwei unterschiedlichen Dimensionen<br />
erfassen:<br />
Durch Auswertung des Inhaltsaspektes der<br />
Antworten können Veränderungen in der Akzeptanz<br />
der europäischen Integration (Zunahme/Abnahme/differenziertere<br />
Positionen) gemessen<br />
werden.<br />
In der kognitiven Dimension wird demgegenüber<br />
die Begründungsstruktur der Antworten<br />
analysiert, das heißt es wird ermittelt,<br />
inwiefern hier Lernerfolge im Bereich politischer<br />
Bildung erfolgt sind, die über das Thema<br />
der europäischen Integration hinaus von Bedeutung<br />
sind.<br />
Da es in dieser Evaluation vorrangig um die<br />
Ermittlung nachhaltiger Wirkungen und Lernerfolge<br />
geht, wurde der Schwerpunkt bei der<br />
Auswertung dieser Frage auf die kognitive Dimension<br />
gelegt. Im extremsten Fall wäre zum<br />
Beispiel ein durch den EFD bewirkter Wandel<br />
von kritikloser Zustimmung zur europäischen<br />
Integration zu einer kenntnisreichen und mit<br />
konkreten Erfahrungen untermauerten Ablehnung<br />
als Lernerfolg zu bewerten. Dieser<br />
empirisch nicht auftretende Grenzfall soll verdeutlichen,<br />
dass eine Pointierung auf bloßen<br />
Akzeptanzzuwachs sich konträr zu dem hier<br />
zugrundegelegten Erkenntnisinteresse verhalten<br />
würde.<br />
Aus der induktiv durchgeführten Auswertung<br />
ergeben sich drei Kategorien, welche sich hinsichtlich<br />
des Verweisungszusammenhangs von<br />
konkreter Alltagserfahrung und formal-abstrakter<br />
Begriffsverwendung unterscheiden:<br />
Kategorie 1: Abstraktion<br />
Hier finden sich jene Antworten, in deren<br />
Semantik und Begründungsstruktur kein Bezug<br />
zu den im EFD gemachten konkreten Erfahrungen<br />
sichtbar wird:<br />
„<strong>Europa</strong> ist unsere Zukunft.” (114)<br />
„Ich bin ein ‚besserer Europäer‘ geworden.”<br />
(100)<br />
„<strong>Europa</strong> ist für mich enger zusammengerückt.”<br />
(084)<br />
Diese Äußerungen bewegen sich ausschließlich<br />
auf einer abstrakten Ebene und zeichnen sich<br />
durch Detailarmut sowie durch das völlige Fehlen<br />
narrativer Elemente aus; sie lassen damit den<br />
Rückschluss auf ein klischeehaftes 63 Verständnis<br />
europäischer Integration und verwandter Topoi<br />
zu.<br />
Diese Bewertung verweist dabei nicht in erster<br />
Linie auf persönliche Defizite der Befragten,<br />
sondern macht vielmehr deutlich, dass „Europäische<br />
Integration” alltagsweltlich bislang<br />
kaum erfahrbar wird. Die Klischeebildung wird<br />
hier also nicht dadurch hervorgerufen, dass alltagsweltliche<br />
Wirklichkeit verdrängt, desymbolisiert<br />
oder in Form von Vorurteilsbildung umgedeutet<br />
würde. Die Unsicherheit in der Urteilsbildung<br />
verdankt sich in diesem Falle<br />
vielmehr der Tatsache, dass „Europäische Integration”<br />
noch immer in erster Linie als „von<br />
oben” induzierter Diskurs erscheint.<br />
63 vgl. Lorenzer, A.: Sprachzerstörung und Rekonstruktion. Vorarbeiten<br />
zu einer Metatheorie der Psychoanalyse. Frankfurt am Main<br />
1970