Download - JUGEND für Europa
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8 Lernprozesse und Kompetenzerwerb aus Sicht der Entsendeorganisationen<br />
68<br />
Die zweite Gruppe von Trägern, die über die<br />
Hälfte der Befragten ausmacht, schafft auf diese<br />
Weise ein ganzes Set von Parametern, die die<br />
Wirkungsmöglichkeiten des EFD einschließlich<br />
der Lernchancen von Freiwilligen umfassend<br />
beeinflussen. Dies wird auf jeder Stufe der Umsetzung<br />
erneut deutlich. Auffällig ist auch bei<br />
dieser zweiten Gruppe, dass sie meist als Entsende-<br />
und Aufnahmeorganisation in Erscheinung<br />
tritt, um bestehende Netzwerke zu pflegen<br />
oder weiter auszubauen, zum einen intensiv,<br />
indem bestehende Kontakte häufiger werden,<br />
zum anderen extensiv, indem neue Kontakte geknüpft<br />
werden.<br />
8.4.2 Werbung und Auswahl der Freiwilligen<br />
Ausschreibungsverfahren, Auswahlkriterien<br />
sowie das Verfahren der Teilnehmerauswahl<br />
präformieren in gewissem Umfang die später<br />
ablaufenden pädagogischen Prozesse. Hier werden<br />
zunächst die organisatorischen Aspekte des<br />
Ausschreibungsverfahrens dargestellt.<br />
Die meisten befragten Träger – darunter fast<br />
ausnahmslos jene der ersten Trägergruppe –<br />
suchen gezielt nach TeilnehmerInnen durch<br />
öffentliche Ausschreibung, durch Vorträge auf<br />
eigenen oder durch Dritte organisierten Veranstaltungen<br />
(z.B. in Zusammenarbeit mit Arbeitsämtern,<br />
Schulen, Jugendinformationszentren),<br />
kleinere Trägern teilweise auch durch<br />
gezielte Anfrage einzelner Jugendlicher.<br />
Einige Träger machen dagegen bewusst keine<br />
aktive „Werbung” für das Programm – sei es,<br />
weil sich wegen des Bekanntheitsgrades des Trägers<br />
Interessenten in (mehr als) ausreichender<br />
Zahl melden, oder sei es, um keinen Unterschied<br />
zwischen den Interessenten für den (kostenlosen)<br />
EFD und andere (kostenpflichtige) Freiwilligenprogramme<br />
zu präjudizieren:<br />
„Was wir eventuell bei der ganzen Sache nicht<br />
genügend berücksichtigt haben, ist, dass Jugendliche,<br />
die für einen [anderen] Freiwilligendienst<br />
6.000 Mark bezahlen, eine ganz klare Motivation<br />
haben, dieses Geld nicht aus dem Fenster zu<br />
werfen, sondern ein solches Freiwilligenjahr<br />
auch zu Ende zu führen, während Jugendliche,<br />
die den Einsatz sozusagen geschenkt bekommen,<br />
oft nicht wissen, was sie da eigentlich geschenkt<br />
bekommen... Das EFD-Programm ist<br />
eben für die, die schon gezeigt haben, dass sie bereit<br />
sind, sich [ohne Gegenleistung] zu engagieren.”<br />
Damit wird das Ausschreibungsverfahren zu<br />
einem ersten Motivationstest ausgestaltet.<br />
Bei jenen Trägern, die auch außerhalb des EFD<br />
Freiwilligendienste anbieten, ist das gesamte<br />
Auswahlverfahren (und die Vorbereitung) weitgehend<br />
prozessidentisch mit den Bedingungen,<br />
unter denen Freiwillige für andere Freiwilligenprogramme<br />
des gleichen Trägers rekrutiert werden.<br />
8.4.2.1 Auswahlkriterien<br />
Die Auswahlkriterien für die TeilnehmerInnen<br />
des EFD, die von europäischer oder nationaler<br />
Ebene vorgegeben werden, sind rudimentär. 80<br />
Dies lässt einen großen Spielraum für die Anwendung<br />
trägerspezifischer Gesichtspunkte<br />
und Verfahrensweisen.<br />
8.4.2.1.1 Positive Auswahlkriterien<br />
Bei der Auswahl der Freiwilligen gehen die Träger<br />
– ihrer Programmatik und ihren materiellen<br />
Möglichkeiten entsprechend – unterschiedliche<br />
Wege, und sie legen unterschiedliche Kriterien<br />
an.<br />
Als Positivkriterien werden (außer rein formalen<br />
wie Volljährigkeit, Vollständigkeit des Antrags<br />
usw.) am häufigsten relativ unspezifische,<br />
allgemein auf die Person der Interessenten bezogene<br />
Gesichtspunkte genannt:<br />
- Psychische Belastbarkeit, Stabilität der Persönlichkeit,<br />
Verlässlichkeit:<br />
„Dass einer verlässlich ist, scheint mir wichtiger<br />
zu sein, als dass er gut mit dem Computer umgehen<br />
kann.”<br />
- Charakterliche Eignung für den Freiwilligendienst<br />
- Situationsangemessenes Kommunikationsverhalten,<br />
Kommunikationsfähigkeit<br />
- Fähigkeit zur Gruppenarbeit<br />
- Grundkenntnisse der Sprache des geplanten<br />
Einsatzlandes<br />
Es gibt darüber hinaus Träger, die auf Grund<br />
einer spezifischen Programmatik spezielle Vorkenntnisse<br />
(z.B. über die deutsche Geschichte)<br />
zur Bedingung machen oder für die das Engagement<br />
der Freiwilligen vor ihrem Dienst ein positives<br />
Kriterium ist.<br />
Bestimmte formale Bildungsabschlüsse werden<br />
im Einklang mit den europäischen Programm-<br />
80 Im Benutzerhandbuch zum EFD werden zwei formale Kriterien<br />
(Lebensalter, Wohnsitz in einem der beteiligten Länder) und zwei<br />
qualitative Kriterien genannt: “Das Profil des Freiwilligen entspricht<br />
den Erfordernissen der Aufnahmeorganisation.” Und: “Die Teilnehmenden<br />
empfinden ein gewisses Maß an Verantwortung gegenüber<br />
der Entsende- sowie der Aufnahmeorganisation und sollen bei<br />
einem eventuellen Rücktritt von der Teilnahme eine umfassende Erklärung<br />
für diesen Schritt vorlegen.” (Benutzerhandbuch, S. 22-23)