Download - JUGEND für Europa
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8 Lernprozesse und Kompetenzerwerb aus Sicht der Entsendeorganisationen<br />
Die These der persönlichen Mobilitätserfahrung<br />
wird auch insofern gestützt, dass sich einige<br />
der TeilnehmerInnen des EFD durchaus vorstellen<br />
können, ihr Studium im Aufnahmeland<br />
zu absolvieren. Einer der Gesprächspartner verweist<br />
allerdings auch auf die „negative <strong>Europa</strong>-<br />
Erfahrung”, die durch administrative Unzulänglichkeiten<br />
der örtlichen Verwaltung (z.B.<br />
bei der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen,<br />
unklarer Versicherungsstatus der Freiwilligen)<br />
ausgelöst werden kann.<br />
Auch in diesem Punkt lässt sich eine Übereinstimmung<br />
vor allem mit den Ergebnissen der<br />
Auswertung offener Fragen der TeilnehmerInnenbefragung<br />
feststellen. Für etwa ein Fünftel<br />
der Befragten zählt der Topos „Europäische<br />
Bürgerschaft” zu den Auswirkungen des Freiwilligendienstes.<br />
Sie verstehen darunter aber<br />
hauptsächlich freundschaftliche Beziehungen<br />
zu Menschen im Gastland und eine Gefühlsbindung<br />
an die Kultur des Gastlandes. Sie bringen<br />
dieses Thema nicht primär mit europäischen politischen<br />
Institutionen und dem europäischen<br />
Integrationsprozess in Verbindung.<br />
8.3.2.4 Sprachenlernen<br />
Eine weitere Lerndimension ist das Ausdrucksvermögen<br />
in einer Fremdsprache. Die augenfälligen,<br />
zumeist schnellen Fortschritte der Freiwilligen<br />
in der Beherrschung der Landessprache<br />
sind dabei nach Auffassung einiger Gesprächspartner<br />
in ihrer Bedeutung für den Jugendlichen<br />
nicht einmal das Entscheidende. Ausschlaggebend<br />
sei vielmehr der instrumentelle Charakter<br />
des neu gewonnenen Rezeptions- und Ausdrucksvermögens<br />
für die Aneignung des kulturellen<br />
Kontexts im Gastland:<br />
„Das ist weniger das Sprachliche, sondern das<br />
Verstehen des anderen – nicht durch die Sprache,<br />
sondern das Verstehen von anderen Kulturen,<br />
Hintergründen. Wobei die Sprache ein Instrument<br />
ist.”<br />
„Spracherwerb – würde ich nicht so hoch einschätzen.<br />
Wichtig ist die Fähigkeit, sich in einem<br />
anderen kulturellen Kontext zu bewegen. Dies<br />
einmalige Erlernen, sich in einem anderen kulturellen<br />
Kontext zu verhalten, erleichtert einem<br />
auch, neue kulturelle Kontexte [in anderen Ländern]<br />
zu bewältigen. Ich denke, die bekommen<br />
mit diesem Austausch eine interkulturelle Kompetenz.”<br />
Die Sprachaneignung wird somit zum Instrument,<br />
um die Bedeutung der kulturellen Praxis<br />
des Gastlandes dechiffrieren, verbalisieren und<br />
mit der eigenen kulturellen Praxis vergleichen<br />
zu können. Die in diesem Sinne angeeignete<br />
Sprache ist konstitutiv für das interkulturelle<br />
Lernen. Sprachen lernen – darauf weisen einige<br />
Gesprächspartner hin – ist im Rahmen des EFD<br />
daher für das interkulturelle Lernen bedeutsamer<br />
als für die Aneignung berufsvorbereitender<br />
Qualifikationen im engeren Sinne.<br />
8.3.3 Annahmen über die die Lern- und<br />
Bildungsprozesse beeinflussenden Parameter<br />
Viele Gesprächspartner stellen auf Grund ihrer<br />
Beobachtungen Zusammenhänge zwischen bestimmten<br />
„Umgebungsvariablen” und den Wirkungen<br />
des EFD auf die Freiwilligen – das heißt<br />
auf die nach Intensität und Struktur unterschiedlichen<br />
Lernprozesse und Bildungsprozesse<br />
– her.<br />
Einige Gesprächspartner sind der Auffassung,<br />
dass im EFD die bewusst geplanten und gesteuerten<br />
Lern- und Bildungsprozesse in ihrer Bedeutung<br />
hinter die ungesteuerten, mehr oder<br />
weniger zufällig (wenn auch mit großer Wahrscheinlichkeit)<br />
sich ergebenden Prozesse zurükktreten.<br />
Dies sind wohl zutreffende Beobachtungen,<br />
denn innerhalb der Bandbreite der vielfältigen<br />
Lern- und Bildungsmöglichkeiten, die<br />
der EFD eröffnet, ist doch eine ganze Reihe solcher<br />
Erfahrungsgegenstände, die sich die Freiwilligen<br />
in produktiver Auseinandersetzung<br />
mit Anforderungen des täglichen Lebens und<br />
Arbeitens im Wesentlichen selbst aktiv aneignen<br />
und die sich kaum direkt steuern oder gar curriculisieren<br />
lassen.<br />
Nichtsdestotrotz lassen sich aus den Interviews<br />
mit den Trägern bestimmte Konstellationen<br />
identifizieren, die die Bildungsprozesse fördern<br />
oder blockieren.<br />
8.3.3.1 Vorbereitung der Freiwilligen 78<br />
Zunächst wird von den meisten Trägern die<br />
Auffassung geäußert, dass die Vorbereitung der<br />
Freiwilligen auf den Einsatz und auf den „interkulturellen”<br />
Lebensalltag entscheidenden Anteil<br />
daran hat, wie schnell die Freiwilligen mit<br />
der neuen Situation im Gastland zurechtkommen,<br />
Angst und Unsicherheit abbauen und für<br />
neue Erfahrungen offen werden.<br />
Ebenso häufig wird ein enger Zusammenhang<br />
zwischen der Intensität und der Qualität der<br />
Vorbereitung einerseits und der Fähigkeit der<br />
Freiwilligen andererseits hergestellt, ihre fremde<br />
Umgebung zu verstehen und ihre Erfahrungen<br />
realistisch und gegebenenfalls auch historisch<br />
einzuordnen.<br />
Auf Grund der heterogenen Struktur und der<br />
78 An späterer Stelle, bei der Beschreibung des Einflusses der Trägerprogrammatik<br />
(Kapitel 8.4.1), wird noch ausführlicher auf die<br />
Bedeutung der Vorbereitung der Freiwilligen eingegangen. Dies<br />
hängt damit zusammen, dass die Vorbereitung sehr von den mit<br />
dem EFD verbundenen Zielsetzungen und den sich daraus für die<br />
Praxis ergebenden Konsequenzen abhängt.<br />
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