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7 Qualitative Analysen zu Auswirkungen des Dienstes und zum Kompetenzerwerb im Verlaufe des Dienstes – Ergebnisse der TeilnehmerInnenbefragung<br />

54<br />

In methodologischer Hinsicht ist die Untergliederung<br />

der Auswirkungen in die Bereiche<br />

Kompetenzerwerb, Wirkungen und Einstellungsänderungen<br />

als rein analytische Kategorienbildung<br />

zu bezeichnen, während die<br />

Dimensionierung in die Bereiche persönlich,<br />

beruflich und gesellschaftlich/kulturell darüber<br />

hinaus auch eine realkategoriale, die Sinnwelt<br />

der Befragten selbst mitstrukturierende Qualität<br />

beinhaltet.<br />

Die stark induktive, nur locker an entsprechende<br />

Theorien angelehnte Kategoriengewinnung<br />

innerhalb der einzelnen Zellen weist diesbezüglich<br />

einen intermediären Charakter auf – Begriffe<br />

wie „Reife”, „Toleranz” oder auch „Autonomie”<br />

sind stärker realkategorial geprägt, Topoi<br />

wie „Empathie”, „Irritation von Normalbiografien”<br />

oder „Reflexive Sicht zur europäischen Integration”<br />

mehr analytisch. Es ist genau dieses<br />

Korrespondenzverhältnis von analytischer und<br />

realkategorialer Kategorienbildung, welches<br />

qualitative Verfahren der empirischen Sozialforschung<br />

auszeichnet. 66<br />

7.4 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />

Als wichtigstes Ergebnis der qualitativen Auswertung<br />

bleibt festzuhalten, dass die größten<br />

Kompetenzgewinne durch den EFD im Bereich<br />

der Persönlichkeitsentwicklung liegen.<br />

Viele Jugendliche finden hier erstmals die Gelegenheit,<br />

ihr Leben weitgehend selbstständig zu<br />

gestalten. Das „Auf-sich-selbst-gestellt-Sein” in<br />

einem Land, dessen Sprache man zumeist nur<br />

unvollkommen beherrscht sowie die kontinuierliche<br />

Auseinandersetzung mit dem Tätigkeitsbereich<br />

der Einsatzstelle ermöglichen es<br />

den Jugendlichen kaum, „aus dem Feld zu gehen”.<br />

Vielmehr sehen sie sich gezwungen, Probleme<br />

anzugehen, sich anderen verständlich zu machen<br />

und nicht zuletzt auch mit sich selbst und<br />

anderen geduldiger zu werden und ihnen zuzuhören<br />

– Begriffe, die in den Antworten immer<br />

wieder auftauchen.<br />

66 Wie bereits erläutert, wird dabei versucht, den realkategorialen<br />

Kern analytischer Kategorien in der Alltagswelt der Befragten herauszufiltern,<br />

womit ein zusätzlicher Interpretationsschritt eingeführt<br />

wird: Während in vielen Antworten zu den Kategorien „Autonomie”,<br />

„Persönliche Reife” oder „Offenheit” auch genau diese<br />

Worte von den Befragten verwendet wurden, taucht eine analytische<br />

Kategorie wie „Empathie” so natürlich nicht auf. Es muss daher<br />

rekonstruiert werden, welche alltagssprachlichen Beschreibungen<br />

die subjektive Wahrnehmung eines Kompetenzgewinns in dieser<br />

Dimension („Empathie”) erkennen lassen, wobei eher ein<br />

„Passungsverhältnis” zwischen analytischer Definition und alltagssprachlicher<br />

Bedeutungsmanifestation angestrebt wird, als dass die<br />

manifesten Sinngehalte der Befragten der analytischen Definition<br />

per Indikatorenbildung bloß subsumiert würden.<br />

Diese Herausforderung, sowohl passiv-rezeptive<br />

als auch aktiv-handlungs-orientierte persönliche<br />

Qualitäten zu entwickeln, führt erstaunlicherweise<br />

in der Regel nicht zu einer Überforderung,<br />

sondern forciert die persönliche<br />

Reifung in einem für die Freiwilligen selbst bemerkenswerten<br />

Umfang. Der Zugewinn an<br />

Autonomie mag angesichts des hohen Anteils<br />

von Frauen dabei auch geschlechtsspezifisch bedeutsame<br />

Züge tragen, da der Kompetenzerwerb<br />

für Frauen mit besonderen sozialisationsbedingten<br />

Inhalten verknüpft ist. Dieser These<br />

kann auf der Grundlage des hier zu Grunde<br />

liegenden Forschungsdesigns allerdings nicht<br />

weiter nachgegangen werden.<br />

Neben den im engeren Sinne persönlichkeitsbildenden<br />

Kompetenzen kommt – erwartungsgemäß<br />

– dem Bereich des interkulturellen Lernens<br />

eine besondere Bedeutung zu. Es ist allerdings<br />

durchaus bemerkenswert, dass der dem internationalen<br />

Charakter des Freiwilligendienstes geschuldete<br />

„europäische Mehrwert” ohne das<br />

Durchleben nennenswerter persönlicher Krisen<br />

erreicht zu werden scheint.<br />

Demgegenüber treten Fähigkeiten wie Spracherwerb,<br />

Teamfähigkeit und Flexibilität als beruflich<br />

verwertbare Qualifikationen deutlich in<br />

den Hintergrund. Dies sollte jedoch nicht dahingehend<br />

interpretiert werden, dass dem EFD<br />

nur eine geringe Bedeutung im beruflichen Bereich<br />

zukommt. Zum einen wirkt sich der enorme<br />

Zugewinn an persönlichen Ressourcen mit<br />

an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />

auch hinsichtlich des weiteren beruflichen Lebensweges<br />

der TeilnehmerInnen aus, auch wenn<br />

dies von ihnen selbst zum Befragungszeitpunkt<br />

noch nicht so stark thematisiert wird.<br />

Zum anderen gilt es festzuhalten, dass im beruflichen<br />

Zusammenhang in den Antworten weniger<br />

der unmittelbare Kompetenzerwerb im<br />

Vordergrund steht, sondern vielmehr die „Klärung<br />

des Berufsziels” als starke Wirkung des<br />

EFD auffällt. Diese deutlichen beruflichen Klärungen<br />

erfolgen dadurch, dass das ursprüngliche<br />

Berufsbild verstärkt oder aber EFD-bedingt<br />

verworfen wurde. Jedoch erfolgt auch das Abwenden<br />

vom ursprünglichen Berufsziel in der<br />

Regel nicht resignativ, sondern beinhaltet nicht<br />

selten die Bereitschaft, in dem ursprünglich beruflich<br />

avisierten Bereich nun doch lieber ehrenamtlich<br />

aktiv zu werden. Die Tätigkeit in der<br />

Einsatzstelle bewirkt in beiden Fällen eine realistischere<br />

Einschätzung dieses Feldes, die mit der<br />

Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Potenziale<br />

abgeglichen wird. Die diesbezüglichen<br />

Äußerungen sind erstaunlich realitätsbezogen<br />

und können als Ausdruck persönlicher Reife<br />

angesehen werden.

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