Weil ihr aber Söhne seid. . . - The Preterist Archive
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"Dass bei den Juden sich um die Zeit der Geburt Christi die so genannte allegorische<br />
Interpretation (mit welchem Namen man gewöhnlich alle diese<br />
verschiedenen Auffassungsweisen zu bezeichnen pflegt), vorfindet und von<br />
den oben genannten Personen in Anwendung gebracht worden ist, das wird<br />
von vielen nicht geleugnet und kann auch eigentlich nicht geleugnet werden,<br />
weil es ein klar vorliegendes historisches Faktum ist. Man fragte daher nur,<br />
wie denn diese Auffassungsart entstanden sein möchte? Warum man nicht,<br />
wie alle anderen Bücher, so auch die Bibel stets nur nach <strong>ihr</strong>em nächsten<br />
Sinne verstanden hätte?. . Die Verhältnisse der Juden zur hellenischen Welt<br />
glaubte man vor allem zur Erklärung nutzen zu können – und das in der Tat<br />
nicht ohne Schein. Sehr richtig bemerkt man nämlich, dass die Zerstreuung<br />
der Juden unter die griechischredenden Völker in Syrien, Ägypten, Asien<br />
sehr bedeutende Veränderungen in der ganzen Denk- und Sinnesart derselben<br />
veranlasst hätten. Die harte und schroffe Weise dieses Volkes hätte sich<br />
gemildert, sie hätten hellenische Künste und Wissenschaften getrieben, hätten<br />
einsehen lernen, dass die Vorstellungen mancher Philosophen von Gott<br />
und göttlichen Dingen nicht selten edel und tief seien und sich zum Teil veranlasst<br />
gefunden, dieselben anzunehmen; zugleich hätten sie <strong>aber</strong> von Seiten<br />
der feinen, gebildeten Griechen vielen Spott hören müssen über die in<br />
<strong>ihr</strong>en heiligen Büchern herrschenden, zum Teil auffallenden Ansichten von<br />
göttlichen Dingen, und um diesem auszuweichen und auch den hellenischen<br />
Philosophen dieselben annehmlich zu machen, wären sie veranlasst worden,<br />
reine philosophische Vorstellungen in die Schriften Moses und der Propheten<br />
hineinzulegen mittels einer solchen allegorischen Interpretation; ja dieses<br />
Mittel selbst hätte sich ihnen in der Bekanntschaft mit den Heiden auf sehr<br />
natürliche Weise angeboten. Unter den Griechen selbst nämlich habe ein<br />
ganz ähnliches Verhältnis bestanden; Homer sei da das allgemeine Bildungsbuch<br />
gewesen, wie unter den Juden Moses, die rohen und untergeordneten<br />
Vorstellungen <strong>aber</strong> des alten Rhapsoden hätten der spätern Zeit<br />
nicht mehr munden wollen, oder man hätte Nachteil davon für die Jugend<br />
erwartet. Um also den Dichter vor der Beschuldigung der Gottlosigkeit (asebeia),<br />
die Jugend vor Schaden zu schützen, habe man angefangen den Homer<br />
allegorisch zu deuten, um rohen und unschicklichen Stellen einen tieferen,<br />
philosophischen Sinn unterschieben zu können" (33-35).<br />
"Diese Ableitung des Ursprungs der allegorischen Interpretation aus der<br />
Stellung der Juden zu den Griechen und <strong>ihr</strong>e Parallelisierung mit der Interpretation<br />
der Allegoriker des Homer, hat durchaus etwas Wahres in sich,<br />
wodurch sie sich als zur Lösung aller Schwierigkeiten geeignet darstellen<br />
will. Die Verhältnisse sind nämlich ganz richtig aufgefasst und man braucht<br />
nur die Fragmente des Eleazar, Aristobul, und auch die Philonianischen<br />
Schriften zu lesen, um ihnen abzufühlen, wie diese Männer sorgten, <strong>ihr</strong>e<br />
heiligen Schriften gegen die stichelnden Bemerkungen der Philosophen zu<br />
schützen und die geläufigen Lehrsätze auch in ihnen wieder nachzuweisen;<br />
allein erklären kann man aus diesen Verhältnissen doch nur die so oder anders<br />
modifizierten Anwendungen und Ausführungen der allegorischen Interpretation<br />
bei den einzelnen Personen, die Entstehung der Auslegung selbst<br />
<strong>aber</strong> in <strong>ihr</strong>em letzten Grunde ist damit offenbar nicht nachgewiesen. <strong>The</strong>rapeuten,<br />
Essener, Pharisäer und alle Palästinenser hatten kein Interesse, um<br />
der Griechen willen allegorisch zu erklären, und wie könnte man sich denken,<br />
warum die Juden eine Interpretationsweise, die ihnen verhasst sein<br />
"<strong>Weil</strong> <strong>ihr</strong> <strong>aber</strong> Söhne <strong>seid</strong>. . ." 2. Auflage 78