Verbale Angriffe im Schulalltag - Sekundarstufe I - Pädagogische ...
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<strong>Verbale</strong> <strong>Angriffe</strong> <strong>im</strong> <strong>Schulalltag</strong><br />
Diskussion<br />
Auswertung der Untersuchungsergebnisse<br />
ten und wieder vergessen, und sie erzählten uns <strong>im</strong> Rückblick nur die massivsten<br />
Fälle, diejenigen die sie kaum vergessen oder verdrängen konnten.<br />
Dass die meisten der neun von uns analysierten <strong>Angriffe</strong> derart massiv sind, st<strong>im</strong>mt<br />
mit der Feststellung von Schmidbauer (2007) überein, dass in der modernen Gesellschaft<br />
– <strong>im</strong> Unterschied zu früher - unmittelbar ausgelebt wird, was gefühlt wird. Früher<br />
wurden hochgehende Emotionen in der Kommunikation mit anderen mit Hilfe von<br />
Vernunft, Disziplin, Höflichkeit, Ironie und Humor so „gebrochen―, dass sie für den<br />
andern erträglich wurden. Heute hingegen wird sofort ausgesprochen was gefühlt<br />
wird, ohne Selbstkontrolle und –disziplin, was die Kränkbarkeit der Menschen heute<br />
stark erhöht. Dies ist die These von Wolfgang Schmidbauer. Entsprechend wurden<br />
uns isolierte Ereignisse von unerwartet plötzlichen verbalen <strong>Angriffe</strong>n geschildert, in<br />
welchen beispielsweise eine Mutter die Lehrperson am Telefon massiv besch<strong>im</strong>pfte<br />
und beleidigte, weil ihre Tochter den Raum, in welchem der freiwillige Kurs über Mittag<br />
hätte stattfinden sollen, nicht gefunden hatte. Oder ein Oberstufenschüler rastete<br />
nach mehrmaliger Verwarnung derart aus, dass er gegenüber der Lehrperson eine<br />
verbale Gewaltandrohung äusserte. Solche massiven plötzlichen verbalen Ausbrüche<br />
mit ehrverletzendem oder drohendem Inhalt sind offenbar in jedem Beruf, in welchen<br />
man es mit Menschen zu tun hat, heute keine Ausnahme mehr. Nicht nur Lehrpersonen<br />
müssen damit zurechtkommen, auch für Schalterbeamte, Verkaufsangestellte,<br />
Buschauffeure sind solche Ereignisse leider Teil ihres Alltags geworden, wie<br />
einschlägige Artikel in den Tageszeitungen demonstrieren.<br />
In meinen Resultaten ist das Kränkende an den <strong>Angriffe</strong>n von Elternseite her, dass<br />
die Berufsidentität und die Berufsehre der Lehrperson angegriffen wird. Dieser Befund<br />
st<strong>im</strong>mt mit Wardetzkis Aussage überein: "Kränkungen berühren <strong>im</strong>mer das<br />
Selbstwertgefühl.― Fünf der neun verbalen <strong>Angriffe</strong> fanden zudem vor Publikum statt.<br />
Vor Publikum ist man gewissermassen <strong>im</strong> offenen Schussfeld. <strong>Verbale</strong> <strong>Angriffe</strong> können<br />
die Lehrperson entwürdigen und ihr Selbstvertrauen zerstören. Solche seelische<br />
Verletzungen hinterlassen Wunden. Ich interpretiere dieses Ergebnis übereinst<strong>im</strong>mend<br />
mit der Theorie von Wardetzki zum "wunden Punkt" (Wardetzki, 2000, Kapitel:<br />
Der wunde Punkt). Der wunde Punkt ist eine nicht ganz verheilte Wunde, die bei entsprechendem<br />
Anlass aufbricht. Es sind frühere verletzende Erfahrungen, die das<br />
Selbstwertgefühl angegriffen haben und dann den wunden Punkt bilden. Der wunde<br />
Masterarbeit Tanja Rothenfluh 8. November 2007 Seite 100 von 126