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Klinoskop 3/2010 - Klinikum Chemnitz

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32<br />

Feigheit. Ganz einfach.<br />

Warum sind unter den Regiegranden<br />

im deutschen Theater, vermutlich auch<br />

international, kaum Frauen – analog zum<br />

Schach könnte man sagen.<br />

Ich weiß es nicht. Vielleicht haben Frauen<br />

ein anders gelagertes Interesse.<br />

Drei Sätze zu Ihrer Zeit in <strong>Chemnitz</strong> lassen<br />

sich nicht vermeiden…<br />

Rückblickend eine wunderbare Zeit. In<br />

<strong>Chemnitz</strong> wurde ich Regisseur, in <strong>Chemnitz</strong><br />

hab’ ich Blut geleckt am Theater. In <strong>Chemnitz</strong><br />

habe ich Freunde kennengelernt, mit<br />

denen ich nach wie vor eng zusammen bin<br />

– auch in der Arbeit – wie Olaf Altmann, Peter<br />

Kurth, Peter Moltzen, die ganzen Leute,<br />

mit denen ich ständig zu tun habe. <strong>Chemnitz</strong><br />

war für mich ein richtiger Geburtsort:<br />

als Westdeutscher in Ostdeutschland mit<br />

Regie zu beginnen, was für mich eine ganz<br />

neue Welt war – Ostdeutschland war mir<br />

zunächst ja fremder als Spanien. Diese<br />

Fremdheit hat etwas ausgelöst und war ein<br />

Geburtsort für viele Dinge. Ich hab’ mich<br />

erstaunlich wohlgefühlt – ich war immerhin<br />

sieben Jahre dort. Mein ältester Sohn ist<br />

auch in <strong>Chemnitz</strong> geboren.<br />

Mal im Voxxx so richtig versackt?<br />

Des öfteren, um nicht zu sagen häufig. Was<br />

ist dort jetzt eigentlich?<br />

Wo Ihr gefeiert und geplant habt, sind jetzt<br />

Eigentumswohnungen drin.<br />

Ach du lieber Gott.<br />

Es hieß, dass Sie 1998 in <strong>Chemnitz</strong> von<br />

Herbert Olschok und Rolf Stiska weggeekelt<br />

worden sind…<br />

Ja und nein. Weggeekelt würde ich nicht sagen,<br />

das war es gar nicht. Die Seite Stiska<br />

/ Olschok hat der neuen Truppe und ihrer<br />

neuartigen Energie, die dort entstanden ist,<br />

ratlos gegenübergestanden. Unsere Energie<br />

war so stark, dass das Haus damit gar<br />

nicht umgehen konnte. – Wenn man zurückblickt,<br />

war vieles auch überflüssig, gerade<br />

diese Härte, mit der man miteinander umgegangen<br />

ist.<br />

Da wurden aber auch gleich mal die Requisiten<br />

für ein Erfolgsstück zerstört…<br />

... um „Stella“ nicht mehr aufführen zu können.<br />

Das war schon heftiger Tobak, aber im<br />

Nachhinein kann ich nur darüber lächeln. –<br />

Es ist ja auch alles gut ausgegangen.<br />

Hat man sich noch mal gesehen?<br />

Nein. – Aber wie das eben so ist, wenn Zeit<br />

vergangen ist: Stiska hat über seine Zeit in<br />

Mit seiner Inszenierung von „Liliom“ am Hamburger Thalia Theater realisierte Michael Thalheimer seinen gefeierten<br />

Durchbruch in der deutschsprachigen Theaterszene: Ausschnitt mit den Stars Fritzi Haberlandt als Julie und<br />

Peter Kurth in der Rolle des Liliom. Foto: Arno Declair für Thalia Theater Hamburg<br />

<strong>Chemnitz</strong> dieses Buch rausgebracht, auch<br />

da taucht man drin auf, da wird alles würdevoll<br />

beschrieben...<br />

Wie viel müsste man Ihnen bieten, damit<br />

Sie noch einmal in <strong>Chemnitz</strong> arbeiten?<br />

Für so was bin ich nicht gestrickt. Das geht<br />

nicht mehr, das hätte auch keinen Sinn. Ich<br />

würde mich da nicht mehr wohlfühlen, ich<br />

wüsste nicht mehr, warum ich dort arbeite.<br />

Für das Haus wäre das auch nicht so gut,<br />

glaube ich. Man sollte auch nicht mehr zurückkehren,<br />

egal, wie viel Geld man geboten<br />

bekommt. In der Nostalgie mag es weiterleben,<br />

aber da ist es auch gut aufgehoben.<br />

Was vorbei ist, ist unwiderruflich vorbei.<br />

Wenn man wirklich gute Kunst produziert,<br />

enttäuscht man automatisch Menschen,<br />

die einem nahe stehen?<br />

Das ist unvermeidbar. Man kann nicht jedem<br />

gefallen, mitunter auch den Menschen<br />

nicht, die ganz eng bei einem sind – das ist<br />

so. Das ist auch das Problem am Regieführen,<br />

das einsam machen kann.<br />

Es gibt nur Entscheidungen, Krankheit und<br />

Tod. Das wäre der Ansatz für jede gute<br />

Inszenierung?<br />

Nein. Es gibt mehr. Sehnsucht.<br />

Gibt es Liebe?<br />

Die Hoffnung danach.<br />

Ein großes Bankkonto hilft wahre Liebe<br />

länger erhalten, schrieb Graham Greene in<br />

„Dr. Fischer aus Genf“.<br />

Geld hilft bei vielem, weil es das Leben angenehmer<br />

macht. Warum nicht auch für die<br />

wahre Liebe?<br />

Fühlt man sich wenigstens kurzzeitig<br />

schlecht, wenn Sie in Ihrer Inszenierung<br />

von Jon Fosses „Schlaf“ die Tristesse und<br />

das schnelle Ende des Lebens in genau<br />

einer Stunde vorführen?<br />

Schlecht und gut zugleich. Es war eine ungewöhnliche<br />

Arbeit.<br />

Wie groß ist die Versuchung, als Celebrity<br />

in die Berliner Pseudo-Kultur-Society einzurücken<br />

– so etwas zwischen Grill Royal<br />

und Borchardts...<br />

Absolut Null bei mir. Ich flüchte da sogar,<br />

ich entziehe mich dem und möchte da nicht<br />

dazugehören. Ich habe mich nie zu Cliquen<br />

zugehörig gefühlt, in meinem ganzen Leben<br />

nicht. Warum sollte ich das jetzt tun? Es ist<br />

schön, dass es das gibt, ich beobachte das<br />

von außerhalb, aber ich möchte da nicht<br />

dabei sein.<br />

Wann führt Thalheimer das erste Mal Regie<br />

für einen Film?<br />

Davor habe ich großen Respekt. Es gibt Angebote<br />

– irgendwann werde ich das wohl<br />

machen.<br />

Mit eigenem Drehbuch?<br />

Das weiß ich noch nicht. Aber ich brauche<br />

unheimlich Zeit, mich auf ein neues Medium<br />

einzulassen. Ich müsste mindestens ein<br />

Jahr mit dem Theater aufhören. Das kann<br />

ich mir noch nicht vorstellen.<br />

Wäre es rein theoretisch denkbar, in<br />

Deutschland ein Theater – zumindest temporär<br />

– ohne Zuschüsse zu führen?<br />

Temporär ist das denkbar, aber es steht<br />

eine große Gefahr dahinter. So absurd das<br />

klingen mag: Die staatliche Unterstützung<br />

schafft uns unglaubliche Freiheit, und sie<br />

schafft wohl wesentlich mehr Freiheit, als

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