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Klinoskop 3/2010 - Klinikum Chemnitz

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60<br />

Eine lange Reise über den langen Weg<br />

Die <strong>Klinikum</strong>s-Pfleger Thomas und Anett Schumann leisten soziale Arbeit vor Ort in Ruanda<br />

Familie Schumann aus Oelsnitz wird bis 2012 im<br />

afrikanischen Ruanda leben, arbeiten und lernen.<br />

Der Auslöser war eine kleine Anzeige in<br />

der evangelischen Wochenzeitschrift „idea<br />

Spektrum“. Der Verein „Christliche Fachkräfte<br />

International“ suchte medizinische<br />

Kräfte für ein Projekt in Ruanda. In Shyira,<br />

einem kleinen Ort im Norden des Landes,<br />

soll ein Sozialzentrum aufgebaut werden, in<br />

dem Waisenkinder, HIV-infizierte Kinder und<br />

deren Eltern sowie HIV-positive Witwen und<br />

Waisen betreut, beraten und aufgenommen<br />

werden können.<br />

Eine Anzeige in der Zeitung<br />

Thomas Schumann, Fachkrankenpfleger für<br />

Intensivpflege im Standort Küchwald des<br />

<strong>Klinikum</strong>s <strong>Chemnitz</strong>, erinnert sich, was ihn<br />

vor zwei Jahren an dieser Annonce angesprochen<br />

hat: „Es war die Art der Tätigkeit,<br />

der Querschnitt der Arbeiten und die Beschreibung<br />

der Situation in diesem Arbeitsumfeld.“<br />

In dem von Bürgerkrieg und Völkermord<br />

gebeutelten Land habe er anderen<br />

Menschen, die es wirklich brauchen, Gutes<br />

tun wollen. Und: Es war Gottes Einfluss gewesen,<br />

der ihn auf diese und keine andere<br />

Anzeige habe aufmerksam werden lassen,<br />

ist der 35-Jährige überzeugt.<br />

Mittlerweile lebt Thomas Schumann mit<br />

seiner Frau Anett und den Kindern Elisabeth,<br />

Marianne und Benjamin in dem kleinen<br />

ostafrikanischen Land. Am 2. August<br />

2009 hat ihr Aufenthalt in Shyira im Staat<br />

Ruanda begonnen. Drei Jahre insgesamt<br />

wird diese Phase dauern.<br />

Was sie vorfanden, sei jedoch so ganz anders<br />

gewesen als das, was sie sich vorgestellt<br />

hatten. „Wir hatten eine gute Vorbereitung<br />

auf den Einsatz mit dreimonatigem<br />

Sprachstudium in England und einer interkulturellen<br />

Schulungszeit in einem Institut<br />

für Entwicklungszusammenarbeit“, sagt<br />

der Krankenpfleger. Dort hat sich die Familie<br />

intensiv mit der Kultur und Geschichte<br />

Ruandas auseinandergesetzt. „Doch die<br />

gedankliche Auseinandersetzung und das<br />

tatsächliche Leben vor Ort sind eben nicht<br />

miteinander zu vergleichen. Das Leben ist<br />

komplett anders als in Deutschland“, erklärt<br />

Thomas Schumann.<br />

Das Trauma des Krieges<br />

Er zählt auf, was ihm besonders auffällt:<br />

die durch den Völkermord 1994 und die<br />

anschließenden Kämpfe (1997-1999) zwischen<br />

den Rebellen und der Rwanda Patriotic<br />

Front (RPF) traumatisierte Bevölkerung,<br />

die schwierige Situation der HIV-infizierten<br />

Kinder und Erwachsenen, die hohe Anzahl<br />

an Waisenkindern, die einfache Art der medizinischen<br />

Versorgung und der sehr niedrige<br />

Lebensstandard vor allem der ländlichen<br />

Bevölkerung.<br />

Hinzu kommen elementare Schwierigkeiten<br />

im Alltag. Zum Beispiel seien die Straßen<br />

außerhalb von Ruandas Hauptstadt Kigali<br />

häufig unbefestigt. Bei Regen – es gibt zwei<br />

Regenzeiten im Jahr, sonst ist das Klima<br />

sehr gemäßigt und mit Höchsttemperaturen<br />

von 28 Grad dem mitteleuropäischen<br />

Sommer sehr ähnlich – verwandelten sie<br />

sich in Schlamm, seien kaum, manchmal<br />

gar nicht passierbar. Es gibt keine reguläre<br />

Stromversorgung. Zwischen 18 und 20 Uhr<br />

gibt es Strom über den Generator des Krankenhauses.<br />

Mit Einbruch der Dunkelheit –<br />

in einem Land so nah am Äquator eine Sache<br />

von Minuten – sind deshalb bestimmte<br />

Tätigkeiten nicht mehr möglich. Die Versorgung<br />

mit sauberem Wasser ist für den<br />

größten Teil der Bevölkerung unzureichend.<br />

Viele Ruander leben in baufälligen Hütten.<br />

Und doch: „Die Menschen sind überwiegend<br />

sehr freundlich und herzlich trotz der so offensichtlichen<br />

Armut und Not. Das hat uns<br />

überrascht“, sagt Thomas Schumann.<br />

Temporäre Hilfe im OP-Saal<br />

Bevor er jedoch mit seiner eigentlichen Arbeit<br />

beginnen konnte, habe sich sein Sohn<br />

als Baufachmann, Logistiker und Organisator<br />

betätigen müssen, erzählt Vater Lothar<br />

Schumann. Baumaterial musste beschafft,<br />

Arbeit koordiniert werden, denn: „Von dem<br />

geplanten Sozialzentrum stand noch nicht<br />

allzu viel. Ein Gebäude musste zunächst<br />

vollendet werden, ein zweites befindet sich<br />

im Bau.“ So habe es ihm sein Sohn in einer<br />

der vielen E-Mails und in Telefonaten<br />

berichtet. Das Sozialzentrum sei zudem an<br />

ein Krankenhaus angegliedert. Hier hilft der<br />

35-Jährige auch schon mal im Operationssaal<br />

aus.<br />

Schwiegertochter Anett, eine ausgebildete<br />

Krankenschwester, hilft derzeit in einem<br />

Kindergarten mit. Elisabeth und Marianne<br />

werden inzwischen von einer deutschen<br />

Abiturientin unterrichtet – und zwar nach<br />

einem speziellen Programm, sagt Lothar<br />

Schumann. Der Fernunterricht für deutsche<br />

Schüler im Ausland wird von der Behörde<br />

für Schule und Berufsbildung in Hamburg<br />

angeboten und richtet sich an Kinder und<br />

Jugendliche im Ausland, in deren Nähe es<br />

keine deutschsprachigen Schulen gibt.<br />

Das alles gehe über Post und Internet. „Die<br />

Mädchen finden’s gut“, sagt Lothar Schumann.<br />

Und der Jüngste? „Wird vormittags<br />

von seiner Mutti unterrichtet und spricht<br />

schon recht gut Englisch und erste Sätze in<br />

Kinyarwanda.“<br />

Kein Flatrate, kein Festnetz<br />

Das Einleben sei bei allen unterschiedlich<br />

verlaufen. „Besonders meine Frau und<br />

die Kinder vermissen die Familie und ihre<br />

Freunde“, sagt Thomas Schumann. Aber<br />

sie gewinnen ja auch neue Freunde hinzu.<br />

Und mit Internet und Telefon, Briefen und<br />

Päckchen wird die Entfernung zur Heimat<br />

doch etwas kleiner. „Wir mailen oft und<br />

mindestens zweimal in der Woche telefonieren<br />

wir“, bestätigt Vater Lothar. In Ruanda<br />

gibt es jedoch kein Festnetz, alle Telefonate<br />

laufen über Handy.<br />

Thomas und Anett Schumann haben bislang<br />

in dem noch nicht völlig fertig gestellten<br />

Sozialzentrum eine Waisenkindergruppe<br />

aufgebaut und Beratungsgruppen, zum<br />

Beispiel für HIV-positive Kinder, Witwen, alleinstehende<br />

Frauen und Paare mit HIV-Infektion,<br />

installiert. Desweiteren gibt es eine<br />

Gruppe für junge unverheiratete Mütter und<br />

körperbehinderte Kinder. Das Zentrum ist<br />

ganztätig für Hilfesuchende geöffnet. Nach<br />

Auskunft des Paares kommen Menschen<br />

mit ganz unterschiedlichen Problemen in<br />

das Zentrum: weil das Schulgeld nicht aufgebracht<br />

werden kann, wegen ungewollter<br />

Schwangerschaft, wegen Unterstützung,<br />

weil der Vater im Gefängnis sitzt oder erkrankt<br />

ist.<br />

Sicherheit und Schule<br />

Durch das Sozialzentrum erhalten Ruander<br />

Arbeit und helfen am Ende ihren Mitmenschen<br />

selbst. In der Waisenkindergruppe<br />

beispielsweise wird es etwa 40 Kindern ermöglicht,<br />

zur Schule zu gehen, ausreichend<br />

zu essen zu haben, Sicherheit und Gebor-

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