Klinoskop 3/2010 - Klinikum Chemnitz
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4<br />
Intensive Betreuung und Statistiken<br />
Typ I Diabetes mellitus bei Kindern und Jugendlichen – kommt er wirklich häufiger vor?<br />
Der Diabetes mellitus gehört in der Kinder-<br />
und Jugendmedizin zu den eher selten<br />
auftretenden Krankheiten. Trotzdem ist er<br />
für den Kinder- und Jugendarzt die wichtigste<br />
Erkrankung im Bereich Stoffwechsel<br />
und Endokrinopathien. Schon seit Jahrzehnten<br />
stellt sich die Frage, ob Diabeteserkrankungen<br />
bei Kindern und Jugendlichen häufiger<br />
vorkommen und wenn ja, wo dafür die<br />
Ursachen zu suchen sind.<br />
Ein prospektives<br />
Melderegister<br />
Mitte der 90er Jahre entstand unter den<br />
Kinderdiabetologen Sachsens die Überlegung,<br />
ein flächendeckendes prospektives<br />
Melderegister für Neuerkrankungen an Diabetes<br />
mellitus zu schaffen. Diese Initiative,<br />
die vorwiegend von den Kollegen der<br />
Universitätskinderkliniken in Leipzig und<br />
Dresden sowie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin<br />
der <strong>Klinikum</strong> <strong>Chemnitz</strong> gGmbH<br />
getragen wird, führte 1998 zur Etablierung<br />
des Sächsischen Diabetesregisters.<br />
Wir versuchen, flächendeckend in Sachsen<br />
alle neu an Diabetes mellitus erkrankten<br />
Kinder und Jugendliche mit Hilfe eines<br />
standardisierten Fragebogens einmalig zu<br />
erfassen. Die Bearbeitung der Fragebögen<br />
und die Erstellung der statistischen Erhebungen<br />
erfolgt am Institut für medizinische<br />
Informatik und Biometrie der Universität<br />
Dresden. Die Validität der Daten ist mit Hilfe<br />
zusätzlicher Datenquellen gesichert worden,<br />
so dass wir erfreulicherweise davon<br />
ausgehen dürfen, dass uns die Meldedaten<br />
aus den Sächsischen Kinderkliniken sowie<br />
Abteilungen nahezu lückenlos vorliegen.<br />
Quantitativer Schwerpunkt<br />
ist <strong>Chemnitz</strong><br />
Nachdem wir 1998 einmalig retrospektive<br />
Daten erfasst haben, liegen uns nun für<br />
den Zeitraum 1999 bis 2008 prospektive<br />
Daten vor. An das Sächsische Kinderdiabetesregister<br />
sind uns in diesen zehn Jahren<br />
1.105 Neuerkrankungen im Bereich der Kinder-<br />
und Jugendmedizin gemeldet worden.<br />
864 Patienten im Alter zwischen 0 und 15<br />
Jahren wurden als Typ I-Diabetes eingeordnet.<br />
Zwei Drittel aller Patienten wurden aus<br />
den vier Kinderkliniken der drei Großstädte<br />
(Universitätsklinikum Leipzig, Universitätsklinikum<br />
Dresden, <strong>Klinikum</strong> Dresden<br />
Neustadt und <strong>Klinikum</strong> <strong>Chemnitz</strong>) gemeldet.<br />
Mit 220 gemeldeten Patienten ist die<br />
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin unseres<br />
Hauses die Einrichtung in Sachsen mit<br />
der größten Zahl an Neuerkrankten dieser<br />
Altersgruppe. Dass sich am Melderegister<br />
bei insgesamt 34 Einrichtungen auch vier<br />
Kliniken regelmäßig beteiligt haben, die nie<br />
einen Patienten behandelt haben, soll bewusst<br />
Erwähnung finden.<br />
Neuerkrankungen pro 100.000<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Stand: 26.02.<strong>2010</strong><br />
Altersstandardisierte Inzidenzraten Kinder mit Diabetes Typ 1<br />
bis 15 Jahre in Sachsen (1999-2008)<br />
(1999 2008)<br />
17,49<br />
16,35<br />
12,64<br />
14,55<br />
Die altersstandardisierte Inzidenz schwankt<br />
zwischen 12,64/100.000 im Jahre 2001 und<br />
22,79/100.000 im Jahre 2008 (siehe Abbildung).<br />
Wenn man den 10-Jahreszeitraum<br />
in zwei 5-Jahresteilabschnitte untergliedert,<br />
ergibt sich eine altersstandardisierte<br />
5-Jahresinzidenz von 1999 bis 2003 von<br />
15,8/100.000 (95% CI: 14, 4 bis 17,4) und<br />
für 2004 bis 2008 von 20,8/100.000 (95%<br />
CI: 18,9 bis 22,8). Damit sind die Daten<br />
sowohl international als auch mit anderen<br />
nationalen Registern, die es aber nur in Baden-Württemberg<br />
und Nordrhein-Westfalen<br />
gibt, vergleichbar.<br />
Bei der Frage der Abhängigkeit der Inzidenzen<br />
von der Altersgruppe zeigen sich<br />
Inzidenzzunahmen besonders in der Altersgruppe<br />
der 0 bis 5-Jährigen und der 10<br />
bis 15-Jährigen. Signifikante Unterschiede<br />
zwischen erkrankten Mädchen und Jungen<br />
wurden nicht registriert. Erfreulicherweise<br />
liegt der Anteil der Neuerkrankten mit Ketoacidose<br />
nur bei 10%. Die durchschnittliche<br />
Krankenhausverweildauer ist von ca. 19<br />
Tagen im Jahre 1999 auf 12 Tage im Jahre<br />
2008 gesunken.<br />
18,18<br />
Erste Einschätzung möglich<br />
Mit einer durchschnittlichen Inzidenz von<br />
18,3/100.000 (95% CI: 17,1 bis 19,6) ist<br />
der Diabetes mellitus Typ I für die stationäre<br />
pädiatrische Betreuung ein wichtiges<br />
Krankheitsbild. Fast ein Drittel aller sächsischen<br />
Patienten wird an der <strong>Klinikum</strong><br />
15,8/100.000 (95% CI: 14,4-17,4) 20,8/100.000 (95% CI: 18,9-22,8)<br />
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />
19,37<br />
21,42<br />
18,05<br />
22,46<br />
22,79<br />
Quelle: Sächsisches Kinder-Diabetes-Register<br />
<strong>Chemnitz</strong> gGmbH stationär und ambulant<br />
betreut, wobei sich die Patientenzahl in den<br />
letzten Jahren bei deutlich rückläufiger Zahl<br />
der sächsischen Einwohner im Kindes- und<br />
Jugendalter kontinuierlich erhöht hat.<br />
Die Daten aus dem Sächsischen Diabetesregister<br />
lassen eine erste Einschätzung der<br />
Inzidenzentwicklung für den Typ I-Diabetes<br />
mellitus zu. Dies ist bedeutsam für die<br />
Planung von Betreuungsstrukturen und ermöglicht<br />
perspektivisch auch Aussagen zur<br />
regionalen Verteilung der Erkrankung, was<br />
von Interesse für Fragestellungen zur bisher<br />
immer noch ungeklärten Ätiologie dieses<br />
Krankheitsbildes ist.<br />
Dr. med. Christian Vogel<br />
Ltd. Oberarzt der Klinik für Kinder- und<br />
Jugendmedizin<br />
<strong>Klinikum</strong> <strong>Chemnitz</strong>