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Ernst Teichmann, Pfarrer vom Waldfriedhof Halbe

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<strong>Ernst</strong> <strong>Teichmann</strong> kam 1947 zum ersten Mal nach <strong>Halbe</strong>. Von einer Verwandten,<br />

die selbst in den Kessel bei <strong>Halbe</strong> im April 1945 geraten war, erfuhr<br />

er von den vielen Toten der letzten Kriegstage. Als einfacher Soldat,<br />

als Gefreiter, hatte der evangelische Pastor selbst den Krieg kennengelernt.<br />

Seine fünfjährige Militärzeit sensibilisierte ihn für das Leid seiner Kameraden<br />

und der Angehörigen der Toten.<br />

Im August 1906 in Nordfriesland geboren, wuchs <strong>Ernst</strong> <strong>Teichmann</strong> bei<br />

Pflegeeltern in der Nähe Berlins auf. Nach einer Lehre als Bankkaufmann<br />

in Berlin begann er sein Theologiestudium, und während seiner Zeit als Vikar<br />

in den späten dreißiger Jahren in der Georgskirche in Frankfurt/Oder<br />

lernte er seine spätere Frau, Ilse, kennen. Kurze Zeit nach seiner Ordination<br />

und seiner Eheschließung wurde er zur Wehrmacht eingezogen.<br />

Während des Krieges wurden die erste Tochter, Christine (1941), und der<br />

Sohn Jens (1944) geboren. <strong>Ernst</strong> <strong>Teichmann</strong> spürte, daß der Krieg, vor allem<br />

nachdem die Zahl der deutschen Kriegstoten und Vermißten enorm zu<br />

steigen begann, auch die Angehörigen der Soldaten beunruhigte. Längere<br />

Pausen im Postverkehr zwischen den Soldaten und ihren Angehörigen<br />

verunsicherten beide Seiten und ließ diese intensiv nach Lebenszeichen suchen.<br />

Er selbst wie auch seine junge Familie hatten den Krieg lebend überstanden.<br />

Er war nicht lange in Gefangenschaft und bereits im Sommer<br />

1945 trat er seine erste Pfarrstelle in Schierke/Harz an, wohin ihm seine Familie<br />

folgte, die er bereits zuvor in Wernigerode getroffen hatte. <strong>Ernst</strong><br />

<strong>Teichmann</strong> und seine Familie hatten Glück gehabt, und dies war ihnen bewußt.<br />

Seine Frau Ilse und er hatten oft genug erlebt, daß Familien auseinandergerissen<br />

wurden und nach dem Krieg nichts voneinander wußten.<br />

Die kollektiv erfahrene Unwissenheit über den anderen gehörte zur Alltagserfahrung<br />

in der Nachkriegsgesellschaft in allen vier Besatzungszonen.<br />

Mehrere Millionen Menschen waren während und nach dem Krieg<br />

unterwegs gewesen, hatten ihre alten Wohnorte aufgegeben und mußten<br />

nun eine neue Bleibe suchen. Wer keine offizielle Mitteilung über den<br />

Tod des Angehörigen erhalten hatte, hoffte auf dessen Überleben. Auch<br />

wenn die Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion von vielen damals als<br />

das Schlimmste angesehen wurde, hofften doch viele Angehörige, die<br />

noch auf jemanden warteten, daß er vielleicht noch dort sei. Noch weit in<br />

den fünfziger Jahren standen Menschen mit Bildern von Vermißten auf<br />

den Bahnsteigen, wenn Züge mit Gefangenen aus der Sowjetunion erwartet<br />

wurden. Für viele wurde zunehmend die traurige Gewißheit des<br />

Todes des Angehörigen befreiender als die mit immer weniger Hoffnung<br />

verbundene Ungewißheit.<br />

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