Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner
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Zeitgleich wirkte in Breslau unter Leitung des KJVO-Mitgliedes Robert Bialek<br />
eine umfangreiche, konspirativ gut organisierte Jugendgruppe, zusammengesetzt<br />
aus Angehörigen der illegalen KJVO, des KJVD und der SAJ, die eine<br />
breite Agitationsarbeit in mehreren Stadtteilen Breslaus leistete; es waren zirka 60<br />
Jugendliche im Alter von 18 bis 24 Jahren, unterteilt in Vierergruppen. Sie verbreiteten<br />
selbst gefertigte Flugschriften und heimlich beschaffte Druckschriften, wie<br />
»Die Klassenfront« und der »Junge Prolet«. Ferner wurden Klebezettel hergestellt<br />
mit den unterschiedlichsten antifaschistischen Losungen, z. B. »Der Faschismus<br />
muss sterben, wenn das Volk leben will!« Robert Bialek berichtete, dass die Jugendlichen<br />
ihre Zettel an Taxis, Telefonzellen und Häuser klebten. Mit einem dazu<br />
speziell hergerichteten Fahrrad wurden auch antifaschistische Parolen, die schwer<br />
zu entfernen waren, auf die Straßen in verschiedenen Stadtteilen aufgetragen.<br />
Ein aus Berlin nach Breslau gesandter Kurier des KJVD mit dem Decknamen<br />
»Willy« suchte und fand Kontakt zu Robert Bialek. Er übermittelte ihm ein<br />
Rundschreiben des ZK der KPD, das zu einer breiten antifaschistischen Front aller<br />
Hitlergegner aufforderte. Gemeinsam berieten sie im Frühjahr 1934, einen antifaschistischen<br />
Aktionsausschuss zu bilden, der alle in Breslau vorhandenen illegalen<br />
Gruppen umfassen sollte. Selbst Jugendliche, oppositionell eingestellte Schüler,<br />
sollten in die illegale Arbeit einbezogen werden. Im Bestreben, eine breite illegale<br />
Einheitsfront zu schaffen, gelang es Robert Bialek auch, Kontakt zu Gerhard Heidenreich<br />
herzustellen, der von 1933 bis zu seiner 1934 erfolgten Verhaftung eine<br />
KJVD-Gruppe in Breslau leitete. 5<br />
Die Breslauer Gestapo suchte fieberhaft nach den Verteilern der illegalen Schriften.<br />
Eines dieser Flugblätter erhielt auch ein Betriebsarbeiter von einem Lehrling<br />
der gemeinsamen Arbeitsstätte. Dieser konnte nicht ahnen, dass jener Mitglied<br />
der SA war. Der von der Gestapo umgehend verhaftete Lehrling beschrieb nach<br />
brutalem Verhör durch den zuständigen Kriminalsekretär Kluske den Flugblattverteiler.<br />
So gelang es der Gestapo, den Antifaschisten Georg Brückner zu verhaften.<br />
Er gab nach mehreren verschärften Vernehmungen durch Kluske die Namen<br />
von Mitstreitern preis. Aufgrund der Aussagen von Georg Brückner erfolgte am<br />
11. November 1934 auch der Zugriff auf Robert Bialek. Er legte jedoch bei seinen<br />
Vernehmungen durch den Gestapobeamten Kluske falsche Spuren, um seine<br />
Mitstreiter soweit wie möglich zu schützen. Aufgrund seiner Lungentuberkulose<br />
erhielt er während seiner Untersuchungshaft eine Einzelzelle. Robert Bialek wagte<br />
es sogar, einen Fluchtversuch vorzubereiten, um ins Ausland zu gelangen. Er<br />
nahm über einen Mithäftling, der aber ein Gestapospitzel war, Kontakt zu seiner<br />
Mutter auf. Der Kassiber wurde durch den Spitzel an die Gestapo übermittelt, die<br />
5 Siehe Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde DY 30/2/4274 ohne Blattsignatur.<br />
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