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Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner

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Es blieb in seinen amtlichen Dokumenten und wurde auf seinem Grabstein auf<br />

dem Berliner Friedhof der Sozialisten eingemeißelt. 53<br />

Die Mitarbeiter der polnischen Staatssicherheit, die Fred verhörten, waren<br />

meistens jung und durch den Krieg und die furchtbaren Erlebnisse geprägt, die die<br />

Deutschen ihrem Volk angetan hatten. Vielen lag eine Differenzierung fern, ein<br />

Deutscher war generell ein Feind und wurde auch so behandelt. Freds Widerstand<br />

gegen die Nazis, seine Hilfe für die Zwangsarbeiter blieben unerwähnt. In den<br />

Unterlagen, die über ihn angefertigt wurden, schwingt zudem ein antisemitischer<br />

Unterton mit. Seine Nationalität wurde darin mit deutscher Jude, seine Religion<br />

mosaisch und seine Muttersprache mit deutsch und jüdisch eingetragen, da seine<br />

Aussprache einen jüdischen Akzent hätte. Diese Stigmatisierung hielt die Sicherheitsbeamten<br />

nicht davon ab, Fred in eine Zelle mit Hauptmann Arthur Kühne zu<br />

sperren. Kühne gehörte der Organisation »Freies Deutschland« an, die erst am<br />

15. Mai 1945 gegründet worden war. Ihre Aufgabe war es, im Falle eines neuen<br />

Krieges, die nunmehr polnischen Westgebiete von Polen loszureißen. Ihre Tätigkeit<br />

bestand in dieser Zeit erst einmal darin, Schulungen durchzuführen und abzuwarten,<br />

wie sich das Verhältnis der Alliierten untereinander entwickeln würde.<br />

Erst im Frühjahr 1946 waren Kühne und etwa 200 Mitglieder dieser Organisation<br />

verhaftet worden. 54<br />

Fred blieb zunächst einige Wochen im Polizeigefängnis. Später kam er in<br />

den Kriegsverbrecherflügel des Gefängnisses in der Kletschkaustraße. Dort war<br />

er Misshandlungen und Schikanen von Mithäftlingen, ehemaligen SS-Männern,<br />

ausgesetzt.<br />

Fred wurden von Funktionären der polnischen Staatssicherheit die absurdesten<br />

Verbrechen vorgeworfen, z. B. SS-Mann gewesen zu sein. Man suchte vergeblich<br />

nach einer eintätowierten Blutgruppe und schlug ihm Zähne aus. Er wurde niemandem<br />

gegenübergestellt, hatte keinen juristischen Beistand und sah weder einen<br />

Richter noch einen Staatsanwalt. Fred blieb für die Außenwelt verschwunden.<br />

Es war, als hätte es ihn nie gegeben. Seine Bitte, seine Mutter sprechen zu dürfen<br />

oder die sowjetische Kommandantur zu benachrichtigen bzw. das Jüdische Komitee<br />

von seiner Festnahme zu informieren, wurde abgelehnt. Katharina Löwenberg<br />

war verzweifelt. Sie suchte Fred überall und irrte in der zerstörten Stadt umher.<br />

Sogar ein Inserat mit einer Suchmeldung gab sie auf. Hilfe von der sowjetischen<br />

Kommandantur wurde ihr versagt. Als sie endlich erfuhr, dass Fred im Gefängnis<br />

saß, bot ein jüdischer Rechtsanwalt ihr seine Unterstützung an. Katharina vertrau-<br />

53 Fred Löwenbergs Grab befindet sich in der Anlage für Opfer des Faschismus und Verfolgte des Naziregimes. Der<br />

schlichte Grabstein trägt die Inschriften Fred Löwenberg 1924–2004, Olga Löwenberg 1926–1980. Fred hatte<br />

Olga Froloff 1954 geheiratet und drei Kinder mit ihr. Olgas Vater war Russe. Während des Ersten Weltkrieges<br />

kam er in deutsche Kriegsgefangenschaft und ist dann in Deutschland geblieben.<br />

54 Volker Koop: Himmlers letztes Aufgebot. Die NS-Organisation »Werwolf«. Köln, Weimar, Wien 2008, S.109 f.<br />

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