Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner
Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner
Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
als 30.000 Mitglieder verfügte, 15 brachte dies in der Wochenzeitung seines Verbandes<br />
paradigmatisch zum Ausdruck:<br />
»Schlesien liegt geopolitisch so, dass seine Geschicke von allem berührt werden,<br />
was sich in Europa ereignet. Dem Reich des Bolschewismus nicht sehr weit<br />
entfernt, dem östlichen Träger französischer Vormachtsgelüste, Polen, benachbart,<br />
in seiner Südostausdehnung auf dem alten Handelswege nach dem Balkan,<br />
hineinragend in alle jene Gärungen, welche, von dort ausgehend, sich über Ungarn<br />
und Österreich hin in die Slowakei und bis in die Tschechei erstrecken.« 16<br />
Stimmen der Vernunft, die mit Recht einseitige Schuldzuweisungen an die polnische<br />
Seite vermieden, waren rar. Eine dieser Stimmen gehörte dem Abgeordneten<br />
der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung Ziegler, Mitglied der<br />
USPD, der die Verantwortlichkeiten für die seit dem Kriegsende entstandene Lage<br />
in Oberschlesien hellsichtig mit folgenden Worten kennzeichnete:<br />
»Meine politischen Freunde und ich sind der Meinung, dass die Zustände in<br />
Oberschlesien unhaltbar geworden sind. Dem Treiben der nationalen Elemente<br />
beiderseits, nicht nur der Polen, auch der Deutschen, haben wir sie zu verdanken.<br />
Die Polen sind die gelehrigen Schüler der nationalistischen Kreise<br />
Deutschlands…« Es sei festzustellen, »dass die deutschen Nationalisten die<br />
Geister gerufen haben, die sich jetzt als nationalistische Polen dort herumtreiben.(…)<br />
Es steht doch fest, dass auch deutsche Übergriffe polnische heraufbeschworen<br />
haben. (Tumulte).« 17<br />
Solche Stimmen der Vernunft verhallten jedoch weitgehend ungehört. Welchen<br />
Einfluss antipolnische Ressentiments mittlerweile gewonnen hatten, dokumentiert<br />
der Beitrag des preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun (SPD) in der gleichen<br />
Sitzung, der sich in Tonlage und Inhalt nur geringfügig von entsprechenden<br />
Einlassungen deutschnationaler Abgeordneter unterschied. Braun führte unter anderem<br />
aus:<br />
»Die Staatsregierung hat mit Entsetzen und Schmerz Kenntnis genommen von<br />
den furchtbaren Ereignissen, die sich in Oberschlesien abgespielt haben. (…)<br />
Mit inniger Anteilnahme und steigender Empörung verfolgt sie den heroischen<br />
Kampf, den die überwiegend deutsch gesinnte oberschlesische Bevölkerung<br />
gegen die Heimtücke und Schändlichkeit polnischer Schädlinge, gegen die<br />
Bestialität einer durch verlogene polnische Hetze bis zur Siedehitze nationalistischen<br />
Hasses aufgestachelten Volksmenge führt. (…) Der schwer geprüften<br />
15 Siehe Volker R. Berghahn: Der Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten 1918–1935, Düsseldorf 1966, S. 287.<br />
16 Oberst a. D. von Marklowski, in: Der Stahlhelm, Nr. 18, 10.5.1931, S. 3: »Schlesien«. Exemplar in: BArch, R 72/154.<br />
17 Sitzungsberichte der verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung, Tagung 1919/21, 9. Bd., 134. bis<br />
155. Sitzung, Berlin 1921, Sp. 12221, 12224 u. 12227 (153. Sitzung v. 17.9.1920).<br />
82