Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner
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verfügbare Geld [erpressten]«. 18 Auch das Gerichtsgebäude wurde am 11. März<br />
1933 von SA-Truppen besetzt und gesperrt. Sie veranlassten den Rauswurf aller<br />
jüdischen Anwälte und Richter. Dies sei, laut Tausk, zum damaligen Zeitpunkt in<br />
keiner anderen deutschen Stadt denkbar gewesen. In Breslau übernahm Gruppenführer<br />
Edmund Heines 1931 die Führung der SA-Obergruppe III (Schlesien). Ab<br />
Mai 1933 war er Polizeipräsident von Breslau. Unter seiner Führung wurde der<br />
reichsweit als besonders brutal berüchtigte Charakter der schlesischen SA geprägt.<br />
Die Standarte 11 agierte unter seinem Kommando eigenmächtig und »räumte« die<br />
Stadt »auf«. Die SA und Schutzstaffel (SS) 19 patrouillierten durch die besseren<br />
Cafés und kontrollierten die Gäste. Sahen die Menschen »zu jüdisch« aus, wurden<br />
sie des Cafés verwiesen, saßen die Personen »mit christlichen Mädchen oder Damen<br />
zusammen, so nimmt man sie mit auf das Braune Haus und ›verhört‹ sie, um<br />
sie dann mit ›Ermahnungen‹ wieder zu entlassen – oder etwas zu verprügeln«. 20<br />
Braunes Haus war die Bezeichnung für nationalsozialistische Versammlungslokale<br />
in Breslau. Es gab mehrere, aber Tausk wie auch Irmgard berichteten vom<br />
Braunen Haus in der Neudorfstraße (ul. Komandorska), dem Hauptquartier der<br />
SA. Im April folgten große Razzien auf Kommunistinnen und Kommunisten in<br />
vielen Stadtteilen mit mehreren Tausend SA- und SS-Männern. »Was ich selbst<br />
unter den mit Stahlhelmen ausgerüsteten SA-Leuten sehen konnte […], waren<br />
furchtbare Raubtiergesichter: Folterknechte, […].« 21 Es folgten Verhaftungen und<br />
Abtransporte zahlreicher Freundinnen und Freunde und Bekannter Irmgards in<br />
Gefängnisse und erste Konzentrationslager. So wurden aus Jugoslawien zurückgekehrte<br />
Jugendgenossinnen und Jugendgenossen von Irmgard ins Braune Haus<br />
verschleppt. Dort hat man ihnen das Hakenkreuz in die Schädeldecke eingeritzt.<br />
»Wir sind doch überrascht worden, von so etwas. Das gab es doch vorher gar<br />
nicht, dass Genossen verhaftet werden und zu Tode geprügelt werden.« 22<br />
Besonders erschüttert waren Irmgard und ihre Genossinnen und Genossen von<br />
der Festnahme Ernst Ecksteins im Februar 1933. Als Rechtsanwalt hatte er schon<br />
in der Weimarer Republik viele Genossinnen und Genossen verteidigt. In Breslau<br />
wirkte Ernst Eckstein lange Zeit als Vorsitzender des SPD-Ortsvereins und übte<br />
das Amt eines Stadtverordneten der SPD aus. Jedoch schloss die Partei ihn aus politischen<br />
Gründen im September 1931 aus. Mit anderen Genossinnen und Genos-<br />
18 Ebenda, S. 34<br />
19 Die SS wurde 1925 gegründet, zunächst zum persönlichen Schutz von Adolf Hitler, 1934 unter Reichsführer<br />
der SS, Himmler, als selbständige Organisation der NSDAP. Die SS war gleichzeitig die politische Polizei des<br />
Deutschen Reiches. Als Großorganisation mit zwölf Hauptämtern war sie maßgeblich am Holocaust und am<br />
Massenmord von Sinti und Roma beteiligt. Die Konzentrationslager unterstanden der SS. Nach 1945 wurde die<br />
SS verboten (Benz/Graml/Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 783-786).<br />
20 Tausk: Breslauer Tagebuch 1933–1940, S. 58.<br />
21 Ebenda, S. 62.<br />
22 Jost: Es war wie ein Wunder …, S. 5.<br />
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