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Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner

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Geschäftspartnern. Anfangs schien Vangerow durchaus mit den Nazis sympathisiert<br />

zu haben. Davon zeugt ein Schreiben vom 16. Mai 1933, 5 in dem er das<br />

Außenpolitische Amt der NSDAP in Berlin über die Lage in Polen und besonders<br />

die der Juden informierte. Doch irgendwann kam es zu Konflikten. Bei seinen späteren<br />

Auslandsreisen muss Vangerow bespitzelt worden sein, als er sich kritisch<br />

über die braunen Machthaber in Deutschland äußerte. Auch Jahre nach dem Krieg<br />

konnte Vangerow nicht vergessen, was er im Gefängnis und Zuchthaus durchleben<br />

musste. Nachdem seine Heimatstadt Breslau nun zu Polen gehörte, hatte sich<br />

der Kaufmann in Eiting/Engelsberg in Oberbayern eine neue Existenz aufgebaut.<br />

Doch er fand keine Ruhe. Daher entschloss er sich zur Anzeige gegen den Leiter<br />

der politischen Abteilung der Gestapo Breslau. Dessen Namen gab er mit Felix<br />

Gluschke an. Vangerow hatte sogar über die Heimatortskartei »Groß-Breslau«<br />

der Caritassuchstelle die aktuelle Wohnadresse von Felix Gluschke ermittelt. Dieser<br />

hatte in Breslau in der Wilhelmshavener Straße 76 gewohnt und lebte nun in<br />

Cham/Oberpfalz in der Katzberger Straße 18.<br />

In einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Amberg/Oberpfalz vom 31. August<br />

1949 nannte Vangerow Namen von Mitgefangenen, Deutschen und Ausländern,<br />

die gefoltert und teilweise an den Folgen gestorben waren. Dieses Wissen<br />

resultierte aus seinem Aufenthalt in der überfüllten Gemeinschaftszelle des Breslauer<br />

Polizeigefängnisses, wo er vom 13. April bis 28. Juni 1944 einsaß. Diese<br />

Gemeinschaftszelle war eine Station Vangerows auf dem Wege ins Zuchthaus<br />

Bützow/Dreibergen in Mecklenburg, wo er am 3. Mai 1945 von der Roten Armee<br />

befreit wurde. Vangerow gab Auskunft über die verschärften Verhöre des vermeintlichen<br />

Gluschke.<br />

Verstärkung in seinen Bemühungen erhielt Oskar Vangerow von Kurt Aloe,<br />

einem Mitgefangenen aus der Breslauer Gemeinschaftszelle, der nach dem Krieg<br />

in Berlin in der Invalidenstraße 63/68 wohnte. Aloe, der vom 12. Oktober 1943 bis<br />

6. Juni 1944 im Polizeigefängnis der Gestapo in Breslau gesessen hatte, bestätigte<br />

die Schilderungen Vangerows. Er forderte keine Vergeltung, sondern eine gerechte<br />

Bestrafung. Aloes »Vergehen« hatte darin bestanden, als sogenannter Mischling<br />

ersten Grades mit einer »arischen« Frau, die ein Kind von ihm erwartete, verlobt<br />

gewesen zu sein.<br />

Oskar Vangerow hatte mit seiner Anzeige den Stein ins Rollen gebracht.<br />

Am 30. September 1949 wurde in der Kriminal-Außenstelle Cham der Landespolizei<br />

Niederbayern/Oberpfalz der verheiratete Kriminalsekretär a. D. Felix<br />

Gluschke zur Beschuldigtenvernehmung vorgeführt. Dabei klärte sich schnell,<br />

5 Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945.<br />

Band 1, Dokument 43, 16. Mai 1933. Der Firmenvertreter Oskar Vangerow berichtet am 16. Mai 1933 über die<br />

Juden und die Stimmung in Polen, Bundesarchiv (Germany) 2008, S. 157 f.<br />

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