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Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner

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300 bis 500 aktiv in polnischen Organisationen tätig waren. 37 Während des Krieges<br />

kamen viele polnische Zwangsarbeiter nach Breslau. 38 Gleichzeitig kehrten<br />

nach Beendigung des Krieges viele Deutsche nach Wroclaw zurück, die die Stadt<br />

vor der Einkesselung durch die Rote Armee verlassen hatten. Außerdem kamen<br />

viele deutsche Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause. Sowohl die<br />

Aussiedlung der Deutschen als auch die polnische Ansiedlung verliefen sehr langsam,<br />

denn allgemein wurde geurteilt, dass die polnische Führung in der Stadt nur<br />

eine vorübergehende wäre. Erst ab August 1945 verliefen beide Aktionen zügiger.<br />

Bereits Ende Dezember 1945 wohnten in Wroclaw rund 43.400 Polen. Das Jahr<br />

1946 war entscheidend für Veränderungen in der Einwohnerstruktur der Stadt.<br />

Das erste Einwohnerverzeichnis Wroclaws nach dem Krieg zeigt auf, dass es im<br />

Februar 1946 168.000 Einwohner in der Stadt gab, darunter waren 110.000 Deutsche.<br />

39 Ende 1946 wohnten in Wroclaw 185.947 Polen und 17.000 Deutsche. 40<br />

Das heißt, im Laufe des ersten Nachkriegsjahres veränderte sich der nationale<br />

Charakter der Stadt.<br />

Die Aussiedlung der Deutschen verlief oftmals dramatisch, denn die Menschen<br />

lebten seit Generationen hier und mussten nun in irgendeine Besatzungszone ausreisen<br />

und dabei einen wesentlichen Teil ihrer Habe zurücklassen. Zwar standen<br />

die Ausreisen unter Kontrolle von Verbindungsoffizieren alliierter Armeen, dennoch<br />

kam es zu Misshandlungen und Plünderungen. Die Täter rechtfertigten sich<br />

gewöhnlich damit, dass sie mehr gelitten hätten als die Okkupanten und ihnen<br />

daher eine Entschädigung zustände. Viele ältere Menschen hielten den ständigen<br />

Druck im Zusammenhang mit der Ausreise nicht aus und nahmen sich das Leben.<br />

Die Meldungen der Bürgermiliz aus dieser Zeit sind voll von Nachrichten<br />

über Selbsttötungen alter deutscher Menschen. Das war nicht ausschließlich für<br />

Wroclaw typisch. Ähnliches wurde ebenfalls in größerem Umfang unter Polen<br />

festgestellt, die Lwow oder Vilnius verlassen mussten, denn diese Städte hatte die<br />

UdSSR besetzt. 41<br />

Viele Deutsche rechneten mit einer provisorischen Lösung der Grenzfrage und<br />

bemühten sich auf alle erdenkliche Weise, die Ausreise zu umgehen. Ein Teil von<br />

unerlässlichen Fachleuten für das Funktionieren von Betrieben erhielt Dokumente<br />

37 Sie engagierten sich in der Polnischen Schule, im Amateurtheater und vor allem im Polnischen Haus, das sich<br />

zuerst in der Heinrichstraße 21/22 (ul. Henryka Brodatego) und ab Herbst 1938 am Schweidnitzer Stadtgraben<br />

16a (Podwale) befand.<br />

38 1944 waren es etwa 30.000, denn nach dem Warschauer Aufstand wurden viele Warschauer nach Breslau deportiert.<br />

39 Wroclaw w liczbach 1945–1970, wydanie Miejskiego Urzedu Statystycznego, Wroclaw 1970, S. 10.<br />

40 Wroclaw w cyfrach, in: Slowo Polskie, 8. Januar 1947. Die Angaben aus diesem Zeitraum sind unsicher. Einige Quellen<br />

geben andere Zahlen an, z. B. 170.000 Polen und 20.000 Deutsche oder 185.000 Polen und 18.000 Deutsche.<br />

41 Nebenbei bemerkt waren Plünderungen an der polnischen Zivilbevölkerung in Lemberg ebenso an der Tagesordnung.<br />

Siehe G. Hryciuk: Sprawa Lwowa wlasciwie wciaz otwarta. Miedzy nadzieja a zwatpieniem Polacy we<br />

Lwowie w 1945 r., in: Dzieje Najnowsze, Jg.: XXXVII/2005/, S. 111-138.<br />

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