Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner
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des Stahlhelm-Landesverbandes Schlesien, Oberst a. D. von Marklowski, »dass<br />
Polen das rote Tuch für jeden Stahlhelmkameraden mit Recht ist«. 71 Ergänzt werden<br />
darf: Dies galt nicht nur für die Mitglieder des Stahlhelms. Die sogenannten<br />
Abwehrkämpfe der Jahre von 1919 bis 1921 und das Gedenken an sie taten ein<br />
Übriges, um diese Anschauung zu kultivieren. Die im Gefolge des Ersten Weltkrieges<br />
verlorengegangenen Gebiete Oberschlesiens waren im Bewusstsein vieler<br />
Bewohner nur zeitweilig in den polnischen Staat inkorporiert worden, es gelte<br />
alles zu tun, um sie eines nicht allzu fernen Tages wiederzugewinnen.<br />
Diejenigen politischen Kräfte, die am überzeugendsten versprachen, dieses<br />
Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, waren die Organisationen der politischen<br />
Rechten; seit Anfang der dreißiger Jahre primär die zur Massenpartei avancierte<br />
NSDAP, die sich auch bewusst in die Tradition der Freikorpskämpfer stellte und<br />
dabei darauf verweisen konnte, nicht wenige von ihnen als Mitglieder und »Führer«<br />
gewonnen zu haben. Und tatsächlich musste den vielen Tausend ehemaligen<br />
Freikorpsleuten und ihren noch zahlreicheren Sympathisanten in Schlesien die<br />
brutale Militanz der SA als die Fortsetzung des Kampfes und der Gesinnung der<br />
Freikorps aus den ersten Jahren der Weimarer Republik erscheinen. Es drängte<br />
sich der Eindruck auf, dass die »Sturmabteilungen« der NSDAP deren legitime<br />
Erben seien. Wie auch immer:<br />
Das propagierte »Dritte Reich« erschien immer mehr Schlesiern als ein anzustrebender<br />
deutscher Staat, wo die sogenannte Ostfrage mit militärischer Gewalt,<br />
besser vorbereitet als dies 1914 und von 1919 bis 1921 der Fall war, gelöst werden<br />
würden. Die Rückkehr der ehemals zu Deutschland gehörenden oberschlesischen<br />
Gebiete musste am wahrscheinlichsten erscheinen, wenn man diejenige Partei unterstützte,<br />
die am überzeugendsten proklamierte, Polen alles wieder zu entreißen,<br />
was man 1921 verloren hatte. Die bis zum Ende der zwanziger Jahre weit verbreiteten<br />
deutschnationalen Überzeugungen, die vor allem in der wählerstarken<br />
DNVP und im Stahlhelm-Bund der Frontsoldaten ein festes Fundament gewonnen<br />
hatten, wurden schließlich zu faschistischem Gedankengut umgeformt, wobei dieser<br />
Prozess keine großen Anstrengungen erforderte, wie z. B. der Blick in die zeitgenössischen<br />
Publikationen der beiden genannten Organisationen lehrt. Sie hatten<br />
dem deutschen Faschismus gut vorgearbeitet. Hitler konnte somit ernten, was die<br />
DNVP und der Stahlhelm gesät hatten.<br />
Dass am Ende ganz Schlesien im Gefolge der faschistischen Politik endgültig<br />
verlorengehen sollte, vermochte sich damals, als auch in dieser preußischen Provinz<br />
der Siegeszug der Nazis unaufhaltsam zu sein schien, niemand vorzustellen.<br />
71 BArch, R 72/25, Bl.158. Schreiben von Marklowksis an das Bundesamt des »Stahlhelms« vom 3. Dezember<br />
1930. An anderer Stelle schrieb er, ebenfalls im Dezember 1930, vom »polnischen Asiatentum«. Siehe ebenda,<br />
Bl.171.<br />
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