Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner
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wurde nur ein neuer Brandherd in Lesnica (Deutsch Lissa) entdeckt. Kurz darauf<br />
berichtete die Presse vom Eindämmen der Epidemie. Doch diese Information war<br />
etwas übertrieben, denn 1947 tauchten erneut Fälle von Ruhr, Typhus, Scharlach<br />
und Diphtherie auf. Diese Krankheiten wurden kostenlos behandelt. Ende 1947<br />
war die Mehrzahl der ansteckenden Krankheiten verschwunden.<br />
Ein trauriges Kapitel stellten nach dem Krieg die sich schnell verbreitenden<br />
Geschlechtskrankheiten dar. Viele Frauen hatten sich nach den Vergewaltigungen<br />
bei Soldaten der siegreichen Roten Armee angesteckt. Diese Erscheinung hatte<br />
solch einen Massencharakter, dass sie als gesellschaftliches Problem zu betrachten<br />
war. Zur Verbreitung von Geschlechtskrankheiten trugen auch lockere Sitten<br />
während des Krieges und in den ersten Jahren nach seiner Beendigung bei.<br />
Eine ernste Sorge bereitete der Stadt die Rattenplage, worüber die Presse in den<br />
Jahren 1945 und 1946 ausführlich berichtete. Die Plage betraf auch andere Städte.<br />
In Gdansk z. B. wurde ein Sonderkommissar zur Bekämpfung der Nagetiere berufen.<br />
Von Zeit zu Zeit erfolgten Aktionen zur Rattenvernichtung, jedoch mit mäßigem<br />
Erfolg. Es gab Fälle, wo die Ratten Menschen auf der Straße attackierten. 35<br />
Erst eine große Aktion zur Rattenbekämpfung im Jahre 1946 brachte zunächst<br />
gute Ergebnisse. Leider vermehrten sich nach kurzer Zeit die Ratten erneut.<br />
Eine weitere Plage waren die herumstreunenden Hunde. Viele ihrer Besitzer<br />
waren umgekommen oder in Panik geflüchtet und hatten die Tiere zurückgelassen.<br />
Erst 1947 beschäftigte die Stadt einen speziellen Mitarbeiter, der herumirrende<br />
Tiere einfing. Gewöhnlich wurden sie den Besitzern zurückgegeben oder Leuten<br />
übereignet, die sich mit ihnen beschäftigen wollten. 36<br />
Das erste Jahr im Nachkriegs-Wroclaw stand unter dem Zeichen von zwei<br />
großen Bevölkerungsoperationen: der Aussiedlung der deutschen und an deren<br />
Stelle die Ansiedlung der polnischen Bevölkerung. Die letzte Entscheidung in dieser<br />
Angelegenheit fiel auf der Konferenz in Potsdam. Die Bestimmungen dazu<br />
waren schon früher in Jalta erlassen worden. Deshalb wurde sowohl mit der Aussiedlungsaktion<br />
als auch mit der Ansiedlung noch vor der Potsdamer Konferenz<br />
begonnen.<br />
Anfangs war die Zahl der Polen nicht groß: Mitglieder der Organisationsgruppen<br />
der polnischen Verwaltung, eine gewisse Zahl von Zwangsarbeitern, die beschlossen<br />
hatten zu bleiben, aber auch eine kleine Zahl von polnischen Autochthonen,<br />
die schon vor dem Krieg in Breslau lebten. Nach verschiedenen Schätzungen<br />
wohnten vor Ausbruch des Krieges rund 3.000 Polen in Breslau, von denen etwa<br />
35 Einige Chronisten haben festgestellt, dass sich Ratten besonders während der Festungszeit wohl fühlten, in dem<br />
sie sich von Bombenopfern und von Toten ernährten. Nicht alle Toten konnten, aus verständlichen Gründen,<br />
bestattet werden.<br />
36 Formell musste nach damals gültigen Vorschriften nach drei Tagen der Hund eingeschläfert werden. Aber das<br />
kam sehr selten vor.<br />
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