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Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner

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Pfarrer Martin Scholl erlitt ein besonders tragisches Schicksal. Er blieb seiner<br />

antifaschistischen Haltung bis zuletzt treu und lehnte es ab, mit der Naziherrschaft<br />

westwärts zu flüchten, bevor die Rote Armee Ende Januar 1945 das rechte Oderufer<br />

aufrollte und Auras besetzte. Scholl wollte die Zurückgebliebenen, meist Alte<br />

und Gebrechliche seiner Gemeinde, nicht allein lassen. Daher entgegnete er auf die<br />

Bitte einer Familie, die sich aus dem zur Frontlinie werdenden Auras in ein weiter<br />

zurückliegendes Dörfchen zurückzog, doch mitzukommen: Die Russen sind auch<br />

Menschen. Es ließ sich nicht aufklären, was in den Tagen des Einmarschs der Roten<br />

Armee, als noch Kämpfe mit der Waffen-SS stattfanden, in der Stadt geschah.<br />

Wir wissen nicht, ob die Waffen-SS noch die beiden Kirchtürme anbrannte und<br />

ihre nachweisliche Drohung wahrmachte, Zurückbleibende eventuell zu erschießen.<br />

Ebenso wenig ist auszuschließen, dass die meisten im Stadtzentrum verbliebenen<br />

Bewohner von durch den Krieg verrohten und angesichts der Verbrechen<br />

der Faschisten in ihrer Heimat gegen alle Deutschen hasserfüllten Rotarmisten<br />

umgebracht wurden. Vieles spricht dafür, dass Pfarrer Scholl der Kriegsfurie und<br />

dem Hass der erobernden Soldaten zum Opfer fiel. Sein Leichnam war zuerst in<br />

einem Massengrab unweit der Stelle, an der er getötet wurde, bestattet worden.<br />

Am Silvestertag 1945 wurde er von Auraser Männern und Jugendlichen in einem<br />

provisorisch gezimmerten Sarg auf den städtischen Friedhof umgebettet und<br />

von einem polnischen Franziskaner eingesegnet. Seit langem weist ein schlichter<br />

Grabstein auf sein Grab hin. Ungelenk, weil wohl von einem Laien, ist in Latein<br />

die Erinnerung an den Auraser Priester in den Stein gemeißelt: »Martin Scholl.<br />

Parochus in ecclesia Auras. *29.12.98 + 27.1.45. sac. 13.3.23. Rip.« Die Grabpflege<br />

liegt heute in den Händen von Schulkindern der Szkola Podstawowa im. »Unii<br />

Europejskiej« von Uraz.<br />

Pastor Johannes Halm begab sich mit seiner Familie im Januar 1945 auf die<br />

Flucht und erlebte die fürchterlichen Luftangriffe vom 13. und 14. Februar 1945 in<br />

Dresden. Er kehrte im Juli noch einmal nach Schlesien zurück, arbeitete in Breslau<br />

im Konsistorium und betreute als Seelsorger bis September 1945 Auras, Riemberg<br />

und Klein Bresa. Aus Schlesien ausgewiesen, nahm er kurzzeitig mehrere Pfarrstellen<br />

in Thüringen und Sachsen-Anhalt wahr und wirkte von Oktober 1948 bis<br />

zu seinem Tode als Pfarrer in Klein-Rodensleben im Kreis Wanzleben. Im Einstellungsschreiben<br />

der Superintendentur des Kirchenkreises Wanzleben 54 heißt es,<br />

dass seine seelsorgerliche Arbeit bereits Früchte trage. Vor allem gelinge es ihm,<br />

Einheimische und Flüchtlinge zusammenzubringen und »den schmerzlichen Riss,<br />

der in dieser Hinsicht durch unsere Gemeinden geht«, zu heilen. Und man verwies<br />

54 Archiv Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen Magdeburg, Rep. A Spec. G Nr. 8966: Superintendentur Wanzleben<br />

an Ev. Konsistorium der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg, Wanzleben, 12.2.1948.<br />

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