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Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner

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sprache zu bitten. Als ich eintrat, waren zwei junge Männer zugegen, die Bücher<br />

leihen wollten. Meine Anwesenheit ließ die junge Bibliothekarin, eine Genossin,<br />

erblassen. Da ich mir die Zusammenhänge nicht erklären konnte, entschied ich<br />

mich, zu warten, bis die beiden Kunden abgefertigt waren […] und im gleichen<br />

Augenblick rissen vier Männer die Tür auf.« 39<br />

Irmgard wurde wieder festgenommen, da die Gestapo ihr nachweisen konnte,<br />

dass sie bei der ersten Verhaftung gelogen hatte. Sie brachten sie erneut in<br />

das Polizeipräsidium und nach den Verhören in das Untersuchungsgefängnis, die<br />

Graupe 40 . Irmgard hatte mehrere illegale Briefchen im Ausschnitt stecken, die sie<br />

eigentlich weiterleiten sollte. Zu ihrem Glück wurde sie nicht durchsucht. Während<br />

des Verhöres, bei dem sie auch geohrfeigt wurde, verlangte sie so oft zur<br />

Toilette zu gehen, bis sie keiner mehr begleitete. Dort konnte sie die Briefchen<br />

entsorgen. Karl Barthel wurde vor den Augen Irmgards, es trennte sie nur eine<br />

Glastür zwischen den Räumen, brutal zusammengeschlagen. Er sollte seinen richtigen<br />

Namen nennen. Der Gestapo war er bis dahin als Heinz Teubner bekannt.<br />

Während dieses Verhörs wendete er alles von Irmgard ab. Nach ungefähr vier<br />

Wochen entließ die Gestapo sie wieder. Karl Barthel wurde im April 1934 zu fünf<br />

Jahren Zuchthaus verurteilt und anschließend nach Buchenwald abtransportiert.<br />

Irmgard erhielt in diesem Prozess einen Freispruch, da die Gestapo dank Barthel<br />

keine Beweise hatte. Beide Verhaftungen prägten Irmgard sehr. In späteren Interviews<br />

erinnerte sie sich mit tiefer Traurigkeit an diese Zeit. Besonders schwer<br />

fiel ihr, das Eingesperrtsein und die damit verbundene Einsamkeit auszuhalten.<br />

Die Trennung von Fritz und ihrer Mutter, dazu die Ungewissheit, wie es für sie<br />

weitergehen wird, quälten sie. Die einzigen Möglichkeiten der Ablenkung waren<br />

Brot und Kaffee, die einmal am Tag zu ihr in die Zelle geschoben wurden, das<br />

sogenannte Kübeln, und 20 Minuten Aufenthalt im Gefängnishof. Außerdem entdeckte<br />

sie für sich kleine Freuden wieder: »Ich hab’ mir so Lieder vorgesungen<br />

und versucht, ob ich sie alle zusammenbekomme. Gedichte hab’ ich aufgesagt. Ich<br />

hab’ so kleine Leibesübungen gemacht. Ich hab’ gehört Klopfen an der Wand: Ich<br />

kannte doch keene Klopfsprache. Aber ich hab’ fleißig mitgeklopft. Alleine, dass<br />

man mal klopfen hörte, das gab schon das Gefühl: Du bist nicht alleine. Du bist<br />

nicht alleine.« 41<br />

39 Karl Barthel: Rot färbt sich der Morgen. Erinnerungen, Rudolstadt 1958, S. 65.<br />

40 Das Untersuchungsgefängnis »Graupe« befand sich in der Graupenstraße (heute ul. Podwale).<br />

41 Jost: Es war wie ein Wunder …, S. 6.<br />

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