Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner
Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner
Cornelia Domaschke / Daniela Fuchs-Frotscher / Günter Wehner
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Breslau tätig. Bei den Vorladungen ging es meistens nur um belanglose Angelegenheiten.<br />
Aber sie verbrachte jede Nacht vor einem solchen Tag schlaflos und<br />
voll innerer Unruhe. Die ständige Bedrohung durch die Gewalt der Nazis und<br />
der allgegenwärtige Antisemitismus belasteten sie psychisch auch in ihrem Alltag.<br />
Für sie waren es Jahre der Angst. Aber auf die Frage: »Die Brücken hinter sich<br />
abbrechen, umkehren?«, antwortete sie resolut: »Nie dachten wir daran. Wir hatten<br />
uns in unserem Freundeskreis fortschrittliche, antifaschistische Anschauungen<br />
erarbeitet, erste politische Einsichten gewonnen. Dafür lebten wir, etwas anderes<br />
kam nicht in Frage.« 45<br />
Mitte Oktober 1936 wurde Irmgard erneut verhaftet. Die Gestapo drang früh<br />
morgens um sechs Uhr in ihre kleine Wohnung ein und führte sie ab. Die Verhaftungswelle<br />
betraf auch Fritz und weitere dreißig Genossinnen und Genossen der<br />
illegal arbeitenden SAP und des SJV. Ihnen wurde vorgeworfen, illegale Zeitungen<br />
verteilt zu haben sowie im Besitz des Braunbuches 46 zu sein. Dieses hatten<br />
sie zuvor noch schnell verstecken können. Die illegalen Zeitungen, u. a. das »Das<br />
Banner der revolutionären Einheit« 47 , in der unter anderem die Verbrechen der<br />
Nazis aufgeführt waren, bezogen sie aus der ehemaligen ČSR.<br />
Irmgard wurde nach einigen Wochen wieder freigelassen, weil Fritz und ihre<br />
Jugendgenossen sie entlastet hatten. Anfang 1937 wurde Fritz wegen politischer<br />
Aktivitäten im Untergrund und »Vorbereitung zum Hochverrat« vor Gericht gestellt.<br />
Weil er nicht der Hauptangeklagte in diesem Prozess war, erhielt er »nur«<br />
eineinhalb Jahre Gefängnis. Die anderen kamen ins Zuchthaus. In einem Dokument<br />
aus dem Bundesarchiv 48 werden vierzehn Namen 49 , darunter auch Irmgard<br />
Adam und Fritz Konrad genannt, mit dem Verweis, dass es sich um eine Jugendgruppe<br />
in Breslau handeln muss, die illegal gewirkt habe. Irmgard konnte ihren<br />
Liebsten und Genossen, wie sie Fritz in mehreren Interviews nannte, drei- oder<br />
viermal im Breslauer Untersuchungsgefängnis besuchen, bevor er für die restliche<br />
Haftzeit in weitere Gefängnisse in Deutschland verlegt wurde. Außerdem schrieb<br />
sie täglich längere Briefe: »Der Untersuchungsrichter, der hat gerade Briefe zensiert,<br />
[…] sind sie Fräulein Adam? Nun, was stellen Sie sich denn vor, wer soll<br />
ihre ganzen Briefe zensieren? Ich hab’ nämlich jeden Tag Riesenbriefe geschrieben.<br />
Wohnte ja nicht weit weg von der Graupe, also am Untersuchungsgefängnis.<br />
45 Voigt: Wir waren stärker als die Dunkelheit. Gespräch mit Irmgard Konrad, Häftling Nr. 23 196, S. 9.<br />
46 Das Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror wurde im August 1933 auf Initiative des kommunistischen<br />
Verlegers Willi Münzenberg vom Welthilfskomitee für die Opfer des deutschen Nationalsozialismus herausgegeben<br />
(Siehe Benz, S. 402).<br />
47 Das Banner der revolutionären Einheit war eine Druckschrift und die Genossinnen und Genossen aus Breslau<br />
bezogen sie von der illegalen SAP aus Prag (Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten NJ 5277, ZC 20050).<br />
48 Bundesarchiv Dahlwitz-Hoppegarten, ZR 895, Akte 1, Bl. 16799 f.<br />
49 Artur Haman, Walter Sust, Heinz Exler, Erich Wodarzek, Kurt Skowronek, Hermann Wegehaupt, Günther Mahler,<br />
Lucie Otto, Charlotte Bunke, Selma Hamann, Hildegard Eichler, Käthe Maywald.<br />
150